# taz.de -- Dürre in Deutschland: Gießt Bäume statt Straßen | |
> Mancherorts wird der Asphalt bei großer Hitze gewässert, um ihn zu | |
> kühlen. Die Straßenbäume dürfen verdursten. Ein Skandal. | |
Bild: Wer gießt mich? Armer Berliner Straßenbaum | |
Wegen der „Rekordhitze“ werden jetzt [1][Flugbahnen] und [2][Straßen] mit | |
Wasser besprüht, [3][sogar mit Salz bestreut,] was kühlen soll, damit der | |
Asphalt nicht aufweicht, damit die Straßen – Horror Vacui, Angst vor der | |
Leere – nicht gesperrt werden müssen, kein Auto mehr fährt, kein Flugzeug | |
mehr fliegt. | |
Für die Autofahrenden (aber auch für das Megaspektakel Tour de France) ist | |
alles recht, damit die Ego-Mobilität, die Rekord-Mobilität, nicht | |
eingeschränkt werden muss, damit dem erweiterten Selbstobjekt der | |
Autoadepten (lies: Autodeppen) der Teer nicht an den Reifen klebt, sie | |
weiter spritrabattiert und tempolimitlos ihrem Auto-Ich frönen können. | |
Fahren. Fahren. Fahren. Um ja auch sicherzugehen, dass die Klimakatastrophe | |
kommt. | |
Derweil verdursten schon mal die Bäume an den Straßen. Die Feuerwehr, | |
zumindest in Berlin, [4][wird nicht eingesetzt]. Es sei nicht zielführend. | |
Klar, wenn man mit viel Atü eine Wasserkaskade auf die ausgetrocknete Erde | |
schießt, fließt das H2O umgehend in den Gulli, nicht in den Boden. | |
Bleiben nur solche Leute, Romantiker:innen vermutlich, wie dieser Mann | |
auf dem Foto und ich, die – er mit Schlauch, ich mit Eimern – den | |
verdurstenden Bäumen ein paar Liter Wasser geben. Geben wollen. Wir | |
wünschen es uns so sehr, dass es bei den Wurzeln ankommt. Auf dass das | |
Leben weitergeht. | |
Ich habe zwei Holländische Linden adoptiert, die direkt vor meinem Berliner | |
Fenster stehen in der Straße, wo ich wohne. Auf „[5][Gieß den Kiez]“ | |
gehören sie mir. Ich bin dafür verantwortlich, dass sie auch nächstes Jahr | |
noch leben. Es geht ihnen, da sie ein „Standalter“ von 42 Jahren haben, | |
noch einigermaßen, laut „Straßenbäumeplan“. | |
Das kann man von den jungen „Säulenförmigen Spitzahornen“, den | |
„Gefülltblühenden Rosskastanien“, den „Resista Ulmen New Horizon“, di… | |
Querstraßen weiter nördlich stehen, nicht sagen. Manchmal nehme ich einen | |
Fünf-Liter-Kanister voll Wasser und fahre mit dem Fahrrad zu einem von | |
ihnen. Fünf Liter! Damit will ich die Welt retten. Bei mir ist so ein | |
Berliner Straßenbrunnen, da oben ist keiner. | |
Wenn ich wasserpumpend am Brunnen stehe, fühle ich mich alleingelassen. Was | |
macht die da? Leute führen ihre Hunde zwischen den Bäumen aus, lassen sie | |
an die Stämme pissen und kacken und gucken, als wären sie nicht da. Wenn | |
die Eimer voll sind, trage ich sie zu meinen Linden und schütte sie aus. | |
Aus Mitleid gieße ich die Nachbarbäume mit. Vor allem dem an der | |
Straßenkreuzung geht es schlecht. Er hat sich nie von den vorherigen | |
Dürresommern erholt. | |
Warum, wer ein Auto anmeldet, nicht auch einen Baum adoptieren muss, | |
verstehe ich nicht. Was ist so schwer daran zu begreifen, dass man auf | |
Asphalt nicht entspannen kann? Im Schatten eines Baumes sehr wohl. | |
25 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.haz.de/lokales/hannover/zu-heiss-flughafen-langenhagen-muss-die… | |
[2] https://de.euronews.com/2022/07/18/wasser-strassen-tour-de-france | |
[3] https://www.spiegel.de/auto/aktuell/hitzewelle-kommunen-in-den-niederlanden… | |
[4] https://checkpoint.tagesspiegel.de/newsletter/3ySu5qOlpjpCQBuwTgp6mJ | |
[5] https://giessdenkiez.de/ | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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