| # taz.de -- Realityshow „How to build a Sexroom“: Wie man einen Raum für S… | |
| > Eine Innenarchitektin gestaltet Sexrooms in einer Reality-Serie auf | |
| > Netflix. Sie zeigt sich offen für verschiedene Arten von Sexpositivität | |
| > und Kink. | |
| Bild: Innenarchitektin Melanie Rose | |
| Wer hätte nicht gerne einen eigenen Raum nur für Sex und Play, | |
| professionell eingerichtet nach eigenem Geschmack und Vorlieben? Dieses | |
| Szenario ist der Kern der neuen Realityserie „How to build a Sexroom“, in | |
| der die Innenarchitektin Melanie Rose für Netflix „Sexrooms“ gestaltet. | |
| Angesichts der Wohnungskrise vielleicht etwas dekadent, das macht die acht | |
| Episoden der Netflix-Dokuserie aber umso geeigneter für eskapistischen | |
| Konsum gewürzt mit ein bisschen Neid. | |
| Die Macher*innen der Serie haben sich bei der Auswahl der | |
| Protagonist*innen sichtlich Mühe gegeben. Neben heterosexuellen weißen | |
| und schwarzen Paaren werden ein schwules und ein lesbisches Pärchen, eine | |
| alleinstehende Frau, ein Paar, bei dem eine Person als Pronomen they | |
| verwendet und eine Polykonstellation mit sieben Personen vorgestellt. | |
| Netflix muss sich auf dem Feld auch Mühe geben: Im letzten Jahr war die | |
| Streaming-Plattform heftig für transfeindliche Aussagen des Comedian Dave | |
| Chappelle und [1][die Entlassung der*s nichtbinäre*n Angestellten B. | |
| Pagels-Minor kritisiert worden]. | |
| Für die Show ist die sexuelle Orientierung der Protagonist*innen nicht | |
| wichtig, dafür ihre sexuellen Kinks und Vorlieben. Den meisten ist wichtig, | |
| dass sie „keinen Dungeon!“ haben wollen, wobei sie sich darunter ein | |
| Verlies oder einen frühneuzeitlichen Folterkeller vorstellen. | |
| Die Räume, die entstehen, unterscheiden sich oft eher durch nicht gut | |
| abwaschbare Oberflächen von den tatsächlichen Playrooms der BDSM-Community. | |
| Andreaskreuze, also Fesselvorrichtungen in der Form eines großen X, | |
| Sexschaukeln und sogar Käfige werden als selbstverständliche Möbelstücke in | |
| das Gesamtensemble eingefügt, genauso wie Fixierpunkte für Bondage und | |
| Suspension, also Hänge-Bondage, große Duschen und Badewannen. Die Serie | |
| zeigt sich offen für verschiedene Spielarten von Sexpositivität und Kink | |
| und normalisiert auch Vorlieben, die außerhalb der Kink-Community als eklig | |
| gelten, wie Pissplay. | |
| Rose ist bei den Planungsgesprächen offensichtlich immer bemüht, nicht nur | |
| die aktuellen sexuellen Vorlieben ihrer Protagonist*innen zu erfahren, | |
| sondern Vorschläge für weitere Spielarten zu machen. Das wirkt spielerisch | |
| und neckisch, bedauerlicherweise ist sie dabei nicht immer in der Lage, ein | |
| „Nein, das interessiert mich nicht“ zu akzeptieren. Einem schwarzen Mann | |
| bietet sie so oft Handschellen an, dass er sich gezwungen sieht zu | |
| erklären, dass er als schwarzer Mann in den USA einfach kein unbefangenes | |
| Verhältnis zu Handschellen habe. Das ist sicher für das Storytelling | |
| interessant, aber kein gutes Beispiel für Konsenskultur und der Achtung von | |
| kommunizierten Grenzen. | |
| ## Patriarchale Sehgewohnheiten werden reproduziert | |
| Ein gutes Beispiel ist dagegen das Paar, das von Rose zu einer | |
| Auspeitsch-Session mitgenommen wird. Als sie selbst die relativ harmlose | |
| Riemenpeitsche aneinander ausprobieren können, gibt sie ihm immer wieder | |
| die Rückmeldung „grün“. Sie wendet das unter BDSMler*innen weit | |
| verbreitete Ampelprinzip an, Grün für weitermachen, Gelb für Pause, Rot für | |
| Stopp. | |
| Die Realityserie stellt damit einen großen Fortschritt dar gegenüber dem | |
| letzten filmischen Versuch, BDSM-Kultur in den Mainstream zu bringen: Im | |
| Unterschied zu dem Dreiteiler [2][„Fifty Shades of Grey“], dessen | |
| Verfilmung 2015 Handschellen, Schmerz und Demütigung so populär machte, | |
| dass in Frauenzeitschriften Tipps zu finden waren, wie frau ihr Sexleben | |
| durch übergriffiges Verhalten aufmöbeln könne, orientiert sich „How to | |
| build a sexroom“ an den tatsächlichen Bedürfnissen der Auftraggebenden. | |
| Rose schlägt andere Praktiken und Geräte vor, arrangiert Möglichkeiten, sie | |
| auszuprobieren, und freut sich das ein oder andere Mal, Personen an ihre | |
| Grenzen zu bringen: Es ist meist mehr ein Tragen als ein Schubsen. | |
| Normalisiert die Show schmutzigen Sex, Fetische und Perversionen so weit, | |
| dass es keine Schmuddelecke mehr gibt? Nicht ganz, die Abgrenzung zu | |
| „extremeren“ Praktiken wird durchaus aufrechterhalten: Während die | |
| gezeigten Schlagtechniken kaum Spuren hinterlassen dürften, zeigen sich | |
| einige Paare deutlich abgestoßen und verstört von etwas härteren | |
| BDSM-Sessions, zu denen Rose sie mitnimmt. Das mag die BDSM-Community | |
| beruhigen, denn wenn alle pervers wären, gäbe es ja keine Distinktion von | |
| den Normalos, den Vanillas mehr. | |
| Bedauerlicherweise nimmt die Serie Rücksicht auf patriarchale | |
| Sehgewohnheiten: Obwohl die Frauen teilweise die deutlich aktiveren, | |
| dominanteren und erfahreneren sind, kippt die Paardynamik auf dem | |
| Bildschirm fast immer dahin, [3][dass sie gefesselt und geschlagen werden]. | |
| Das ist schade. | |
| 27 Jul 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.washingtonpost.com/opinions/2021/10/21/netflix-walkout-b-pagels… | |
| [2] /Zweiter-Teil-von-Fifty-Shades-of-Grey/!5381379 | |
| [3] /BDSM-als-Empowerment/!5830300 | |
| ## AUTOREN | |
| Kirsten Achtelik | |
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