Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ukraines Botschafter Melnyk über Bandera: Doch, seine Truppen mord…
> Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk meint, es gebe keine Belege,
> dass Bandera-Truppen Hunderttausende Juden ermordet haben. Wie falsch ist
> das?
Bild: Ukrainische Nationalisten mit dem Bild ihres Idols Stepan Bandera im Janu…
„Es gibt keine Belege, dass Bandera-Truppen Hunderttausende Juden ermordet
haben“, behauptet der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk
in einem [1][Interview]. „Bandera war kein Massenmörder von Juden und
Polen.“
Melnyks Behauptungen sind, dem Wortlaut nach, derzeit nur schwer zu
falsifizieren, aber verzerren die historische Rolle des ukrainischen
Faschisten und seiner Organisation Ukrainischer Nationalisten doch so
massiv, dass sich das ukrainische Außenministerium umgehend zu einer
Klarstellung genötigt sah: „Die Meinung des ukrainischen Botschafters in
Deutschland gibt nicht die Position des ukrainischen Außenministeriums
wider.“
## Die Nazis hatten andere Pläne
Stepan Bandera wurde 1941 im KZ Sachsenhausen in „Ehrenhaft“ genommen, weil
sein Flügel der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B) kurz nach
dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion am 30. Juni 1941 in Lemberg
einen unabhängigen ukrainischen Staat ausgerufen hatten. Doch die
Nationalsozialisten hatten andere Pläne.
Nach dem Zweiten Weltkrieg flüchtete Bandera nach Deutschland und wurde
1959 in München von einem KGB-Agenten mit einer Giftpistole ermordet.
Bandera war Chef des radikal-nationalistischen und antisemitischen Flügels
der Organisation Ukrainischer Nationalisten. Obwohl sich Bandera nicht als
Faschist bezeichnete, hatte er doch die Ideen des Faschismus rezipiert.
Dass er allerdings selbst Ideologe der Organisation gewesen sei, wird von
dem ukrainischen Historiker Andrii Portnov in einem Beitrag für die NZZ
bestritten: „Bandera war kein Ideologe der OUN, sondern Terrorist.“
## Die OUN-Miliz ermordete Juden
Das ideologische Manifest der OUN wurde laut Portnov von Dmitro Donzow, der
selbst allerdings nie Mitglied war, im Jahr 1926 veröffentlicht. „Er rief
zum gnadenlosen Kampf für den ukrainischen Staat auf, verherrlichte die
Gewalt und idealisierte ab den dreißiger Jahren unmissverständlich die
totalitären Praktiken des italienischen Faschismus und des deutschen
Nationalsozialismus, popularisierte die nationalsozialistische
Rassentheorie und machte antisemitische Äußerungen“, urteilt Portnov, der
in der taz über das Verschweigen des Holocaust in der Sowjetunion und die
Weigerung ukrainischer Politiker, über die Beteiligung von Ukrainern am
Genozid zu sprechen, [2][geschrieben hat].
Denn es blieb nicht bei der ideologischen Annäherung der OUN an die
NS-Rassenlehre. Eine von der OUN Banderas aufgestellte Miliz bereitete
durch Verhaftungen in Lemberg die Massenerschießung von 3.000 Juden durch
die Einsatzgruppe C der deutschen Sicherheitspolizei am 5. Juli 1941 nicht
nur vor, wie der Historiker [3][Hannes Heer gezeigt hat]. Angehörige dieser
Miliz ermordeten viele Juden auf brutale Weise. Sie erschossen, erstachen
und erschlugen sie.
## Banderas moralische Verantwortung
Historiker gehen davon aus, dass „untere Ränge“ des militärischen Arms der
OUN-B im weiteren Verlauf des Kriegs an der Ermordung von bis zu 800.000
Juden beteiligt waren. Das entscheidende Wort im Zusammenhang mit Melnyks
Einlassung ist hier: „beteiligt“.
Der Historiker Grzegorz Rossoliński-Liebe weist Bandera für die während
seiner Abwesenheit in den Jahren 1943/44 durch den militärischen Arm der
OUN an 70.000–100.000 Polen verübten Morde in Wolhynien und Ostgalizien
eine „moralische Verantwortung“ zu: „Die ‚Säuberung‘ der Ukraine von
Juden, Polen, Russen und anderen ‚Feinden‘ der Organisation war
zentraler Bestandteil seiner Ziele.“
## Melnik erweist der Ukraine keinen Dienst
Es gibt also derzeit in der Tat keine Belege dafür, „dass Bandera-Truppen
Hunderttausende Juden ermordet haben“, wie Botschafter Melnyk sagt. Es gibt
aber sehr wohl viele Belege dafür, dass Bandera-Truppen viele Juden
ermordet haben. Angehörige der Organisation, der Bandera vorstand und die
das „B“ seines Nachnamens trug, beteiligten sich aktiv an der
Vernichtungspolitik der Nazis.
Die Klarstellung des ukrainischen Außenministeriums zeigt: Die ukrainische
Regierung ist sich bewusst, dass Botschafter Melnyk mit seinen
Relativierungen seinem Land keinen Dienst erweist.
1 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=JVEGR7apzoI
[2] /75-Jahre-Nazi-Massaker-von-Babi-Jar/!5340549
[3] https://web.archive.org/web/20160519062253/http://www.zeit.de/2001/26/20012…
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ukraine
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Shoa
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ukraine
Russland
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Holocaust
## ARTIKEL ZUM THEMA
Beziehungen zwischen Polen und Ukraine: In der Not vereint
Das Verhältnis zwischen Polen und der Ukraine ist traditionell nicht
einfach. Doch seit Putins Angriffskrieg stehen beide Länder eng zusammen.
Ukrainischer Botschafter Melnyk: Überfällige Abberufung
Der ukrainische Deutschland-Botschafter Melnyk soll seinen Posten
verlieren. Das ist richtig, er hat mit seinem Bandera-Kult zu viel Schaden
angerichtet.
Buch über die Ukraine: Ein Ringen um das Eigene
Das Buch „Die Frontlinie“ des Historikers Serhii Plokhy beantwortet
drängende Fragen zur Ukraine als Schauplatz des Ost-West-Konflikts.
+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Moskau meldet Sieg um Luhansk
Russland hat nach eigenen Angaben die Stadt Lyssytschansk erobert und damit
das Gebiet Luhansk unter Kontrolle. Ukraine greift besetztes Melitopol an.
Forscher:innen über Ukrainistik: „Hundert Jahre Stereotypisierung“
Andrii Portnov und Bozhena Kozakevych arbeiten am bundesweit einzigen
Lehrstuhl für ukrainische Geschichte. Es gebe noch große Wissenslücken,
kritisieren sie.
75 Jahre Nazi-Massaker von Babi Jar: Gedenken streng verboten
Ein Dreivierteljahrhundert ist eines der blutigsten Naziverbrechen an den
Juden nun her. Zu Sowjetzeiten wurde die Erinnerung getilgt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.