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# taz.de -- Nachruf auf Hassan Numan: Der Mann mit der Trillerpfeife
> Der Flüchtlingsaktivist Hassan Numan ist tot. In Osnabrück verhinderte
> der Sudanese mit anderen Geflüchteten friedlich viele Abschiebungen.
Bild: Protest gegen Abschiebungen: Sudanesische Flüchtlinge vor dem Osnabrück…
Berlin taz | Am vergangenen Mittwoch hätte er in Nantes, in Westfrankreich,
aus dem Bus steigen sollen. Beim Transborder Camp, einer Zusammenkunft
antirassistischer [1][Aktivist:innen] aus ganz Europa, war Hassan
Numan, 45, Politologe und Geflüchteter aus dem Sudan, als Redner erwartet
worden. Doch diese Reise trat er nicht mehr an.
Numan lebte ab 2017 in einem heruntergekommenen Flüchtlingslager im
[2][Osnabrücker] Ickerweg. Berühmt wurde er als der Mann mit der
Trillerpfeife. Nachdem die Polizei mehrmals in der Frühe gekommen war, um
Sudanes:innen aus dem Heim abzuschieben, bildeten die
Bewohner:innen auf seine Initiative hin ein Komitee: Mit
Nachtpatrouille und einem Alarmsystem aus Trillerpfeifen. Rückte nachts die
Polizei an, schlugen die Aufpasser an den Toren mit ihren Pfeifen Alarm und
weckten die anderen.
Sie blockierten die Eingänge mit Mülltonnen, versperrten die Tore und
fingen an zu singen – die sudanesische Nationalhymne oder arabische
Kinderlieder. Es herrschte Chaos – und die Polizei zog wieder ab. „Null
Gewalt ist uns wichtig“, sagt Numan damals. Mit diesem Prinzip konnten sie
immer wieder Abschiebungen verhindern. „Wir wollen unsere Rechte
durchsetzen. Und wir sind viele, wir können etwas erreichen.“
Fast alle sudanesischen Flüchtlinge in Deutschland kamen damals nach
Niedersachsen, alleinstehende Männer vielfach in das Heim am Ickerweg. Der
Sudan wurde damals noch vom Kriegsverbrecher und Diktator el-Bashir
regiert. Die [3][Ausländerbehörden] interessierte das kaum. Jeden dritten
Tag schob Deutschland 2017 Menschen dorthin ab. Ohne Numan wären es noch
mehr gewesen.
## Friedlicher Kampf für sudanesische Geflüchtete
„Früher haben die Leute aus Angst vor ihrer Abschiebung lieber draußen
zwischen Bäumen geschlafen als in ihren Betten“, sagte Numan damals der
taz. „Jetzt haben sie wieder das Gefühl, dass sie sicher sind, weil wir
zusammenstehen.“ Die Behörden schickten daraufhin keine Sudanesen mehr in
das Heim.
Das Komitee zog mit Demonstrationen vor das Osnabrücker Rathaus, mit
unvergleichlicher Diplomatie dankte Numan dem Bürgermeister für die
„freundlich Aufnahme“ in der Stadt, nur um danach die Forderungen der
Flüchtlinge vorzutragen. Am Ende war er auch einer der Köpfe der
Osnabrücker „Solidary City“-Initiative, die die Stadt zu einem offeneren
Ort für Schutzsuchende machen wollte.
„Mit den Menschen zu sprechen, dafür bin ich ausgebildet“, sagte Numan
später der Politologin Lisa Doppler. „Um Reden zu halten, Menschen zu
motivieren, an ihre Träume zu appellieren, mit einer Sprache, die sie
bewegt.“ Das habe er an der Uni in Khartoum gelernt. Und: „Ich tue das als
Kommunist.“
Wie viele junge Kommunist:innen, die um die Jahrtausendwende in der
Jugendorganisation der sudanesischen KP in Khartoum organisiert waren, floh
er in den folgenden Jahren vor dem wachsenden Druck des Bashir-Regimes.
Einige seiner Genossen aus der Demokratiebewegung in der Heimat traf er am
Ickerweg wieder.
Seine Partnerin aber war im Sudan geblieben. Bis zum Ende versuchte er, sie
nachzuholen – ohne Erfolg. Sie schickte ihm Pakete nach Deutschland, mit
sudanesischen Zigaretten, Kleidung, er verteilte die Geschenke im Heim im
Ickerweg weiter. Doch der Wunsch nach dem Leben, das sie gemeinsam in
Deutschland führen wollten, erfüllte sich nicht.
Das belastete ihn sehr schwer, wie er Freunden mehrfach berichtete. Von
seiner Herzkrankheit wusste er schon eine Weile. Am Tag vor seiner
geplanten Reise nach Nantes starb Hasan Numan beim Besuch eines Freundes in
Köln.
20 Jul 2022
## LINKS
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[3] /Brandanschlag-auf-Fluechtlingsunterkunft/!5775899
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Osnabrück
Abschiebung
Geflüchtete
Sudan
Migration
Abschiebung
Schwerpunkt Rassismus
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