# taz.de -- „Sichere Häfen“ in Niedersachsen: Weiter Weg zum sicheren Hafen | |
> Das Bündnis „Niedersachsen zum Sicheren Hafen für Alle“ fordert einen | |
> Paradigmenwechsel in der Asylpolitik. Die Landespolitik soll sich | |
> positionieren. | |
Bild: Bereit für echte Willkommenskultur: Seebrücke Osnabrück | |
OSNABRÜCK taz | Steht eine Wahl an, versucht jede Partei vor allem eins: | |
Profil zu zeigen. Die Kandidaten der niedersächsischen Landtagswahl 2022 | |
haben dazu jetzt eine Gelegenheit, die Brisanz besitzt. Der Impuls geht vom | |
Bündnis [1][„Niedersachsen zum Sicheren Hafen für Alle“] aus. Anfang Juni | |
hat es in einem Positionspapier einen „grundlegenden Paradigmenwechsel“ in | |
der Asyl- und [2][Migrationspolitik] gefordert. | |
Rund 60 Mitglieder stark, von der Menschenrechtsinitiative bis zum | |
Wohlfahrtsverband, diskutiert es darin Themenfelder vom Antirassismus bis | |
zur Geschlechter- und Bildungsgerechtigkeit, stellt Dutzende | |
Einzelforderungen an die Landespolitik, von der Verabschiedung eines | |
Antidiskriminierungsgesetzes bis zur Unterlassung von Abschiebungen. | |
„Eigentlich ist es schlimm, dass man solche Forderungen überhaupt noch | |
stellen muss“, sagt Muzaffer Öztürkyilmaz zur taz, Referent beim | |
Flüchtlingsrat Niedersachsen, eines der Mitglieder des Bündnisses. | |
„Gleichbehandelnde Teilhabe und Integration müsste längst | |
selbstverständlich sein. Bisher wird allerdings oft nur Kosmetik | |
betrieben.“ Dann erzählt er von [3][Geflüchteten], die seit über drei | |
Jahren in einer Fünf-Bett-Unterkunft leben müssen. Einer der Zustände, die | |
er ändern will. | |
„Wir brauchen endlich neue Rahmenbedingungen!“, sagt Galina Ortmann der | |
taz, Vorstandsvorsitzende des Niedersächsischen Integrationsrats. Die | |
Wahlprogramme der Parteien betrachtet sie mit Skepsis: „Man darf nicht nur | |
was versprechen, man muss seine Versprechen auch einhalten! Daran hat es | |
oft gefehlt.“ | |
## Abschiebungen „so human wie möglich“ | |
Der Forderungskatalog des Bündnisses ist für die hannoversche | |
Parteienlandschaft eine Herausforderung. „Aus unserer Sicht sind die Fragen | |
von Migration und [4][Asyl] von besonderer Bedeutung“, sagt Thomas Wille, | |
Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, der taz. „Insbesondere die aktuellen | |
Konflikte weltweit führen uns das immer wieder vor Augen. Es ist daher | |
begrüßenswert, öffentlich über den richtigen Weg zu streiten und zu | |
diskutieren. Dafür kann das Positionspapier ein guter Beitrag sein.“ | |
Auch die SPD-Landtagsfraktion hat das Bündnispapier gelesen. Sie setze sich | |
„für eine vorausschauende und realistische Migrationspolitik ein“, sagt | |
Petra Tiemann, Sprecherin für Migration und Teilhabe, der taz. „Geflüchtete | |
Menschen finden in Niedersachsen im Rahmen des Asylrechts eine sichere | |
Zuflucht. Wir setzen uns für Erleichterungen beim Familiennachzug ein und | |
wollen Geduldeten den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern.“ | |
„Allen, die nach Deutschland kommen, wollen wir von Beginn an | |
Integrationskurse anbieten“, sagt Tiemann. „Kinder und Jugendliche sollen | |
schnellstmöglich Zugang zu Bildung bekommen.“ Wichtig für die Integration | |
seien die Migrationsberatungsstellen. „Sie leisten vor Ort einen | |
unverzichtbaren Beitrag zur Integration, den wir mit einer verstetigten und | |
auskömmlichen Finanzierung absichern werden.“ | |
Menschen „ohne Bleibeperspektive“ müssten das Land allerdings verlassen. | |
„Dabei setzen wir auf die freiwillige Rückkehr“, sagt Tiemann. „Sollten | |
aufenthaltsbeendende Maßnahmen notwendig werden, geschehen diese so human | |
wie möglich.“ | |
## Grüne kritisieren Große Koalition aus SPD und CDU | |
„Die in dem Bündnispapier formulierten Positionen und Forderungen decken | |
sich weitgehend mit unseren politischen Vorstellungen“, sagt Hans-Joachim | |
Janßen der taz, Landesvorsitzender der Grünen und migrationspolitischer | |
Sprecher. „Wir haben mehr als 15 Anträge in dieser Wahlperiode eingebracht, | |
mit denen wir Forderungen erheben, die sich auch in diesem Papier finden. | |
Einige dieser Anträge wurden bereits durch die Große Koalition abgelehnt, | |
über ein Dutzend jedoch hängt – teilweise seit Jahren – in den Ausschüss… | |
weil die Große Koalition darauf spekuliert, dass sie so der Diskontinuität | |
am Ende der Wahlperiode verfallen.“ | |
Die Grünen teilen insbesondere die Positionen zur migrations- und | |
asylpolitischen Verantwortungsübernahme: „Die Folgen des Ukraine-Kriegs | |
zeigen, dass bei der Aufnahme von Geflüchteten vieles möglich ist. Das | |
wirft aber auch die Frage auf, warum das nicht ähnlich bei der Aufnahme | |
Geflüchteter aus Syrien, Afghanistan oder anderen Krisengebieten möglich | |
ist.“ Voraussetzung sei ein Umdenken in der niedersächsischen Asylpolitik: | |
„Wir brauchen eine echte Willkommenskultur, die den Geflüchteten Brücken | |
baut.“ | |
Großen Handlungsdruck sieht Janßen im Bereich Bleiberecht: „Einbürgerungen | |
verzögern sich, Identitätskrisen entstehen bei den Betroffenen und ihren | |
Kindern, und in der nächsten Generation setzt sich alles fort, potenziert | |
sich, und Perspektivlosigkeit erzeugt weitere Probleme.“ | |
Die CDU hält sich bedeckt. Ralph Makolla, Sprecher der Landtagsfraktion, | |
gibt gegenüber der taz zu: Das Bündnispapier sei der Fraktion „nicht | |
bekannt“. Danach herrscht Schweigen. | |
44 Forderungen listet das Papier von „Niedersachsen zum Sicheren Hafen für | |
Alle“. 2027 wird nachzuzählen sein, wie viele davon erfüllt sind. | |
11 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nds-fluerat.org/53432/aktuelles/buendnis-niedersachsen-zum-sich… | |
[2] /Aufnahme-von-Menschen-aus-Afghanistan/!5851590 | |
[3] /Kommunale-Aufnahme-von-Gefluechteten/!5824192 | |
[4] /Hilfskonvoi-der-Seebruecke/!5810553 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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