Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausbeutung von Hausangestellten: Unterbezahlt und rechtlos
> Ein Diplomat schuldet einer ehemaligen Hausangestellten rund 80.000 Euro.
> Doch seine Immunität schützt ihn vor Strafverfolgung.
Bild: Angestellte in Diplomatenhaushalten arbeiten teils unter sklavenartigen B…
Berlin taz | Maria Santos kämpft mit den Tränen, als sie von ihren
Erfahrungen berichtet. Mehr als drei Jahre hat die junge Philippinerin in
Berlin als [1][Haushaltshilfe bei einer Diplomatenfamilie gearbeitet] – bis
sie die Arbeitsbedingungen nicht mehr ertrug und Ende 2021 zurück in ihre
Heimat ging. Dabei klang der Job anfangs gut: Für 950 Euro im Monat sollte
sie sich um die vier Kinder und den Haushalt eines diplomatischen
Vertreters aus Oman kümmern, Sonn- und Feiertage hatte sie frei. Dass das
nur auf dem Papier galt, wusste sie damals noch nicht.
„Ein Teil meines Gehalts wurde einbehalten, von den 950 Euro habe ich nur
600 bekommen“, erzählt Santos. Als der Lohn auf über 1.500 Euro erhöht
wurde, habe sie davon nur 950 erhalten; als sie einmal Urlaub machte, seien
es sogar nur 500 Euro gewesen. Während der Lohn wesentlich niedriger war
als vertraglich vereinbart, dehnten sich die Arbeitszeiten immer weiter
aus: Um 5.30 Uhr musste sie aufstehen und Essen für die Kinder zubereiten,
mittags hatte sie 2 Stunden Pause, Feierabend war oftmals erst um 22 oder
23 Uhr, erzählt Santos.
Auch an Feiertagen musste sie arbeiten, und wenn sie an ihrem freien
Sonntag das Haus verließ, war sie nicht sicher, ob sie wieder hineinkomme,
weil ihr Chef ihr keine Schlüssel geben wollte. „Wenn die Familie nicht da
war, musste ich draußen warten, teilweise stundenlang, auch im Winter.“
Weil Santos mit dem Geld ihre Familie auf den Philippinen unterstützte,
blieb sie – bis sie im Dezember kündigte. Mehr als acht Jahre hatte sie zu
diesem Zeitpunkt für die Familie gearbeitet, zunächst im Oman, seit 2018 in
Berlin. Laut der Menschenrechtsorganisation Ban Ying, die in Berlin Opfer
von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung unterstützt, schuldet ihr
ehemaliger Arbeitgeber ihr ingesamt rund 80.000 Euro Lohn. Geld, das Santos
vermutlich nie sehen wird, denn der Diplomat streitet die Vorwürfe ab. Und
das Auswärtige Amt hat sich bisher vergeblich um ein Mediationsgespräch
bemüht.
## Verstöße gegen Arbeitsrecht bleiben ohne Folgen
Lohndiebstahl, systematische Überstunden, nicht eingehaltene Pausenzeiten,
Freiheitsentzug – für Rechtsanwältin Annett Haberland „erhebliche
arbeitsrechtliche Verstöße“. Rechtlich dagegen vorzugehen sei jedoch nahezu
unmöglich, denn als Diplomat genießt Santos’ Ex-Chef Immunität und damit
Schutz vor Strafverfolgung. Hinzu kommt, dass die Diplomatenfamilie Berlin
Ende des Monats verlässt und auch Santos nicht mehr in Deutschland ist.
Weil bei Angestellten von Diplomat*innen das Visum an das
Arbeitsverhältnis geknüpft ist und sie den Arbeitgeber nicht wechseln
dürfen, müssen sie das Land verlassen, sobald das Arbeitsverhältnis endet.
118 Hausangestellte sind laut der Hilfsorganisation Ban Ying derzeit beim
Auswärtigen Amt gemeldet, die meisten in Berlin, ein Drittel von ihnen
kommt von den Philippinen. [2][Fälle wie der von Santos sind laut
Projektkoordinatorin Lea Rakovsky nicht selten], pro Jahr würden sich 10
bis 15 Betroffene an die Beratungsstelle wenden, seit der Pandemie weniger.
Das Auswärtige Amt könnte die betreffenden Diplomat*innen zur Persona
non grata erklären, diese müssten dann das Land verlassen. „Wegen der
Ausbeutung von Hausangestellten wurde aber noch nie ein Diplomat
abberufen“, sagt Rakovsky.
Um Betroffenen besser zu schützen, fordert die Hilfsorganisation, dass
Angestellte von Diplomat*innen den Arbeitsplatz wechseln können und
nicht mehr mit ihren Arbeitgeber*innen in einem Haus leben müssen. Für
Maria Santos käme das allerdings zu spät. „Ich bin auf den Philippinen und
kann nichts tun.“
19 Jul 2022
## LINKS
[1] /Ausbeutung-in-Diplomaten-Haushalt/!5344338
[2] /Hausangestellte-von-Diplomaten/!5078507
## AUTOREN
Marie Frank
## TAGS
Haushaltshilfe
Philippinen
Ausbeutung
Diplomatie
Überstunden
Rodrigo Duterte
Ausbeutung
Ausbeutung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Amtsantritt von Präsident Marcos Junior: Investitionen für die Philippinen
Bei seiner Antrittsrede als Präsident spricht der Sohn des Ex-Diktators
Ferdinand Marcos vor allem über Wirtschaft. Menschenrechte klammert er aus.
Ausbeutung in Diplomaten-Haushalt: 7 Tage à 15 Stunden
Nur 20 Euro im Monat bekam Akosua Asabea für ihre Arbeit bei einer
ghanaischen Diplomatin. Nun klagt sie gegen ihre alte Chefin, die sie seit
42 Jahren ausbeutet.
Hausangestellte von Diplomaten: Ausbeutung in der Immunität
Antonia R. musste für eine Diplomatin 14 Stunden am Tag arbeiten, wurde
beschimpft und bekam ihren Lohn zu spät. Nun hat sie eine Nachzahlung
erstritten.
Ausbeutung durch Diplomaten: Eine Geschichte voller Gewalt
Über vier Jahre wurde sie von einem jemenitischen Diplomaten gefangen
gehalten - zuletzt in einer Berliner Wohnung: Ein Porträt der indonesischen
Angestellten Hasniati.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.