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# taz.de -- Künstlerkollektiv Taring Padi: Gruppe fühlt sich missverstanden
> Taring Padi berufen sich angesichts der Vorwürfe auf die Tradition
> indonesischer Protestkunst. Von der Kritik scheint das Kollektiv
> überrascht.
Bild: Erst verhüllt, dann ganz abgebaut: Das Banner „People's Justice“ am …
Berlin taz | Mit Schweineköpfen gezeichnete Menschen? 1991 brachte eine
indonesische Umweltgruppe einen posterartigen Jahreskalender heraus, der
in einem Wimmelbild die Suharto-Diktatur mit drastischen Bildern
kritisierte: Dessen Schergen waren als Soldaten mit Schweineköpfen
dargestellt, auch die Wirtschaftselite bekam Tierköpfe
(„Kapitalistenschweine“). Die blutrünstige Soldateska erhielt übergroße
Zähne.
Der Kalender war eine Provokation. Er brachte der Gruppe und dem Künstler
Yayak Yatmaka Anerkennung in oppositionellen Kreisen des Landes und im Exil
ein. Dort musste der indonesische Künstler dann auch fortan die Restzeit
der Suharto-Diktatur verbringen. Seine Werke zierten fortan noch
Publikationen der Solidaritätsbewegung. Sein Stil ist mit den
indonesischen Künstler*innen, die jetzt in Kassel für den Eklat sorgen,
vergleichbar. Sie sind seit Jahren befreundet.
Es sind drastische Karikaturen, deren begrenzte Stilform man in der
dauernden Wiederholung langweilig finden mag, zumal sie bewusst nicht
ästhetisch ansprechend sind. Sie sind Ausdruck einer politischen
Protestkultur, oder wie es jetzt Taring Padi formuliert, „Teil einer
Kampagne gegen Militarismus und die Gewalt, die wir während der 32-jährigen
Militärdiktatur Suhartos in Indonesien erlebt haben und deren Erbe, das
sich bis heute auswirkt“.
Suharto kam 1965/66 mit einem Blutbad an die Macht, bei dem rund eine
Million Menschen getötet wurden. Westliche Regierungen einschließlich der
Deutschen haben dies geduldet und Suharto (Helmut Kohl: „mein Freund“)
jahrelang unterstützt. „Die Darstellung von Militärfiguren auf dem Banner
ist Ausdruck dieser Erfahrungen“, erklärt Taring Padi. „Alle auf dem Banner
abgebildeten Figuren nehmen Bezug auf eine im politischen Kontext
Indonesiens verbreitete Symbolik, zum Beispiel für die korrupte Verwaltung,
die militärischen Generäle und ihre Soldaten, die als Schwein, Hund und
Ratte symbolisiert werden, um ein ausbeuterisches kapitalistisches System
und militärische Gewalt zu kritisieren.“
## Kollektiv zeigte sich überrascht von der Kritik
Nur wenige Menschen in Indonesien setzen sich mit Judentum und
Antisemitismus auseinander. Die palästinensische Bewegung hingegen ist in
dem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt durchaus ein
Thema. Zudem haben seit Suhartos Sturz islamistische Strömungen an Einfluss
gewonnen. Doch sind nach taz-Information rund die Hälfte der Mitglieder von
Taring Padi christlich oder buddhistisch, was natürlich Antisemitismus
nicht per se ausschließt
Aber der in Teilen antisemitischen Bildsprache der Künstler jetzt tiefere
Intention zu unterstellen, verkennt die innenpolitische Hintergründe dieser
Protestkunst. Die antisemitische Symbolik fußt eher auf Naivität und
Unwissen, vor allem auch über den Kontext der Wahrnehmung dieser Symbole in
der zu Recht von besonderer Empfindlichkeit geprägten deutschen
Öffentlichkeit.
Von der Kritik an der antisemitischen Bildsprache scheint das Kollektiv
überrascht worden zu sein. „Wir sind traurig darüber, dass Details dieses
Banners anders verstanden werden als ihr ursprünglicher Zweck“, heißt es in
ihrer Erklärung. So hing das kritisierte Banner vor zwanzig Jahren schon in
Australien öffentlich aus, ohne dass es dort jemand störte.
In ihrem Statement äußert die Künstlergruppe nun die Hoffnung, dass die
umstrittene Installation in Kassel „der Ausgangspunkt für einen neuen
Dialog“ sein könne.
21 Jun 2022
## AUTOREN
Sven Hansen
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