| # taz.de -- Klimafreundliche Krematorien: Umweltschutz bis in den Tod | |
| > Im Kampf gegen den Klimawandel fordern viele Stimmen einen nachhaltigen | |
| > Lebensstil. Einige gehen weiter und wollen einen umweltfreundlichen Tod. | |
| Bild: Auch Feuerbestattung ist klimaschädlich | |
| Berlin taz | Ein paar feine Linien, auf Papier gemalt, markieren die letzte | |
| Station des menschlichen Körpers. Die Zeichnung wirkt klein auf dem großen | |
| Besprechungstisch, auf dem sich Wasserflaschen wie Soldaten | |
| aneinanderreihen. Thomas Engmann schaukelt betont lässig auf seinem | |
| Bürostuhl hin und her, während er über die Verbrennung von Leichen spricht. | |
| Mit wenigen lockeren Handbewegungen malt der Unternehmer einen seiner 30 | |
| Tonnen schweren dreiteiligen Ofen: Haupt-, Ausbrenn- und Nachbrennkammer. | |
| Von Kammer zu Kammer wird hier im Krematorium in Traunstein aus den Körpern | |
| der Verstorbenen Asche. Ein Vorgang, bei dem viel Gas und Strom benötigt | |
| und Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird. Aus diesem Grund betreibt Engmann | |
| ein klimafreundliches Bestattungsunternehmen in Südostbayern. Er hat ein | |
| ambitioniertes Ziel: Bis 2023 will er die Klimaneutralität in seinem | |
| Betrieb erreichen. | |
| „Das Thema Klimaneutralität im Zusammenhang mit [1][Bestattungen] hat | |
| bisher nicht im Fokus gestanden“, sagt der Geschäftsführer. „Niemand will | |
| gern was mit dem Tod zu tun haben. Und deswegen [2][verdrängt man den Tod], | |
| und man verdrängt auch alles, was damit zusammenhängt.“ Doch immer mehr | |
| Krematorien versprechen eine umweltfreundliche Bestattung. Und das nicht | |
| ohne Grund: Bis zu 300.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid stoßen deutsche | |
| Krematorien je nach Berechnung schätzungsweise pro Jahr aus. Das ist | |
| weniger als ein Prozent des deutschen Gesamtausstoßes. | |
| Es ist jedoch so viel, wie rund 33.000 Personen in Deutschland jährlich | |
| produzieren. Hinzu kommt, dass Krematorien gleich auf mehreren Ebenen | |
| umweltschädlich sind: Die Einäscherung erfolgt in Öfen, die auf rund 1.000 | |
| Grad erhitzt werden. Dafür werden oft fossile Energien eingesetzt. Durch | |
| die Verbrennung werden toxische Schadstoffe wie Dioxine und Furane | |
| freigesetzt, die in großen Mengen krebserregend sein können. Auch | |
| Quecksilber wird ausgestoßen, wenn Verstorbene etwa Zahnfüllungen haben. | |
| Für diese Schadstoffe gibt es Grenzwerte, die Krematorien einhalten müssen. | |
| ## Erster klimaneutraler Friedhof in Hamburg | |
| Diese Grenzwerte bezeichnet Bestattungsunternehmer Engmann als veraltet. | |
| Das Krematorium in Traunstein unterschreitet sie nach eigenen Angaben im | |
| Schnitt um 90 Prozent. Hier werden Biomethan und regenerativer Strom von | |
| den Traunsteiner Stadtwerken bezogen. Es gibt eine Photovoltaikanlage und | |
| einen Batteriespeicher. Überschüssiger Strom soll künftig ins Stromnetz | |
| eingespeist werden. | |
| Die bei der Kremation entstehende Abwärme wird genutzt, um das eigene | |
| Gebäude und den Wasserkreislauf zu heizen und auch die Aussegnungshalle, | |
| Büros und Friedhofsgärtnerei des Waldfriedhofs Traunstein mit Wärme zu | |
| versorgen. Die Fahrzeuge werden auf E-Mobilität umgerüstet. Engmanns | |
| Lieblingsspruch: „Wir reden viel zu viel, wir machen viel zu wenig.“ | |
| Deshalb macht er in seinem Betrieb jetzt viel. | |
| Im ganzen Bestattungssektor gibt es zunehmend mehr Menschen, die nicht nur | |
| reden. So können umweltbewusste Kund*innen nachhaltige Särge aus | |
| Pilzgeflechten oder Pappe und Totenhemden aus Biobaumwolle kaufen. In | |
| Hamburg-Rahlstedt gibt es den ersten klimaneutralen Friedhof. | |
