# taz.de -- Künstlerin Magda Krawcewicz: Die Freude an der Vergänglichkeit | |
> Die Malerin und Bildhauerin Magda Krawcewicz widmet sich existenziellen | |
> Fragen. Demnächst sind ihre Arbeiten in Hamburg und Kiel zu sehen. | |
Bild: Hat viel zu sagen, wenn man sich auf ihre Kunst einlässt: Magda Krawcewi… | |
HAMBURG taz | Magda Krawcewicz ist eine leise Künstlerin. Und leise | |
Positionen haben es schwerer. In der Welt da draußen, die ja oft eine laute | |
ist, heutzutage, aber halt auch auf dem Kunstmarkt. [1][Magda Krawcewicz] | |
ist keine, die sich aufdrängt; dabei hat sie uns viel zu sagen. Zumindest | |
jenen, die bereit sind, sich in der Kunst auch dem Gedanken an das | |
Vergängliche auszusetzen. Und den emotional schwierigen Momenten, dem | |
Alleinsein, der Melancholie, der eigenen Verletzlichkeit. Das will nicht | |
jeder. | |
Die 1978 in Polen geborene Hamburgerin ist nicht leicht einzuordnen. Sie | |
ist Malerin, Zeichnerin, aber auch Bildhauerin, wandert virtuos zwischen | |
den Disziplinen, erschafft Porzellan-Skulpturen und Werke auf Papier, | |
arbeitet mit Tinte und Aquarell, und alles greift irgendwie ineinander und | |
geht ineinander über. | |
Dabei ging es in ihrer Ausbildung an der Hamburger Hochschule für | |
Angewandte Wissenschaften noch viel um Fotografie. Danach verdiente sie | |
jahrelang als Produktfotografin ihr Geld und verbrachte vor allem die | |
Abende und Wochenenden im Atelier. Heute kann sie von ihrer Kunst leben. | |
„Viele Künstler wollen schon ganz jung einen Namen haben, eine Marke sein, | |
etwas zu sagen haben“, sagt Krawcewicz – „aber war ich da schon so | |
gereift?“ | |
Sie will auch gar nicht leicht einzuordnen sein. „Ich möchte mich nicht | |
wiederholen“, sagt sie über sich. Und auch nicht nur einfach nur einen klar | |
umrissenen Markenkern pflegen, der von allen Kunstkonsument:innen | |
leicht wiederzuerkennen ist und der sich womöglich einmal als erfolgreich | |
entpuppt hat. | |
## Kunst als Zufluchtsort | |
Im Grunde erscheint ihre Kunst oft eher wie das Nebenprodukt einer | |
Erfahrung, die sie selbst gerade macht. „Ich will mich selbst am Prozess | |
des Machens erfreuen“, sagt die Künstlerin dann. Zugleich ist ihre Kunst | |
auch ein Zufluchtsort, für sie selbst. Und Kunst geht eben immer, gerade | |
wenn man in ihr so vielfältig arbeitet wie sie, und seien es auch nur | |
kleine Zeichnungen, während man sich nebenbei um seinen kranken Vater | |
kümmert. Eine existenzielle Erfahrung in einem existenziellen Werk. | |
Ihre Werke funktionieren fast immer auf zwei Ebenen. Zum einen sind sie | |
niedrigschwellig und berühren einen in ihrer Zartheit und Fragilität ganz | |
unmittelbar, auch emotional, und ganz ohne dass man als Betrachter viel | |
Vorwissen und Expertise mitbringen müsste. Zum anderen gibt es immer eine | |
zweite, tiefere und oft auch sehr poetische Ebene, die sich denen öffnet, | |
die sich ihr öffnen wollen. Die Künstlerin greift dabei immer wieder auf | |
Mythen und Symbole zurück, die das eigene Unterbewusstsein ebenso wie das | |
kollektive Gedächtnis ansprechen. „Ich suche nach Begriffen, die eine Welt | |
eröffnen, zu der viele Bilder passen.“ | |
So wie bei ihren Idolen, die auf den ersten Blick leicht morbide wirken: | |
kleine Totenköpfe aus Porzellan, die einen in einem stillen, klaren, einem | |
sehr lebendigen Weiß anstrahlen. Hinter der Oberfläche offenbaren sich alle | |
Brüche des genauso zarten wie zeitlosen Materials. Sie sind geschmückt mit | |
Federn und Muscheln, Pocken und Schlangenhäuten und erinnern damit zwar an | |
Fetischobjekte. Doch sie behalten ihre Leichtigkeit, weil sie keiner | |
spezifischen Zeit oder Kultur zuzuordnen sind und auch keine ganz eigene | |
erschaffen wollen. Und obwohl sie eben Idole sind, haftet diesen Werken so | |
