# taz.de -- Hotel-Boom in Berlin: Monopoly für Fortgeschrittene | |
> Mindestens 151 Hotels sollen aktuell in Berlin gebaut werden. Dabei | |
> braucht es dringend Wohnraum. Die Grünen fordern ressortübergreifendes | |
> Umlenken. | |
Bild: Raum gibt es in Berlin für Touris statt für Bewohner*innen | |
Berlin taz | Was Berlin braucht: günstige Wohnungen. Was in Berlin gebaut | |
wird: teure Hotels. Und davon reichlich: Mindestens 151 neue Hotels und | |
Hostels sind derzeit in Planung oder werden ausgebaut. 56 der Projekte sind | |
komplette Neubauten, 23 werden erweitert, 76 der „Beherbergungsbetriebe“ | |
entstehen in umgenutzten Gebäuden. Das geht aus der Antwort auf eine | |
[1][schriftliche Anfrage des Grünen-Abgeordneten Julian Schwarze] zum Thema | |
„Geplante Hotelneubauten und -schließungen in Berlin“ hervor. | |
Die Tabelle der neu geplanten Hotels umfasst sieben Seiten und ist dabei | |
nicht einmal abschließend, wie es heißt. 97 der Bauvorhaben sind bereits | |
genehmigt oder haben einen Vorbescheid bekommen, versagt wurde nur ein | |
einziges Projekt. Geplant sind neue Hotels und Hostels stadtweit. Ein | |
Schwerpunkt liegt allerdings in Mitte, wo allein 34 neue Standorte | |
entstehen sollen. Weitere Schwerpunkte sind Pankow und Lichtenberg, wo | |
jeweils 28 neue Hotels und Hostels gebaut werden sollen. In | |
Tempelhof-Schöneberg sind 16 Touri-Unterkünfte geplant, in | |
Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Marzahn-Hellersdorf jeweils 9 – und | |
selbst im Außenbezirk Treptow-Köpenick sind 20 in Planung. | |
Die genaue Betten- oder Zimmerzahl ist bei knapp der Hälfte der Projekte | |
nicht angegeben. Beim anderen Teil liegt sie schon bei rund 8.500 Zimmern | |
und etwa doppelt so vielen Betten. Viel Raum also dafür, dass die Hotels | |
während der Pandemie kaum gebraucht wurden, aber die Wohnungsnot umso | |
akuter ist. [2][Laut neuesten Zahlen] aus dem März waren die knapp 140.000 | |
Betten in Berlin zuletzt zu weniger als einem Drittel belegt, wobei die | |
letzten Corona-Maßnahmen noch ihren Teil dazu beigetragen haben dürften. | |
Aber selbst vergangenen Sommer lag die Auslastung bei rund 50 Prozent und | |
auch im Januar und Februar vor der Pandemie stand fast die Hälfte der | |
Betten leer. | |
Entsprechend schockiert war der Grünen-Abgeordnete Schwarze ob der vielen | |
neu geplanten Hotels, wie er der taz sagte: „Damit hatte ich nicht | |
gerechnet. Wir brauchen die Grundstücke eigentlich für den Bau von | |
bezahlbarem Wohnraum.“ Schwarze fordert einen Stadtentwicklungsplan | |
Tourismus, der umlenken soll, weil bereits die vorhandenen Betten nicht gut | |
ausgelastet seien. | |
## Rot-Grün-Rot in der Pflicht | |
Angefragt hatte Schwarze, weil es aus der Branche hieß, dass es wegen | |
Corona viele Standortaufgaben gegeben habe. Das geben die Zahlen aus den | |
Bezirken nur bedingt her: Demnach sind gegenüber den 152 geplanten nur 26 | |
Beherbergungsbetriebe bekannt, die dauerhaft geschlossen wurden oder deren | |
Nutzung umgewandelt wurde. Die Pandemie ist dabei nur vereinzelt als Grund | |
für die Aufgabe angegeben, wobei diese auch nur teilweise erfasst sind. | |
In Wohnraum wurde lediglich ein Zimmer umgewandelt, soweit bekannt. | |
Immerhin ein länger leerstehendes Hotel wird nun auch zum Studentenwohnen | |
genutzt. Ein großer Teil der Hotels wurde aber wiederum in Hostels oder | |
Apartmentwohnungen umgewandelt oder zur gewerblichen Nutzung verkauft. | |
Immerhin wurden einzelne Hotels auch für Geflüchtete oder wohnungslose | |
Menschen umgenutzt. | |
Angesichts fehlender Auslastung „scheint es mir nicht sinnvoll, die | |
Bettenkapazitäten zu erhöhen“, sagt Schwarze, zumal touristische | |
Monostrukturen die Kieze negativ veränderten. Er fordert, bei der Planung | |
und in der Genehmigungspraxis umzusteuern, wie es im aktuellen | |
rot-grün-roten Koalitionsvertrag festgehalten ist. Das hatte zwar bereits | |
die vorherige rot-rot-grüne Koalition geplant, aber Corona habe das | |
verhindert. | |
Nun sei die jetzige Koalition in der Pflicht: „Corona und die Folgen geben | |
uns die Chance umzusteuern. Wenn wir Tourismus besser planen wollen, müssen | |
wir an die Umsetzung.“ Schwarze fordert einen Stadtentwicklungsplan | |
Tourismus, der in den beteiligten Verwaltungen und den Bezirken abgestimmt | |
werden soll. Zudem brauche es in Bezirken mehr Kapazitäten, um die | |
Bebauungspläne zu ändern. | |
Katalin Gennburg von der Linken fordert bereits [3][länger einen | |
„Hotelneubaustopp“], um innerstädtische Grundstücke „für Wohnraum plus | |
Grünräume statt Hotelhalligalli“ zu nutzen, wie sie der taz sagte. Der von | |
angestrebte Hotelentwicklungsplan sei in der vergangenen Legislatur | |
allerdings zwischen der grünen Wirtschaftsverwaltung und der linken | |
Bauverwaltung hin und her geschoben worden. Zudem fehle es an | |
Problembewusstsein in den Bezirken. | |
24 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-11… | |
[2] https://download.statistik-berlin-brandenburg.de/cc85c3a68ae87891/6748fc607… | |
[3] http://katalingennburg.de/wp/2019/03/06/keine-weiteren-hotels-in-berlin-ein… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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