# taz.de -- Kunstsamler Rik Reinking: "Ich belächle das komplett" | |
> Das Montagsinterview: Rik Reinking ist 33 und Kunstsammler. Nicht nur mit | |
> Ausstellungen hat sich der Hamburger einen Namen gemacht. Sondern auch | |
> damit, dass er das System durchschaut. | |
Bild: "Nicht nur Raffen und Anhäufen": Wer Kunst kauft, sagt Rik Reinking, üb… | |
taz: Herr Reinking, erzählen Sie doch mal, wie Sie mit 16 in einer | |
Buchhandlung für 250 Mark Ihr erstes Bild gekauft haben, ein Selbstporträt | |
von Horst Janssen? | |
Rik Reinking: Och nee, bitte nicht! Ich meine, faktisch hat jeder | |
irgendwann angefangen - aber wie alt war ich da? Wie breit war da mein | |
Horizont? An diesem Punkt bin ich schon lange nicht mehr. | |
Fast jedes Interview mit Ihnen beginnt mit dieser Geschichte. | |
Langsam kommt sie mir selbst schon wie ein Märchen vor. Wahrscheinlich ist | |
das aber ein Problem des modernen Journalismus. Da bewegen sich Leute mit | |
einem Minibudget und superstraffem Zeitplan, die knapp kalkulieren müssen, | |
damit am Ende des Monats die laufenden Kosten gedeckt sind. Das finde ich | |
frustrierend. Es passiert auch immer wieder, dass ein Journalist mit mir | |
ein Interview über Streetart führen will, und ich merke sofort: Der hat den | |
Begriff vielleicht fünf Minuten gegoogelt. Und diese Zeitung hier (zeigt | |
auf ein auf dem Tisch liegendes Hamburger Boulevardblatt) hat mal ein | |
Interview mit mir gebracht, das ich nie geführt habe. Ich habe die Anfrage | |
abgelehnt, das weiß ich noch, also haben die es aus anderen Interviews | |
zusammengeklaut. | |
Wahrscheinlich Nebeneffekte ihres Daseins als Shooting-Star unter den | |
Kunstsammlern. Wie sehr nervt Sie das? | |
Anscheinend braucht die Presse Superlative. Bei mir hieß es anfangs | |
"jüngster Sammler", dann "jüngster Großsammler" - ich habe mich dann | |
zurückgelehnt und gedacht: So lange mein Superlativ "jüngster" ist, | |
erledigt sich das von selbst. "Cleverster" wäre schlimmer - dann müsste ich | |
was verteidigen. Nein, ernsthaft: Ich belächle das komplett. Ich habe auch | |
mal den Begriff "Trüffelschwein" gelesen. So ein Blödsinn. | |
Sie sind ein Trüffelschwein, weil Sie Arbeiten von unbekannten Künstlern | |
kaufen, die wenig später millionenschwer sind. | |
Ich bin weltweit unterwegs, in Südamerika, Nordamerika, Asien, Europa. Ich | |
habe überall meine Termine, meine Freunde, mein Netzwerk. Da merke ich, | |
wenn ein Name plötzlich immer wieder auftaucht. Ich bin da natürlich auch | |
selbst ein Motor, weil ich auch über die Leute spreche, die ich schätze. | |
Und wenn die Qualität der Arbeiten interessant ist, wenn sie sich mit | |
unserer Zeit beschäftigen und etwas zu sagen haben, dann bemerken das | |
natürlich all die Leute in diesem System. Und dann kommt sehr bald der | |
Punkt, an dem ich sehe: Wenn ich von dem noch etwas haben möchte, muss ich | |
sehen, dass ichs jetzt hinkriege. Sonst ist der Zug abgefahren. Das ist | |
aber nichts besonderes. Das ist der Markt. | |
Dass Sie sich die Arbeit dann auch immer leisten können, ist | |
selbstverständlich? | |
Oh nein. Nüchtern betrachtet: Ich habe mit 16 angefangen zu sammeln, habe | |
eine Arbeit gekauft, dann noch eine und noch eine - und dann hatte ich | |
sofort ein Lagerproblem. Ich musste Räume anmieten, eine Struktur aufbauen, | |
die jeden Monat Geld kostet. Ich habe kein Erbe, kein Familienunternehmen, | |
nichts davon. Das heißt: Ich muss es schaffen, dass sich das Ganze aus sich | |
selbst heraus finanziert. Das ist überhaupt nicht witzig. Ehrlich gesagt: | |
Es ist eine Super-Belastung. | |
Woher kommt das Geld? | |
Aus meinem Job. Ich übernehme Suchaufträge für Alte Meister. Für andere | |
Sammler. Nebenbei kommen Anfragen, Katalogbeiträge zu schreiben und | |
Ausstellungen zu koordinieren - zusätzlich zu den Projekten, die ich mache, | |
weil ich an einen Künstler und seine Arbeit glaube. Trotzdem ist es immer | |
wieder ein Kampf. | |
Warum machen Sies dann? | |
Ganz einfach, weil ich diese Belastung auch spüren mag. Ich mag das Gefühl | |
zu wissen, dass ich da auch eine gewisse Verantwortung trage. Auch wenn das | |
vielleicht absurd ist. Es ist ja auch nicht so, dass ich ein Privatleben | |
habe und mich zwei, drei Stunden pro Woche mit Kunst beschäftige. Ich lebe | |
in der Kunst, absolut. | |
