| # taz.de -- Menschenrechte in Afghanistan: Morde, Folter und Gewalt | |
| > Die Uno klagt in ihrem ersten Bericht zu Afghanistan. Der Grund sind die | |
| > massiven Menschenrechtsverletzungen seit der Machtübernahme der Taliban. | |
| Bild: Zwei afghanische Journalisten wurden von den Taliban festgenommen und gef… | |
| Berlin taz | Im April dieses Jahres holten Talibankämpfer einen ehemaligen | |
| afghanischen Armeeoffizier, der Leibwächter namentlich nicht genannter | |
| hochrangiger Mitglieder der Vorgängerregierung gewesen war, aus seinem Haus | |
| in der Nordprovinz Samangan und erschossen ihn. Im vorigen November wurden | |
| am Straßenrand die Leichen zweier ehemaliger Polizistinnen gefunden, die in | |
| Kabul ebenfalls von Taliban festgenommen worden waren. | |
| Das sind zwei von 237 solcher Morde im „Stil einer Exekution“, die die UNO | |
| in ihrem ersten [1][Bericht zur Menschenrechtslage in Afghanistan] | |
| aufführt, den sie seit der Machtübernahme der Taliban Mitte August vorigen | |
| Jahres veröffentlicht hat. 160 Opfer waren ehemalige Angehörige der | |
| Streitkräfte oder des Staatsapparats der Vorgängerregierung. Die übrigen 77 | |
| Morde trafen angebliche oder tatsächliche Mitglieder des afghanischen | |
| Ablegers des Islamischen Staates (ISKP) oder neuer bewaffneter | |
| Anti-Taliban-Gruppen. | |
| Dazu kommen mehrere Hundert Fälle „willkürlicher Verhaftungen“ oder des | |
| Festhaltens ohne Kontakt zur Außenwelt, 185 Fälle von Folter und | |
| Misshandlung – darunter an [2][Journalist:innen] und | |
| Menschenrechtsaktivist:innen, 118 Fälle exzessiver Gewalt durch | |
| Taliban-Polizei und 217 Fälle „grausamer, inhumaner oder erniedrigender | |
| Bestrafung“, meist für Vergehen gegen [3][Taliban-Moralvorstellungen]. | |
| Die UNO berichtet von einer Steinigung und Auspeitschungen bei „Ehebruch“. | |
| Ladeninhaber wurden geschlagen, wenn sie Gebetszeiten nicht einhielten, | |
| oder Frauen, wenn sie ohne männliche Begleitung einkauften. | |
| ## Geheimdienst und „Moralpolizei“ als Hauptverantwortliche | |
| Laut UNO handle es sich bei all dem um „Anschuldigungen“, die sie nach | |
| Quellenlage aber als „glaubwürdig“ betrachtet. Sie kann offenbar bisher | |
| nicht selbst proaktiv Fälle verfolgen. Deshalb dürfte es eine Dunkelziffer | |
| geben. Die UNO verweist auch auf ungeklärte Morde an | |
| Menschenrechtsaktivistinnen, lastet sie aber nicht explizit den Taliban an. | |
| „Die Taliban tragen Verantwortung für eine breite Palette an | |
| Menschenrechtsverletzungen“, resümiert der Bericht. Dabei ragten das | |
| Generaldirektorat für Sicherheit (der Taliban-Geheimdienst) und das meist | |
| als „Moralpolizei“ bezeichnete „Ministerium für die Förderung der Tugend | |
| und die Verhinderung des Lasters“ als aktivste Akteure heraus. Die | |
| „häufiger werdenden Anweisungen“ dieses Ministeriums schränkten | |
| „fundamentale Menschenrechte wie die Freiheit der Bewegung, der Meinung und | |
| der Privatsphäre“ ein, besonders von Frauen und Mädchen. | |
| In dem Bericht fällt auf, wie willkürlich einzelne Taliban-Behörden | |
| vorgehen können. Die Taliban ließen den geltenden rechtlichen Rahmen | |
| „offenbar bewusst vage“, heißt es. Zudem machen institutionelle Änderungen | |
| wie die Auflösung der Menschenrechtskommission es für Afghan:innen | |
| „schwerer und gefährlicher“, sich über Übergriffe zu beschweren oder | |
| dagegen zu klagen. Die UNO ist nun die einzige Institution im Land, die | |
| solche Vorfälle dokumentiert. | |
| ## Durchaus bereit, sich auf das Thema einzulassen | |
| Abgesehen von einem „technischen“ Büro der EU unterhält kein westliches | |
| Land mehr eine Botschaft in Kabul. Die UNO verweist auch darauf, dass die | |
| Menschenrechtslage „von der landesweiten Wirtschafts-, Finanz- und | |
| humanitären Krise beispiellosen Ausmaßes verschärft wird“. Sie verweist | |
| allerdings nicht auf die US-inspirierten Sanktionen, die dazu beitragen und | |
| weltweit von zahlreichen humanitären Akteuren scharf kritisiert werden. | |
| Generell, vermerkt der Bericht positiv, hätten die von der UNO sogenannten | |
| De-facto-Machthaber sich durchaus bereit gezeigt, sich auf das Thema | |
| Menschenrechte einzulassen. Hochrangige Offizielle hätten an | |
| „bewusstseinsbildenden“ Treffen dazu teilgenommen. Sie „versuchen offenba… | |
| ihre Verpflichtungen bei der Behandlung von Häftlingen zu erfüllen“ und ein | |
| Dekret von Taliban-Chef Hebatullah Achundsada verbietet Zwangsheiraten und | |
| die Verheiratung von Minderjährigen sowie von Frauen oder Mädchen zur | |
| Lösung von Familienkonflikten. | |
| Die UNO berichtet aber auch, dass örtliche Taliban-Machthaber sich darüber | |
| hinwegsetzen. Im April hätten sie ein 15-jähriges Mädchen verhaftet, das | |
| vor einer Zwangsheirat geflohen war und einen anderen Mann geheiratet | |
| hatte. Das Mädchen sitze weiter in Haft. | |
| 21 Jul 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_human_rights_in_afgh… | |
| [2] /Verschaerfte-Massnahmen-der-Taliban/!5856222 | |
| [3] /Afghanistan-unter-Taliban-Herrschaft/!5862244 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
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