| # taz.de -- Körper-Performance bei DJ-Streams: Das Recht auf Hässlichkeit | |
| > Immer mehr DJ-Sets werden gestreamt. Die Sets vieler FLINTA-DJs sind oft | |
| > mode- und körperfixiert. Das ist ok, sollte aber kein Allgemeinanspruch | |
| > sein. | |
| Bild: Der Weg in die Transzendenz sollte sich gut anfühlen | |
| Wer erinnert sich an das Unwort „DJane“? I know, voll Y2K. Die weibliche | |
| Genderung des neutralen Akronyms für „Disc Jockey“ war keine | |
| feministische Sprachpolitik, um in einer männlich dominierten Branche für | |
| [1][weibliche Sichtbarkeit] zu sorgen, sondern ein sexistischer Move, der | |
| [2][weibliche DJs] als abweichend markiert. | |
| Die Bildersuche nach dem Begriff führt zu angeblitzten Fotos von schlanken | |
| Frauen mit langen Haaren in knappen Outfits und sexy Posen, die an | |
| Plattentellern herumspielen. Ihre Mixing-Skills lassen sich auf Bildern | |
| nicht einschätzen, es scheint jedoch egal. | |
| In erster Linie [3][sollen sie gut aussehen], sich zur Musik bewegen, für | |
| gute Stimmung sorgen. Bei der Suche nach „DJ“ erscheinen vorwiegend | |
| hochkonzentrierte Typen, die so busy mit der Technik sind, dass ihr Äußeres | |
| egal ist. | |
| Mittlerweile sprechen wir einheitlich von „DJ“. Auch der „DJane“-Look w… | |
| eine Zeit lang passé, manche weibliche oder nichtbinäre DJs traten in | |
| schlabberigen Shirts und Jogginghosen auf, andere in Stripper-Outfits – je | |
| nach Gusto. Der Fokus lag auf den Fähigkeiten. Diese Errungenschaft steht | |
| wieder auf der Kippe. | |
| ## Ein High folgt dem anderen | |
| Spätestens seit Pandemiebeginn sind gefilmte und gestreamte DJ-Sets die | |
| neue Norm geworden. Dabei sind es eher Visitenkarten als Alltag: Wie die | |
| [4][britische DJ Jyoty] auf Instagram schrieb, sind gefilmte DJ-Sets wie | |
| Pornos vs. Real-Life-Sex. Sie sind kürzer als ein durchschnittliches Set | |
| und kondensierter. Ein High folgt dem anderen. | |
| Ich beobachte eine ästhetische Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden | |
| Videogenres: die Körperlichkeit. In den gefilmten Sets von FLINTA*-DJs, die | |
| mir der Algorithmus auf den Feed spült, legen vorrangig schlanke, | |
| körperbetont gekleidete und tanzende Personen auf, die nicht nur fire Musik | |
| spielen, sondern auch eine fire Performance hinlegen. | |
| Dicke oder trans DJs sollen sich dabei noch mehr ins Zeug legen, um ihre | |
| Abweichungen von der Norm mit noch mehr Sexappeal und Hyperfemininität zu | |
| kompensieren. Das Servieren von Eye Candy ist part of the package. | |
| Dass einige DJs Bock darauf haben, ist nicht antiemanzipatorisch – die | |
| Erwartungshaltung, es sei Standard, schon. Wer fühlt sich wohl mit dieser | |
| Körperfixierung? Wer kann und wer will beim Auflegen den Male Gaze | |
| bedienen? Und nebenbei das Y2K-Comeback der Skinny-Obsession befeuern? | |
| ## Weg in die Transzendenz | |
| Mode und Tanz können Teil künstlerischen Ausdrucks von DJs sein, doch sie | |
| dürfen niemals als Anspruch an jene gestellt werden, die ohnehin auf ihr | |
| Aussehen reduziert und danach bewertet werden. Für manche besteht die | |
| Freiheit an den Decks darin, in eine neue Rolle zu schlüpfen und anders zu | |
| performen als im Alltag, für andere darin, unsichtbar und nur auditiv | |
| wahrnehmbar zu sein. | |
| FLINTA*-DJs haben genauso das Recht auf Hässlichkeit wie cis männliche. Der | |
| Weg in die Transzendenz verläuft nicht immer gleich, doch er sollte sich | |
| immer gut anfühlen. | |
| 28 Jul 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Album-Ali-von-Nene-H/!5781388 | |
| [2] /Elektronik-Musikerin-Park-Hye-Jin/!5800917 | |
| [3] /Schoenheitsdruck-in-der-Gesellschaft/!5801737 | |
| [4] https://www.youtube.com/watch?v=2VrztYTNYT8 | |
| ## AUTOREN | |
| Hengameh Yaghoobifarah | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Habibitus | |
| FLINTA* | |
| Club | |
| DJ | |
| Schönheitsnormen | |
| Schönheitsideale | |
| Body Positivity | |
| wochentaz | |
| Kolumne Gossip Girl | |
| Queer | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Kolumne Habibitus | |
| Body Positivity | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| DJ Josi Miller über mentale Gesundheit: „Ich habe schon immer die Extreme ge… | |
| Auf ihrem ersten Soloalbum verarbeitet DJ Josi Miller Panikattacken. Das | |
| Nachtleben liebt sie noch immer, fragt sich aber: Ist es nicht viel zu | |
| laut? | |
| Schauspielerin Gwyneth Paltrow: Schluss mit toxischer „Wellness“ | |
| Die Königin des vermeintlichen Detoxings ist zurück: Schauspielerin Gwyneth | |
| Paltrow listet auf, was sie täglich isst. Ein gefährliches Vorbild. | |
| Blick in die Zukunft: Dranbleiben, weitermachen | |
| Nach sechseinshalb Jahren endet diese Kolumne. Auch wenn es genug Gründe | |
| gibt, deprimiert zu sein, will die Autor*in ermutigen, weiterzukämpfen. | |
| CSD in Berlin: Du bist nicht allein | |
| CSD und Pride-Paraden sind heute Megapartys mit Spaßgarantie. Und sie | |
| bleiben Orte für Selbstfindung – auch auf dem Weg vom Dorf in die | |
| Großstadt. | |
| Körperbilder und Rassismus: Body Positivity reicht nicht aus | |
| Der radikale Ansatz des Fat Liberation Movements ist zur Wish-Version | |
| verwässert worden. Damit alle Körper frei sind, braucht es eine andere | |
| Welt. | |
| Forscherin über Body Positivity: „Den Schönheitsbegriff erweitern“ | |
| „Liebe deinen Körper“, heißt es überall. Was die Body-Positivity-Bewegung | |
| ursprünglich wollte und wie sie sich weiterdenken ließe, sagt Elisabeth | |
| Lechner. |