| # taz.de -- Scholz stellt sich Fragen im Bundestag: Kanzler im Krisenmodus | |
| > Die Befragung des Kanzlers im Bundestag dreht sich dieses Mal nicht um | |
| > Waffen für Kiew, sondern um die hohe Inflation und ihre Folgen. | |
| Bild: Wer will ihm dieses Mal an den Kragen? Scholz am 6. Juli im Bundestag | |
| Berlin taz | Ein AfD-Abgeordneter greift den Kanzler frontal an. Scholz’ | |
| „nutzlose Sanktionen“ gegen Russland seien schuld an den hohen Gaspreisen. | |
| Der Kanzler verletze seinen Amtseid, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. | |
| Wann nehme die Regierung endlich Nord Stream 2 in Betrieb, damit die | |
| Deutschen nicht bald frieren müssen? | |
| Scholz blinzelt knapp, verweist darauf, dass die russischen Ölimporte in | |
| die EU bereits deutlich zurückgegangen sind und die Sanktionen wirksam | |
| sind. Und: „Die AfD ist nicht nur rechtspopulistisch, sondern auch die | |
| Partei Putins.“ Es gibt wahrscheinlich ironischere, elegantere Antworten | |
| auf die AfD-Propaganda, die im Ukrainekrieg konsequent Opfer und Täter | |
| vertauscht. Aber politisch macht der Kanzler einen Punkt. Dass die Attacken | |
| auf Sanktionen von Sahra Wagenknecht und Klaus Ernst (Die Linke) | |
| mittlerweile denen der AfD zum Verwechseln ähneln, ist erschreckend. | |
| Die Befragung des Kanzlers ist eine Art parlamentarische Übung in | |
| Basisdemokratie, die seit 2018 existiert. Die Fragen sind nicht vorab | |
| bekannt. Es geht kreuz und quer durch den Garten, von der frühkindlichen | |
| Bildung (die Scholz „sehr, sehr wichtig“ findet) bis zu den drei deutschen | |
| AKWs, die, so Scholz, nicht weiterlaufen werden. Für den Kanzler läuft | |
| dieses Ritual diesmal glimpflich ab. Als er im April Rede und Antwort | |
| stand, geriet er in ein Kreuzfeuer der Union. Warum die Regierung nicht | |
| zügig viel mehr Waffen an Kiew liefere, so die schneidende Kritik. | |
| Nach Waffen und den Marder-Schützenpanzern fragt am Mittwochmittag der | |
| CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt – aber ohne die damalige Vehemenz. Auch | |
| Scholz’ Antwort klingt routiniert. Berlin liefere ja Gepards, | |
| Mehrraketenwerfer und Hightech-Waffen, mache aber bei Waffenlieferungen | |
| keine „Alleingänge“, sondern alles in Abstimmung mit USA und Frankreich. | |
| Noch kein Kanzler hat in so kurzer Zeit einen so dichten Hagel von Krisen | |
| erlebt. Aber der Fokus hat sich verschoben – weg von der moralisch | |
| aufgeladenen Debatte, ob Berlin genug Waffen liefert, hin zu der bangen | |
| Frage, wie es bei explodierenden Energiepreisen hierzulande weitergeht. Die | |
| Linkspartei-Chefin Janine Wissler ist eine versierte Fragestellerin, die es | |
| versteht, knapp zuzuspitzen. Fast 17 Prozent der Deutschen hätten 2021 als | |
| arm gegolten. Ob [1][angesichts der Inflation 449 Euro Hartz IV | |
| ausreichen], will Wissler wissen. Scholz weist auf 200 Euro Einmalzahlung | |
| hin, 20 Euro zusätzlich für Kinder, auf Tankrabatt und 9-Euro-Ticket. Zudem | |
| werde die Ampel mit Bürgergeld und Kindergrundsicherung neue Gesetze | |
| schaffen. „Wir sind dran“, versichert Scholz. Auf die | |
| Finanzierungsprobleme, die kommen, falls diese beiden Vorhaben mehr als nur | |
| Retuschen werden sollen, geht er nicht ein. | |
| Dann will Wissler noch wissen, ob bei dem vom Kanzler gelobten „Unterhaken“ | |
| von Unternehmern und Gewerkschaften bei der konzertierten Aktion mehr | |
| herauskommen soll als Lohnzurückhaltung der Arbeiternehmer. Genau das war | |
| ein Effekt der konzertierten Aktion 1967, die die Blaupause für die | |
| aktuellen Treffen ist. Die Frage ist insofern naheliegend. „Befreien Sie | |
| sich aus der Welt Ihrer Vorurteile“ antwortet Scholz kühl. | |
| [2][Die konzertierte Aktion], bei der Gewerkschaften, Arbeitgeber, | |
| Bundesbank und Wissenschaftler zusammenkamen, soll für Scholz wohl eine Art | |
| Zaubermittel sein, um die drängenden Probleme der Inflation zu beheben. Sie | |
| soll die Inflation eindämmen und beim nächsten Entlastungspaket alle so | |
| gerecht bedenken, dass sich niemand benachteiligt fühlt. Bei diesen hohen | |
| Erwartungen scheint das Scheitern vorprogrammiert. Die Frage eines | |
| Linkspartei-Politikers, ob eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne nötig | |
| ist, konterte Scholz von oben herab. Die wirke nicht und treffe innovative | |
| Unternehmen. Die Übergewinnsteuer ist vom Tisch. | |
| Der CSU-Abgeordneten Anja Weisgerber geht die mitunter herablassende Art | |
| des Kanzlers auf die Nerven. „Sie antworten auf Fragen von Frauen | |
| belehrend, auf die von Männern nicht“, kritisiert die CSU-Frau. Scholz geht | |
| auch darauf nicht ein. | |
| 6 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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