Wie lange hat es gedauert, bis Sie im Kunstbetrieb einen Fuß auf den Boden | |
bekommen haben? | |
Ich höre immer: Muss doch toll sein als junger Sammler, wenn es so viele | |
ältere Sammler gibt, die dich fördern und unterstützen. Ganz ehrlich: Man | |
kann sich gar nicht vorstellen, was man da für Steine in den Weg geräumt | |
kriegt. Das sind Eitelkeiten. Die sind gekränkt, wenn da ein Junger kommt, | |
der nicht das Klischee vom Großindustriellen mit Rotweinglas und Zigarre | |
erfüllt, der vielleicht wenig Ahnung hat, aber Kohle. Es gibt viele, die | |
genau aus diesem Grund sammeln: um zu zeigen, dass sie wirtschaftlich | |
versorgt sind und auf dem gesellschaftlichen Treppchen durch Geld und Kunst | |
eine Stufe über den anderen stehen. Die freuen sich natürlich nicht, wenn | |
dann jemand kommt und sagt: Hey, ich kann auch ohne viel Geld Sammler | |
werden, denn faktisch ist es bei mir nicht da. Ich mache meinen Job und bin | |
froh, wenn ich am Ende irgendwie durchkomme. Und wer mich sieht, der merkt | |
natürlich: Okay, es geht also wirklich auch mit wenig. | |
Klarer Fall: Sie sind ein Spielverderber. | |
Ich habe mal eine Ausstellung eröffnet an einem Abend, an dem auch noch 15 | |
andere Eröffnungen stattfanden. Einer meiner Gäste kam im Laufe des Abends | |
zu mir und sagte, er komme gerade von einer anderen Eröffnung, bei der sich | |
alle unglaublich aufgeregt hätten über meine Dreistigkeit, am selben Abend | |
zu eröffnen. "Ich gratuliere Ihnen", sagte er dann noch, "wie man in so | |
jungen Jahren so viele Neider und Missgünstlinge haben kann - das ist eine | |
Leistung." Rückblickend klingt das lustig. Aber das ist es nicht. Ich stand | |
vor einer großen Wand, keiner hat mir eine Tür geöffnet, also habe ich mir | |
eine eigene Tür gebaut. Nicht aus Bosheit oder Aufmüpfigkeit, sondern, weil | |
ich es machen wollte. | |
Weil Sie was machen wollten? | |
Marcel Duchamp hat gesagt, der Sammler ist Künstler im Quadrat. Mein | |
kreativer Moment liegt darin, Dinge aufeinander zu beziehen. Und wenn man | |
die Sammlung kennt und sich damit beschäftigt, dann geht das natürlich | |
hinaus über das, was man sieht. Es geht doch nicht nur um Raffen und | |
Anhäufen - mit jedem Erwerb übernimmt man ja auch Verantwortung für das | |
Werk. Das wird absolut unterschätzt. Wie viele Leute kenne ich, die eine | |
Kunstbulimie haben - die ständig kaufen und wieder auskotzen, wenn es nicht | |
mehr angesagt ist, wieder kaufen und wieder auskotzen. Da herrscht ganz | |
einfach Langeweile. Abgesehen davon kann man sich so ja auch ein Image | |
bauen: Zeig mir fünf Arbeiten, die in einer Wohnung hängen, und ich kann | |
dir ziemlich viel über den Besitzer sagen - so blöd es klingt, es ist so. | |
Das haben eben auch viele Leute verstanden. | |
Sie haben das natürlich nicht nötig … | |
Mich hat mal eine PR-Agentur gefragt, mit welcher Agentur ich arbeite. Die | |
wollten den Kontakt haben, weil sie das alles sehr gelungen fanden, was ich | |
so mache. Es gibt aber keine Agentur. Ich zeige einfach das, was mich | |
beschäftigt, und im besten Fall beschäftigt es dann auch andere. Das hat | |
sich auch an der wirtschaftlichen Entwicklung der meisten Künstler gezeigt. | |
Ob ein Banksy heute 500.000 Euro kostet, morgen eine Million und nächste | |
Woche noch 500 Euro - das ändert nichts an der Qualität dieses Werks, und | |
es interessiert mich auch nicht. Was ist es denn? Es ist eine Leinwand mit | |
ein bisschen Sprühfarbe drauf, egal, was man dann reinprojiziert. Diese | |
Freiheit im Umgang mit Kunst ist anscheinend frech, weil sich einige Leute | |
davon provoziert fühlen. Die denken, das sei arrogant. Lustigerweise sind | |
das meistens auch die Leute, die mir wirtschaftliches Interesse vorhalten. | |
Hat Ihnen schon einmal ein Künstler eine Arbeit aus reinem Eigennutz | |
angeboten? | |
Ich habe mal ein Kunstwerk zugeschickt bekommen, von jemandem, den ich | |
nicht kannte. Eine Woche später hatte ich dann einen Katalog von ihm in der | |
Post, in dem stand: Arbeiten sind hier und dort vertreten, unter anderem in | |
der Sammlung Rik Reinking. Mal ehrlich: Wie fühle ich mich denn da? | |
17 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Florian Zinnecker | |
## TAGS | |
Bildende Kunst | |
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