gar nichts Religiöses an. Wohl aber spielen die kleinen kultischen Werke | |
mit der ganzen Kraft des Mythologischen – und zwar ganz kulturübergreifend. | |
Fast nimmt die Kunst selbst die Stelle eines heiligen Objekts ein; manch | |
einer mag das ketzerisch finden, auch wenn es nicht so gemeint ist. Dabei | |
reflektiert die Kunst hier ihre eigene Rolle: In der Öffentlichkeit wird | |
sie bisweilen ehrfürchtig bestaunt wie einst metaphysisch entrückte | |
Figuren. Magda Krawcewicz holt sie von diesem Sockel der Verheißung, ohne | |
sie deswegen gleich ganz zu entzaubern. | |
Demnächst sind ihre Arbeiten gleich zwei Mal im Norden zu sehen: Ab 19. | |
August zeigt die Hamburger Galerie Holthoff eine Auswahl aus Malerei und | |
Skulpturen, im Oktober stellt dann die Galerie Simone Menne in Kiel Papier- | |
und Porzellanarbeiten aus. In den Jahren der Pandemie hat sich die | |
Künstlerin nach Zeiten der Bildhauerei wieder stärker der Malerei | |
zugewandt, eine neue, „Phoenix“ genannte Serie zeugt davon; sie wird auch | |
in Hamburg zu sehen sein. | |
Corona brachte ihr eine „ruhige Zeit der Einkehr“, sagt Krawcewicz, und | |
dass sie weniger gelitten habe als andere Künstler:innen, denen im Lockdown | |
ihre Plattformen abhanden kamen. Sie habe mittlerweile ein Netzwerk von | |
Sammlern, die sie auch unabhängig von Ausstellungen unterstützen, sagt sie, | |
und die während der Pandemie erst recht Kunst gekauft hätten. „Du musst als | |
Künstlerin ein Netzwerk von Helfern und Fürsprechern haben“ – | |
Sammler:innen, Kurator:innen, Galerist:innen, Multiplikator:innen: „Man | |
wird nicht einfach entdeckt, weil man fleißig war in seinem Atelier.“ | |
Einer dieser Sammler ist in ihrem Falle Rik Reinking, der die Künstlerin | |
schon seit ihrem Studium beobachtet, aber erst Jahre später das erste Mal | |
eine ihrer Arbeiten kaufte. „Es brauchte seine Zeit, um zu reifen“, sagt | |
er, und dass er ihre Arbeiten „sehr authentisch“ findet: „Ihre Kunst hat | |
eine zeitlose Dimension und sie läuft keiner Mode hinterher.“ In ihr öffne | |
sich ein neuer Kosmos, weil sie ganz eigene Bildwelten erschaffe. Für sein | |
[2][Woods Arts Institute in Reinbek bei Hamburg] fertigt sie gerade eine | |
Serie mit kleinen Werken, die sehr typisch für sie sind, aber gleichwohl | |
erschwinglich bleiben. Reinking freut sich, dass sie „teilen will“, und | |
„erreichbar“ sein will. | |
„Für mich ist das total bereichernd“, sagt Krawcewicz über ihre | |
Zusammenarbeit etwa mit Reinking. Die Resonanz von außen, der Blick des | |
anderen, der im eigenen Werke womöglich noch etwas sieht, was man selbst | |
nicht sah. Spiegelt sich in diesem Blick nicht immer auch die Seele, die | |
Befindlichkeit des Betrachtenden? | |
Manchmal liegt das dann auch an der Musik, die in Krawcewicz’ Werk eine | |
wichtige Rolle spielt, Nick Cave etwa. Die Titel ihrer Werke sind fast | |
immer englischsprachig, oft poetisch bis rätselhaft, aber nie aufgesetzt | |
oder gar manieriert. Oft sind es Zitate: „I draw a line to your heart | |
today“ etwa, ein Songtext der britischen Songwriterin PJ Harvey. Krawcewicz | |
ist eben in vielen Sprachen zu Hause, lebte als Kind schon zwei Jahre in | |
den USA und guckt bis heute alle Filme auf Englisch. | |
Und während nicht nur ihren Zeichnungen, sondern auch den | |
Porzellan-Arbeiten oft etwas sehr Leichtes innewohnt, ist ihre Malerei da | |
trotz ihrer fluiden Farben auch in kleinen Formaten oft anders. Malerei, | |
das sei das überhaupt Schwierigste für sie, sagt Krawcewicz, und dass sie | |
„kämpfen“ müsse um ein Bild. Das sieht man. „Du weißt nicht, wonach Du | |
suchst, aber wenn Du es gefunden hast, fühlt es sich total richtig an.“ | |
13 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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