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# taz.de -- Beziehungen zwischen Polen und Ukraine: In der Not vereint
> Das Verhältnis zwischen Polen und der Ukraine ist traditionell nicht
> einfach. Doch seit Putins Angriffskrieg stehen beide Länder eng zusammen.
Bild: Medyka, Südostpolen im April 2022: Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukr…
Warschau taz | Als Russlands Armee am 24. Februar die Ukraine überfiel,
löste dies eine spontane und gigantische Hilfsaktion in Polen aus. Tausende
Polen fuhren mit ihren Pkws an die polnisch-ukrainische Grenze und boten
kostenlose Transportdienste an, andere bauten direkt hinter den
Grenzübergängen Zelte auf und schenkten heiße Suppe, Kaffee und Tee aus.
Wieder andere organisierten Medikamente, Babywindeln und Kuscheltiere.
Vor allem aber brachten sie ein großes Herz mit. Wer auch immer von den
Ukrainerinnen sich ausweinen wollte, fand Trost und offene Arme, selbst bei
zuvor völlig Unbekannten. Das hat mit der polnischen, noch immer sehr
schmerzlichen Erinnerung an den deutsch-sowjetischen Überfall auf Polen im
September 1939 zu tun.
Jedes Jahr am 1. September erinnert Polen an die [1][Attacke deutscher
Sturzkampfbomber auf das Städtchen Wieluń] bei Lodz, wenig später auch an
den Beschuss der polnischen Westerplatte bei Danzig durch das deutsche
Schulschiff „Schleswig-Holstein“.
An den sowjetischen Überfall am 17. September kann Polen nicht an den
Originalschauplätzen erinnern – beispielsweise in den einst polnischen
Städten Lemberg, Grodno oder Wilna – da Stalin die gesamte Kriegsbeute aus
dem Hitler-Stalin-Pakt aufteilte. Heute liegen diese Städte in der
Ukraine, in Belarus und in Litauen. Gebietsrückforderungen gibt es in
Polen keine, da das Land mit ostdeutschen Gebieten entschädigt wurde.
## Putins Propaganda zündet nicht
So lief die Putin’sche Propaganda auch ins Leere: Am 24. Februar 2022
wollte Russland den Ukrainern weismachen, dass Moskau und Warschau einen
Pakt geschlossen hätten, um die Ukraine so aufzuteilen, wie dies 1939
Hitler und Stalin mit Polen getan hatten. Es gelang Putin nicht, Polen und
die Ukraine zu entzweien.
Dabei ist die polnisch-ukrainische Vergangenheit von nationalistischen
Konflikten durchsetzt. Das polnische Trauma geht auf die [2][Massaker von
Wolhynien] und Ostgalizien zurück, in denen die Ukrainische Aufständische
Armee (UPA) von 1943 bis zum Kriegsende 60.000 bis 80.000 Polen ermordete –
Kinder, Frauen und Männer. Der UPA-Anführer Stepan Bandera strebte eine
souveräne Ukraine ohne nationale Minderheiten an. Aus Rache ermordeten
Polen rund 10.000 bis 15.000 Ukrainer.
Weder Hitler noch Stalin hatten ein Interesse an einer unabhängigen
Ukraine, aber auch Polen war dagegen. Nach 1945 verschwand die Ukraine als
Sowjetrepublik hinter dem Eisernen Vorhang, Polen aber siedelte in der
„Aktion Weichsel“ 1946 alle in Südostpolen lebenden Ukrainer zwangsweise
um. Nur ein bis zwei ukrainische Familien je Dorf waren erlaubt.
## Aufarbeitung auch nach 1989/1990 schwierig
Die Aufarbeitung der [3][schwierigen Geschichte] zog sich auch nach der
politischen Wende 1989/1990 lange hin. Einen Rückschlag erhielt der
Versöhnungsprozess, als Polens Rechte behauptete, dass die
Wolhynien-Massaker ein „Völkermord an den Polen“ gewesen seien, und als
2010 der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko in seinen letzten
Amtstagen plötzlich Stepan Bandera zum „Helden der Ukraine“ erklärte.
Im aktuellen Krieg unterstützt Polen die von Russland überfallene Ukraine
mit allen Mitteln – militärisch, humanitär und finanziell. Die Erinnerung
an die grausame Sowjetbesatzung verbindet beide Nationen stärker, als sie
der Streit über Bandera und den „Völkermord“ trennen könnte.
24 Aug 2022
## LINKS
[1] /80-Jahre-Kriegsbeginn/!5619326
[2] /Genozid-Resolution-in-Polens-Parlament/!5321550
[3] /Polnisch-ukrainische-Beziehungen/!5481076
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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