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# taz.de -- Immer stärkeres Hochwasser: Die Angst vor der großen Flut
> Sind unsere Deiche hoch genug? In Hitzacker an der Elbe herrschen Zweifel
> darüber anlässlich des ersten Jahrestages der Flutkatastrophe im Ahrtal.
Bild: Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser: Erhöhung von Deichen in Hitz…
Göttingen taz | „Wir müssen auf künftige Hochwasser gut vorbereitet sein�…
sagt Holger Mertins. Flutkatastrophen wie in den vergangenen zwei
Jahrzehnten, als Hitzacker von der Elbe buchstäblich überspült wurde und
große Teile der auf einer Insel gelegenen Altstadt tagelang unter Wasser
standen, möchte der Bürgermeister des 5.000-Einwohner-Ortes im Kreis
Lüchow-Dannenberg nicht mehr erleben. „Überlegungen, die Schutzmauer
zwischen Stadt und Fluss zu erhöhen, finden deshalb meine Unterstützung und
die unseres Stadtrates.“
Mit seinen Worten signalisiert FDP-Mann Mertins Zustimmung zu vorherigen
Äußerungen der parteilosen Lüchow-Dannenberger Landrätin Dagmar Schulz. Sie
war zum Jahrestag der Flutkatastrophe im Ahrtal vom NDR zu möglichen
Konsequenzen für den Hochwasserschutz im Wendland befragt worden.
Denn für Schulz wie für Mertins ist demnach nicht die Frage, ob die nächste
Flut kommt, sondern nur, wann sie kommt. „Obwohl wir“, wie der
Bürgermeister im Telefonat mit der taz anmerkt, „jetzt ja durchaus ein paar
Tage Trockenheit und Niedrigwasser hatten.“
## Fünf „Jahrhunderthochwasser“
[1][Fünfmal sind seit der Jahrtausendwende im Landkreis die Elbe und ihre
Nebenflüsse weit über die Ufer getreten], haben Deiche überspült und
durchbrochen, war vor allem Hitzacker von sogenannten
Jahrhunderthochwassern betroffen: 2002, 2003, 2006, 2011 und 2013.
2006 war es am schlimmsten. Regenfälle und Tauwetter am Oberlauf der Elbe
und ihren Zuflüssen hatten die Pegel im März und April gewaltig ansteigen
lassen. In Hitzacker, das in seiner Insellage selbst durch keine Deiche
geschützt ist, wurde der gesamte Stadtkern überspült. Auch Teile der
Altstadt von Lauenburg in Schleswig-Holstein standen unter Wasser.
Als Konsequenz aus der Katastrophe begann in Hitzacker ein Jahr später der
Bau einer Hochwasserschutzanlage. Insgesamt rund 36 Millionen Euro wurden
dafür investiert. Herzstück ist eine fast einen Kilometer lange und 1,20
Meter hohe Schutzmauer zwischen Flussniederung und Stadtkern, die mit
mobilen Teilen auf bis zu 2,70 Meter Höhe aufgestockt werden kann.
Ausgelegt ist die Schutzwand auf einen Pegelstand der Elbe von bis zu 8,96
Meter. [2][Bei den Hochwassern 2011 und 2013] – damals stieg das Elbwasser
bis auf 8,10 Meter – bewahrte die Mauer Hitzacker damit vor weiteren
schweren Schäden.
## Gefahr durch Treibgut
Dennoch wurde auch 2013 die Altstadt evakuiert. Dabei war die Schutzwand
weniger vom steigenden Wasser bedroht. Angesichts der hohen
Fließgeschwindigkeit der Elbe ging die größere Gefahr von mitgerissenem
Treibgut aus, das die Mauer zu beschädigen oder zu zerstören drohte.
Inzwischen haben der fortschreitende Klimawandel und in der Folge immer
extremere Wetterlagen im Wendland aber neue Sorgen ausgelöst. Vorläufige
Berechnungen des [3][Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft,
Küsten- und Naturschutz (NLWKN)] hätten ergeben, dass neue Bemessungen für
Hochwasser festgelegt werden müssten.
Die Schutzwand müsse, um künftige Hochwasser sicher zurückzuhalten, noch
einmal um 80 Zentimeter erhöht werden, sagt Landrätin Schulz und vergleicht
die Regenfälle, die zum Hochwasser 2003 geführt haben, mit jüngsten
Starkregenereignissen. Damals seien in Sachsen etwa 270 Milliliter in einer
Stunde gefallen, im vergangenen Herbst in Norditalien dagegen schon 700
Milliliter.
Auch Bürgermeister Mertins hält nach Rücksprache mit [4][Experten des
NLKWN] eine zusätzliche Höhe der Schutzwand von 80 bis 100 Zentimetern für
notwendig. Außerdem sei es wichtig, rund um Hitzacker die Deiche zu
erhöhen. „Wir sind ja vom Wasser umgeben“, sagt er. Nehme man nur die
Schutzwand in den Blick, fließe das Wasser sozusagen hintenrum nach
Hitzacker hinein.
Die Kommunen im Wendland haben denn auch schon mit den Planungen für eine
höhere Wand und weiter verstärkten Hochwasserschutz begonnen. Für die
Umsetzung seien allerdings „erhebliche Mittel“ erforderlich, sagen Schulz
und Mertins. Mittel, die von der Stadt, der übergeordneten Samtgemeinde
Elbtalaue und vom Landkreis allein jedoch keinesfalls zu stemmen seien.
Sie könne als Landrätin Verantwortung übernehmen „für die Dinge, die ich
auch beeinflussen kann“, fügte Schulz mit Blick auf Vorsorgemaßnahmen gegen
weitere Hochwasser hinzu. „Aber es gibt Dinge, die wir nicht beeinflussen
können. Und der Landkreis Lüchow-Dannenberg ist nicht in der Lage,
sämtliche notwendigen Finanzierungen eigenständig zu leisten.“
Die Dringlichkeit einer finanziellen Unterstützung hat die Landrätin jetzt
in einer sogenannten Gefährdungsanzeige gegenüber dem Land Niedersachsen
verdeutlicht: „Das heißt, dass wir nicht sicherstellen können, dass bei
einem zu erwartenden Hochwasser kein Schaden für den Landkreis oder für
Dritte entsteht.“
15 Jul 2022
## LINKS
[1] /Kosten-fuer-Schaeden-in-Europa/!5834589
[2] /Hochwasser-in-Deutschland/!5065511
[3] /Guter-Deal-fuer-den-Kuestenschutz/!5854865
[4] https://www.nlwkn.niedersachsen.de/startseite/
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Hochwasser
Deiche
Hitzacker
Ehrenamt
Hitzacker
Flut
klimataz
Niedersachsen
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