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# taz.de -- Erdbeben und Flut in Afghanistan: In der Gewalt der Natur
> Erdbeben und Überflutungen fordern in Afghanistan hunderte Todesopfer.
> Einige Dörfer sind komplett zerstört. Hilfe aus dem Ausland läuft
> allmählich an.
Bild: Ein Taliban-Hubschrauber, der Hilfe ins Kastrophengebiet gebracht hat, ve…
Berlin taz | [1][Im afghanischen Erdbebengebiet] sind am Donnerstagmittag
erste Hilfslieferungen der UN aus Kabul eingetroffen. Zelte, Decken,
Kleidung und Nahrungsmittel für 4.000 Menschen wurden mit Lkws in den am
schlimmsten betroffenen Distrikt Gian in der Provinz Paktika gebracht.
Sintflutartige Regenfälle in 18 der 34 Provinzen Afghanistans erschweren
den Zugang zur Katastrophenregion. Auch die Telefonverbindungen sind
ausgefallen.
Die meiste Hilfe kommt aber von Menschen in der Region selbst und in
Nachbarprovinzen sowie von „örtlichen Institutionen“, bestätigte Necephor
Mghendi, Chef des Afghanistan-Büros der internationalen Föderation der
Rot-Kreuz- und Roter-Halbmond-Gesellschaften. In Paktikas Hauptstadt
Scharana, etwa 50 Kilometer Luftlinie vom Epizentrum entfernt, haben die
örtliche Wohlfahrtsunion und Geschäftsleute in Kooperation mit örtlichen
Taliban-Behörden ein Sammelzentrum für Soforthilfe eingerichtet. Bisher
wurden 200.000 Afghani (etwa 2.000 Euro), Medikamente und Nahrungsmittel
gesammelt.
Afghanische Nachrichtenagenturen berichteten über lange Schlangen von
Blutspendern in den benachbarten Provinzen Logar und Paktia. An der
Organisation beteiligen sich die örtlichen Taliban-Abteilungen für
Information und Kultur, Journalist:innen und Student:innen. In der
Provinz Kunar spendeten auch Schüler:innen Blut. Der afghanische
Kricketstar Raschid Chan hat eine Fundraising-Kampagne gestartet. Auch
jüngst exilierte Afghan:innen und die Diaspora sammeln Geld.
Am Donnerstag wurden neue Opferzahlen bekannt. UN-Schätzungen zufolge
sollen 770 Menschen getötet und 1440 verletzt worden sein. Am Mittwoch
hatte der Chef der Informationsabteilung in der Provinz Paktika, Muhammad
Amin Hasifi, von über 1.000 Toten und mehr als 1.500 Verletzten gesprochen.
## Sofort begraben
Die vom Exil aus weiter betriebene afghanische Onlinezeitung Etilaat Roz
schrieb unter Berufung auf lokale Quellen, dass das Erdbeben in den
Provinzen Paktika und Chost 1.500 Häuser in 14 Dörfern zerstört habe. Im
Distrikt Gian allein seien zwei Dörfer, in denen 150 Familien lebten,
vollständig zerstört worden. Die UN sprachen am Donnerstag von 1500
zerstörten oder beschädigten Häusern allein in Gian.
Aus dem Distrikt Barmal hätten Einwohner berichtet, dass allein dort 600
Menschen getötet und mehr als tausend verletzt sowie über 800 Häuser
zerstört worden seien. Auch im Distrikt Spera (Chost) seien mehrere Dörfer
vollständig zerstört worden. Hekmatullah Esmat, Chef der
Taliban-Gesundheitsbehörde von Paktika, sprach von 500 komplett und 3.000
teilweise zerstörten Häusern in der gesamten Provinz. Er sagte, die
endgültige Zahl der Opfer sei unklar, da viele Verletzte aus abgelegenen
Gebieten noch nicht in Kliniken gebracht werden konnten und Überlebende
ihre getöteten Angehörigen nach islamischem Brauch sofort begraben hätten.
Aber selbst die Kapazitäten der Krankenhäuser in den Provinzzentren reichen
nicht aus. Ein Arzt aus Paktika sagte der BBC: „Wir hatten vor dem Beben
nicht genügend Leute und Einrichtungen. Jetzt hat das Erdbeben das
ruiniert, das wir hatten. Ich weiß nicht, wie viele unserer Kollegen noch
am Leben sind.“
Die von den Taliban kontrollierte staatliche Nachrichtenagentur Bachtar
schrieb: „36 Stunden sind seit der tödlichsten Naturkatastrophe im Distrikt
Gian vergangen. Die Menschen des Distrikts trauern, begraben ihre
Angehörigen und kehren in ihre zerstörten Häuser zurück, um die
verbliebenen Leichen unter den Trümmern zu entfernen.“ Die Zahl der Opfer
dürfte also noch höher liegen als bisher bekannt.
## 1.000 Euro für ein Todesopfer
Ministerpräsident Muhammad Hassan Achund gab unterdessen bekannt, die
Taliban-Regierung habe 100 Millionen Afghani (etwa eine Million Euro) als
Soforthilfen zur Verfügung gestellt. 100.000 Afghani (1.000 Euro) sollen
für jeden Toten, die Hälfte für Verletzte direkt an die Familien gehen.
[2][International kamen erste Hilfsgüter aus Pakistan]. Der Nachbar hat
auch zwei Grenzübergänge, Ghulam Chan in Chost und Angur Ada in Paktika,
geöffnet, damit Verletzte in örtliche Kliniken gebracht werden und Helfer
ins Nachbarland reisen können. Usbekistan hat den Stützpunkt Termes für
internationale Hilfe geöffnet.
Auch Katar, Iran und China schicken Hilfe oder haben das angekündigt. Aus
Deutschland organisieren die Welthungerhilfe, die Caritas, Terre des hommes
und der Afghanische Frauenverein über ihre örtlichen Büros Hilfe.
Das Erdbeben ist nicht die einzige Naturkatastrophe in Afghanistan. Neben
einer Heuschreckeninvasion an der Grenze zu Iran kam es in den vergangenen
Tagen zu Überflutungen in 18 der 34 Provinzen des Landes. Unabhängige
Quellen bestätigen Tote. Aber sie halten die Taliban-Angaben von 400 Toten
für zu hoch.
Assem Mayar, Spezialist für Klimafragen in Afghanistan und früherer Dozent
am Kabuler Polytechnischen Institut, sagte der taz, die Zahlen seien
„unrealistisch“, da sie nicht durch Bildmaterial belegt seien.
23 Jun 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Thomas Ruttig
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