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# taz.de -- Bremer Senat uneins über Verkehrswende: Räder für die Reichen
> Bremen hat jene, die sich Lastenräder kaufen, mit 500.000 Euro
> subventioniert. Die Bilanz: Das Geld kam vor allem in privilegierten
> Stadtteilen an.
Bild: Bis zu 1.000 Euro Förderung bekommt, wer sich in Bremen so ein Rad kauft
Bremen taz | Lastenräder erfreuen sich in Bremen großer Beliebtheit,
zumindest wenn sie vom Staat gefördert werden. 500.000 Euro gab es dafür
vom rot-grün-roten Senat, innerhalb von zehn Minuten gingen im April über
1.000 Anträge dafür ein, nach sechseinhalb Minuten war das Geld, mit dem
auch Rad-Anhänger gefördert wurden, auch schon aufgebraucht. Am Ende gab es
820 positive Bescheide.
Nun aber ist in der Stadt eine Debatte um die Sinnhaftigkeit dieser
Förderung entbrannt. Losgetreten hat sie – auf [1][Facebook] – ausgerechnet
ein SPD-Politiker. Falk Wagner, Vorsitzender der regierenden Bremer SPD und
stadtentwicklungspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Hier werde
„Privatbesitz in überwiegend privilegierten Lagen“ bezuschusst, kritisierte
er. „Schade, wenn ihr mich fragt.“
Der ehemalige Finanz-Staatsrat Henning Lühr (SPD) assistierte ihm: „Die
Aktion war reine Klientelpolitik!!!!“ Und der langjährige
SPD-Sozialpolitiker Klaus Möhle monierte: „500.000 Euro in der Jugendhilfe
wäre besser gewesen.“ Wagner hätte von dem Geld lieber 200 öffentliche
E-Lastenräder gekauft, sagt er nun, zwei bis drei für jeden Stadtteil, die
nun öffentlich ausleihbar wären. Für die Folgekosten dessen hätte das
Fördergeld allerdings nicht gereicht. Wagner spricht von „Mitnahmeeffekten“
von Leuten, die sich so oder so ein Lastenrad hätten leisten können.
Der Anlass dieser Auseinandersetzung im Vor-Wahlkampf – 2023 wird in Bremen
gewählt – ist eine [2][Auswertung] des von den Grünen regierten
Mobilitätsressorts. Demzufolge kamen 45 Prozent der insgesamt 1.488 Anträge
für Lastenräder und Fahrradanhänger aus den drei zentral gelegenen
bürgerlichen Stadtteilen Östliche Vorstadt, Neustadt und Schwachhausen, die
auch einen hohen Anteil von Grünen-Wähler*innen haben. Jeder zehnte Antrag
kommt aus Horn-Lehe oder Borgfeld, die zwar am Stadtrand liegen, aber eher
das Zuhause von Besserverdienenden sind.
## Kaum Anträge aus ärmeren Quartieren
Aus dem Bremer Westen kamen dafür nur drei Prozent der Anträge: Dort liegen
migrantisch geprägte Stadtteile, die früher Arbeiterquartiere waren und
heute eher etwas abgehängt sind. Auch aus ganz Bremen-Nord, einst Sitz
großer Werften sowie anderer Industriebetriebe und bis heute Wohnort von
rund 100.000 Menschen, kamen nur neun Prozent der Anträge.
Nur sehr klein ist die Zahl der „Bremen-Pass“-Inhaber*innen, die nun Geld
bekommen: Gerade mal sechs Lastenräder und zwei Anhänger kommen ihnen
zugute. Dabei soll der Bremen-Pass gerade Transferleistungs-Empfänger*innen
und Asylbewerber*innen ermöglichen, am sozialen Leben teilzunehmen.
Für Lastenräder gab es 40 Prozent des Kaufpreises, maximal aber 1.000 Euro,
für Anhänger ohne E-Antrieb 50 Prozent, maximal aber 500 Euro.
Bremen-Pass-Inhaber*innen bekommen bis zu 1.250 Euro.
„Dass sich mehr Personen aus fahrradaffinen Stadtteilen um eine Förderung
beworben haben, darf grundsätzlich nicht überraschen“, sagt die
Mobilitätssenatorin Maike Schaefer. „Aber unsere bewusst gewählte
Strategie, neben Lastenrädern auch auf Fahrradanhänger zu setzen, hat zu
einer guten stadtweiten Verteilung geführt“, findet die Grünen-Politikerin.
Wagner hingegen findet die Verteilung „unbefriedigend“.
Ähnlich sieht das Fraktions-Vize Klaus-Rainer Rupp von der Linkspartei.
Zwar könne das Förderprogramm „als Erfolg“ gewertet werden. „Allerdings…
die Förderung nur wenigen Menschen insbesondere in den wohlhabenden
Stadtteilen zugute.“ Die geringe Nachfrage aus den sogenannten
sozial-benachteiligten Stadtteilen zeige, dass sich die Menschen dort auch
mit Förderung kein Lastenrad leisten könnten und sie oft keine Möglichkeit
hätten, dies oder auch einen Anhänger unterzustellen.
## Es fehlt an Parkplätzen
Etwa 80 deutsche Kommunen haben ähnliche Programme, heißt es aus dem
Verkehrsressort – viele arbeiten dabei wie Bremen nach dem Windhundprinzip.
Der Grünen-Verkehrspolitiker Ralph Saxe, ein erklärter Fahrradlobbyist,
verteidigte das Förderprogramm als „ausgesprochen wirksam“ – das einzige,
was man ihm vorwerfen könne, sei doch, dass es „zu wenig“ Geld für
Lastenräder und Anhänger gab, so Saxe. Sie seien „eine verdammt gute
Alternative zum Auto, gerade für Familien“. Und es gebe einen „sehr großen
Bedarf“. Er moniert die fehlenden Parkplätze für Rad-Gespanne und
Lastenräder: „Wir brauchen mehr Anstellmöglichkeiten.“ Und da ist er sich
dann auch mit Falk Wagner einig.
Im Verkehrsressort möchte man unterdessen „noch in diesem Jahr“ die
Ausschreibung für ein Lastenrad-Sharing-Programm auf den Weg bringen,
Details sind aber noch offen. Wie viele Autofahrten die Lastenrädern
wirklich ersetzen und ob die vom Ressort erhofften Einsparungen von 60
Tonnen Kohlendioxid im Jahr tatsächlich erreicht werden, ist unklar: Es
gibt dazu bisher keine Zahlen.
25 Jul 2022
## LINKS
[1] https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=pfbid0vfFnVGCn6bdBuiNcrruuXjKiM…
[2] https://www.weser-kurier.de/bremen/stadtteil-mitte/bremen-auswertung-zum-fo…
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Lastenrad
R2G Bremen
Verkehrswende
Stadtentwicklung Bremen
Fahrrad
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Schwerpunkt Stadtland
Hamburg
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