# taz.de -- Gedenkveranstaltung für Klaus Pierwoß: Erinnerung an einen Kämpf… | |
> Das Theater Bremen erinnert an seinen ehemaligen Generalintendanten. An | |
> Pfingsten war Klaus Pierwoß im Alter von 79 Jahren gestorben. | |
Bild: Klaus Pierwoß 2005 mit Schauspielerin Sabine Postel bei einer Aktion zum… | |
Bremen taz | Letzter Kontakt war [1][die Sache mit Werder] gewesen, und | |
vielleicht ist das der Grund, weshalb vom Verein niemand bei der | |
Gedenkfeier am Theater Bremen redet: Fußball ist zwar an sich die | |
langweiligste Sache der Welt, aber es gibt viele, die sie toll finden. Auch | |
Klaus Pierwoß, an Pfingsten im Alter von 79 Jahren gestorben, von 1994 bis | |
2007 Generalintendant des Theaters Bremen. Er brannte dafür. | |
Und er war, obwohl schwer krank, stocksauer: Aus einem Berliner Klinikum | |
hatte er vergangenen Sommer angekündigt, seine Ehrenmitgliedschaft beim | |
Sportverein zurückzugeben, dessen Fan er spätestens war, seit Meppen, sein | |
Heimatklub, in der Bedeutungslosigkeit versank. Auf die Zinne gebracht | |
hatte ihn, wie die Vereinslegende Thomas Schaaf vom Hof gejagt worden war. | |
„So kann man nicht mit einem langjährigen Trainer umgehen“, bezog er klar | |
Position. | |
Na, was anderes wäre für ihn auch nie infrage gekommen: Die „unbestechliche | |
Unbotmäßigkeit“, die er seinem bewunderten Vorvorgänger Kurt Hübner, dem | |
bedeutendsten deutschen Theatermacher der zweiten Hälfte des 20. | |
Jahrhunderts, attestierte, die charakterisierte ihn natürlich auch selbst. | |
Und offensichtlich scheint auch, dass die Art, wie der damals frisch | |
abgestiegene Bremer Bundesligaklub mit seinem, also Pierwoß’ Freund | |
verfuhr, ihn an den eigenen Abgang von der Weser erinnerte: „Ich wurde | |
behandelt, wie ein alter Hund, den man vom Hof treiben wollte“, hat er das | |
seinerzeit resümiert. Und das stimmt. Der CDU-Kultursenator wollte eher | |
einen von den Managertypen mit Yuppie-Anmutung, die der dicke Klaus | |
zutiefst verachtete: Als Nachfolger wurde dann auch tatsächlich ein | |
glamouröser Putinfreund und Weichspüler installiert, hielt sich zwei Jahre, | |
war dann futsch. | |
## Offensiv kulturpolitisch | |
Und ganz im Sinne des CDU-Kultursenators hatte der Weser-Kurier [2][eine | |
schäbige Kampagne gegen den Theaterchef] gefahren. In den letzten Jahren | |
sei es mit der Qualität der Oper kontinuierlich bergab gegangen, wurde da | |
vom Kulturressortchef des Quasimonopolblatts behauptet – und um nicht zu | |
sehr in den Selbstwiderspruch zu geraten, wurden online publizierte | |
Opernkritiken der neuen Realität durch „leise Korrekturen“ angepasst, wie | |
der Betreffende sich rechtfertigte. Nun denn. Sind alle tot. Die hat | |
Pierwoß wenigstens überlebt. | |
Weiß schon, ist unüblich, an solche Streitigkeiten noch mal zu erinnern, | |
posthum. Aber Pierwoß hat sich während seiner gesamten Zeit in Bremen gegen | |
die Unterfinanzierung und Spartenschließungen wehren müssen. Die | |
kulturpolitische Rolle, die ihm so aufgedrängt worden sei, habe er | |
„offensiv und lustvoll angenommen“, hat er mal eingeräumt. Mit | |
Boxhandschuhen ließ er sich ablichten: Das Kämpferimage gefiel ihm. Und | |
vermutlich hat der zehrende Dauerstreit auch die nötigen Kräfte | |
freigesetzt, um zu beweisen: Es gibt nur eine Finanz-, keine Bühnenkrise. | |
Pierwoß gelang es, das Theater als Ort opulenter Fülle in Szene zu setzen, | |
mit einer Vielfalt der Regiehandschriften und einer irren Schlagzahl an | |
Produktionen: elf Opernuraufführungen binnen 13 Spielzeiten, wo gibt’s denn | |
so was? | |
In Tübingen, in Köln und in Berlin am Gorki war Pierwoß auch tätig gewesen. | |
Aber Theatergeschichte geschrieben und Stadtgeschichte ins Bewusstsein | |
gerückt hat er in Bremen – am greifbarsten durch [3][die Erschließung der | |
NS-U-Bootfabrik „Bunker Valentin“]. Ohne Hans Kresniks spektakuläre | |
Inszenierung von Karl Kraus’ „Die letzten Tage der Menschheit“ in diesem | |
Betonkoloss wäre das Leid der Zwangsarbeiter, die ihn errichten mussten, | |
wohl noch immer verdrängt, ganz sicher aber der Bau nicht als Mahnmal | |
gesichert. Das also bleibt für alle. Und für jeden einzelnen die Bilder im | |
Kopf, von unvergesslichen, politisch wachen Theaterproduktionen, die er nie | |
selbst gestaltet, aber immer ermöglicht hat. | |
1 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /So-kann-man-nicht-mit-einem-langjaehrigen-Trainer-umgehen/!5800898/ | |
[2] /CDU-fordert-Publikumsbefragung/!5558123 | |
[3] /Denkort-Bunker-Valentin/!5246086 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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