| Die Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Feuerbestattungsanlagen geht noch | |
| einen Schritt weiter: Ihr Geschäftsführer Svend-Jörk Sobolewski verspricht | |
| soziales Engagement. „Das ist ja selbstverständlich“, sagt er am Telefon. | |
| Nicht brennbare Metalle, die unter anderem in künstlichen Knie- und | |
| Hüftgelenken vorkommen, werden dem Wertstoffkreislauf zugeführt. Die durch | |
| diese Wiederverwertung erzielten Einkünfte werden bis zur steuerlichen | |
| Höchstgrenze an gemeinnützige Organisationen gespendet. | |
| ## Wirtschaft umweltfreundlich denken | |
| Auch Engmann sieht seinen Einsatz für das Klima mit einer | |
| Selbstverständlichkeit, die man bei einem Unternehmer wie ihm zunächst | |
| nicht vermuten würde. Er trägt Jackett und spricht, jedes Wort betonend, | |
| nur in Anwesenheit seines PR-Beraters. Der Geschäftsführer ist es gewohnt, | |
| dass man ihm zuhört. Zu jeder Aussage hat er eine Zahl bereit, die seine | |
| These stützt. | |
| Er spricht gern über seine Erfolge. Und doch glaubt man ihm, dass er es | |
| ernst meint mit dem Klima. Er wird leidenschaftlich, wenn er von | |
| Umweltschutz spricht. Fridays for Future leiste in seinen Augen wichtige | |
| Arbeit. Engmann selbst sei zum Protestieren zu alt. Er setzt woanders an: | |
| Er denkt Wirtschaft umweltfreundlich. Auch wenn ihn die moderne Technik und | |
| die umweltfreundlichen Alternativen nach eigenen Angaben einen | |
| sechsstelligen Betrag kosten. | |
| Geschäftsführer Svend-Jörk Sobolewski ist ebenfalls überzeugt: „Man muss | |
| Geld investieren“, sagt er und fordert: Ein Teil des Geldes, das | |
| erwirtschaftet wird, müsse für die Verringerung von Emissionen ausgegeben | |
| werden. „Dann schaffen wir auch das Klimaziel. Davon bin ich überzeugt.“ Er | |
| setzt in seinem Unternehmen auch auf Photovoltaik, Naturstrom und | |
| geringeren Gasverbrauch. | |
| ## Viele Menschen wollen eine Kremierung | |
| Das Umdenken in Betrieben wie denen von Sobolewski und Engmann ist wichtig. | |
| Denn die Nachfrage nach Feuerbestattungen nimmt kontinuierlich zu. Seit | |
| über 20 Jahren steigt die Todesrate in Deutschland. Dieser langfristige | |
| Trend hängt mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen zusammen. | |
| Gleichzeitig entscheiden sich drei Viertel der Menschen für die Kremierung. | |
| „Ich glaube“, sagt Sobolewski zu der Umrüstung auf umweltfreundliche | |
| Alternativen, „dass das für alle Betriebe, die sich dieser Aufgabe stellen, | |
| von Vorteil sein kann.“ Und ergänzt, ohne zu zögern: „Wir sind ja keine | |
| Samariter. Wir sind auch nicht Caritas. Wir sind ein wirtschaftlich | |
| ausgerichtetes Unternehmen.“ Entscheidend sei, dass er sich dabei für | |
| Umwelt und Mensch einsetze. | |
| Dass Ökologie und Ökonomie Hand in Hand gehen können, findet auch Thomas | |
| Engmanns PR-Berater. Die Welt solle noch stehen, wenn sein Sohn mal das | |
| Unternehmen übernehme. Ansonsten würde das Unternehmen nicht mehr viel wert | |
| sein. Fragt man Engmann, wie das Nachhaltigkeitsversprechen bei seinen | |
| Kund*innen ankommt, zögert er nicht. Er unterbricht die Frage, ehe sie | |
| ganz gestellt ist – es kommt sehr gut an, die Nachfrage ist hoch. Man könne | |
| „klimaneutral und pietätvoll und würdevoll sein“, kein Thema, kein Proble… | |
| Und der PR-Berater ergänzt aufgeregt: „Wir sprechen ja von nichts | |
| Geringerem als davon, die Welt zu retten! Wir sprechen davon, der Nachwelt | |
| einen Planeten zu hinterlassen, der lebenswert ist!“ | |
| 11 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Leonore Winkler | |
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