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# taz.de -- Vegane Lebensweise: Lieber 90 Prozent als 0 Prozent
> Vegan leben wollen, aber Ausnahmen machen? Unsere Kolumnistin sieht das
> locker. Besser, als es aus falschem Perfektionismus gar nicht zu
> versuchen.
Bild: Besser vegan essen mit Ausnahmen als es gar nicht versuchen: Omas Leberkn…
Sie fände „vegane Ernährung klasse“ und könne sich „das auch gut
vorstellen“, aber: „Ich kann einfach nicht auf die Leberknödel meiner Oma
verzichten“, sagte kürzlich eine Freundin zu mir. Vor zehn Jahren hätte ich
ihr wahrscheinlich eine lange Rede gehalten über das Tierleid, das die
Produktion dieser Knödel verursacht. Heute reagiere ich anders.
Natürlich erzähle ich ihr von pflanzlichen Alternativen, die sie ihrer Oma
bei Gelegenheit mitbringen kann. Aber ich weiß auch, dass das monatliche
Essen ein wichtiges Ereignis für die beiden ist, und die
Wahrscheinlichkeit, dass die Oma mit 95 Jahren ihre Lieblingsmahlzeit
ersetzt, eher gering. Und dass meine Freundin, sollte sie sich von mir
deswegen verurteilt fühlen, sicher keine Veränderungen in ihrer Lebensweise
vornehmen wird. Deshalb meine Antwort: „Das ist doch super, dann iss halt
einmal im Monat die Knödel mit deiner Oma und ernähre dich ansonsten
pflanzlich. Versuch’s einfach [1][AVAP (As Vegan As Possible)].“
Denn nach meiner Erfahrung bekommt man mit einer Alles-oder-nichts-Haltung
meistens: nichts. Ich bin nicht Puristin, sondern Pragmatikerin. Sollte
meine Freundin wirklich 29 Tage im Monat vegan leben, dann reduziert sie
viel Tierleid. Und das ist großartig.
Donald Watson, der Gründer der Vegan Society, [2][definierte Veganismus
folgendermaßen]: „Eine Philosophie und eine Lebensweise, die versucht – so
weit wie möglich und praktisch durchführbar –, alle Formen der Ausbeutung
und Grausamkeiten an Tieren zu vermeiden.“ Was aber für den einen möglich
und praktisch ist, ist es nicht unbedingt zu jeder Zeit und in jeder
Situation für jede andere ebenso. So wie für eine andere Freundin von mir.
Die ist als Kriegs- und Krisenreporterin oft in Gegenden unterwegs, in
denen sie sich, wenn überhaupt, nur vegetarisch ernähren kann – und wo sie
auf Gastgeber trifft, die es als Beleidigung empfinden würden, wenn sie
eine Fleischmahlzeit ablehnt.
Wer sich zu 90 Prozent pflanzlich ernährt, trägt viel mehr zu Tier- und
Umweltschutz bei als jemand, der aus Angst vor Versagen an die Ansprüche
eines puristischen Veganismus erst gar nicht damit anfängt. Und die Art, in
der wir das Thema kommunizieren, sowie die Haltung, die wir gegenüber
anderen haben, sind maßgeblich für den Erfolg. Besonders dann, wenn es um
Menschen geht, die sich gerade erst einem pflanzlichen Lebensstil annähern
wollen.
Wer weiß, in Zukunft kommt meine Freundin vielleicht zu dem Schluss, dass
sie mit ihrer Oma etwas Neues kochen könnte. Vielleicht gibt es irgendwann
auch leckere, gesunde und erschwingliche Leberknödel aus dem Labor, bis ins
kleinste Molekül identisch mit denen, die aus Tier bestehen, für die aber
kein Tier hat leiden müssen. Und, auch da bin ich Pragmatikerin – in die
beiße ich dann sicher auch.
26 Jul 2022
## LINKS
[1] /Kolumne-Pflanzen-essen/!5366026
[2] https://www.vegansociety.com/go-vegan/definition-veganism
## AUTOREN
Ariane Sommer
## TAGS
Vegetarismus
Pflanzen essen
Ernährung
Veganismus
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Virtual Reality
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