# taz.de -- Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen: Erst Lager, dann Asylprozess | |
> Die EU will Asylsuchende an den Außengrenzen in Zentren registrieren und | |
> dort für Tage festhalten. Die Idee geht auf Ex-Innenminister Seehofer | |
> zurück. | |
Bild: Auszug aus dem zerstörten Camp von Moria im September 2020 | |
BERLIN taz | Physisch da – aber offiziell nicht eingereist: So sollen in | |
Zukunft alle Asylsuchenden behandelt werden, die die [1][EU-Außengrenzen] | |
überschreiten. Einen entsprechenden Beschluss fasste am Mittwoch der | |
Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten, eine Arbeitsgruppe | |
des EU-Rates. Mit der Reform rückt die Einführung der sogenannten | |
Screening-Verordnung der EU näher. Die wiederum ist Grundlage für den | |
Aufbau neuer Registrierungszentren für ankommende Asylsuchende an den | |
Außengrenzen. | |
Die Lager sollen die derzeit existierenden „Hotspots“ ablösen. Dabei wird | |
ein juristischer Trick angewandt, die so genannte Fiktion der | |
Nichteinreise. Damit soll verhindert werden, dass die Ankommenden sich auf | |
das nationale Asylrecht des Einreiselandes berufen können. Stattdessen | |
sollen sie einer Art exterritorialem Vorprüfungsverfahren unterworfen | |
werden. Dabei wird entschieden, ob der Zugang zu einem regulären | |
europäischen Asylverfahren überhaupt gewährt wird. | |
Die neuen Screening-Zentren sind Teil des im September 2020 von der | |
Kommission vorgelegten [2][EU-Migrationspakts]. Sie gehen zurück auf eine | |
Idee der deutschen Ratspräsidentschaft in jenem Jahr – und entstammen somit | |
dem Haus des damaligen deutschen Innenministers Horst Seehofer (CSU). | |
„Das Screening umfasst Identifizierungs- und Sicherheitskontrollen, aber | |
auch Gesundheitskontrollen und Prüfungen der Schutzbedürftigkeit“, heißt es | |
in der Mitteilung des EU-Rates vom Donnerstag. Es soll „in der Regel in der | |
Nähe der Außengrenzen“ vorgenommen werden und dürfe „höchstens fünf Ta… | |
dauern. In dieser Zeit müssten die Personen den nationalen Behörden „zur | |
Verfügung stehen“ – eine dezente Umschreibung für die in der Regel geplan… | |
Internierung. Alle Betroffenen würden nach dem Screening den für Asyl oder | |
für Umsiedlung oder Rückkehr zuständigen Behörden zugeführt, so der Rat. | |
## Kritik an „De-facto-Haftlagern“ | |
Wer aus einem Land stammt, aus dem weniger als ein Fünftel der Asylanträge | |
im EU-Schnitt Erfolg hat, kommt dabei in das sogenannte Grenzverfahren: ein | |
beschleunigtes Prozedere in geschlossenen Lagern, an dessen Ende binnen 12 | |
Wochen die Anerkennung oder – wahrscheinlicher – die Abschiebung steht. | |
Dieses Prozedere betrifft die Mehrzahl der Herkunftsländer. | |
Pro Asyl kritisierte den Beschluss scharf und sprach von einer | |
„verpflichtenden Einführung von De-facto-Haftlagern an Europas Grenzen“. | |
Die Ampel habe im Koalitionsvertrag versprochen, das Leid an den | |
Außengrenzen zu beenden. Stattdessen trage sie Veränderungen auf EU-Ebene | |
mit, die „in beispielloser Geschwindigkeit unter strikter Geheimhaltung“ | |
umgesetzt würden. „[3][Haft darf nicht zum Standard an Europas Grenzen] | |
werden“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günther Burkhardt. | |
23 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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