# taz.de -- Einzelhandel auf dem Land: Treffpunkt Dorfladen | |
> Lebensmittellädchen auf dem Land sind eine aussterbende Spezies. Manchmal | |
> versuchen Einwohner, sie zu erhalten: ehrenamtlich oder als | |
> Gesellschafter. | |
Bild: Im Dorfladen Wallmow gehts um Lockenwickler, Schreibbedarf – und die Wu… | |
BIELEFELD taz | Spargel aus Kühbach, Bier aus Augsburg, Käse aus Friedberg, | |
Honig aus Stettenhofen, Öl aus Diedorf, Wurst aus Rehling – die Kunden des | |
[1][Dorfladens] Lützelburg freuen sich über die große Auswahl an regionalen | |
Produkten. „Diese Waren gibt es halt nicht überall. Außerdem ist der Kunde | |
eher bereit, für Erdbeeren aus der Region mehr zu zahlen als für Erdbeeren | |
von weit weg“, sagt Bernhard Christi, Geschäftsführer des Dorfladens. | |
In Lützelburg im Landkreis Augsburg leben etwa 1.600 Menschen. Jahrelang | |
gab es hier kein Lebensmittelgeschäft mehr. Bis 2019, als 120 Bürger als | |
stille Gesellschafter mit Anteilen von mindestens 200 Euro die Gründung des | |
Dorfladens ermöglichten. Im 140 Quadratmeter großen Verkaufsraum findet man | |
neben regionalen Waren auch Produkte von Edeka. Der monatliche Umsatz liegt | |
im Schnitt bei 38.000 Euro. | |
„Wir erreichen die schwarze Null, weil viele Ehrenamtliche zum Beispiel | |
beim Einräumen der Regale helfen“, sagt Christi. Seit im vergangenen Herbst | |
im 3 Kilometer entfernten Gablingen der letzte Lebensmittelmarkt | |
dichtgemacht hat, kommen mehr Kunden in den Dorfladen Lützelburg. Er ist | |
mit seinem Bistro auch ein beliebter Treffpunkt für die Einwohner. | |
Das Geschäft in Lützelburg ist einer von bundesweit rund 300 sogenannten | |
Bürgerläden – Dorfläden, die von den Einwohnern mitfinanziert werden. Sie | |
reagieren auf die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte auf dem Land: | |
Die Zahl der kleinen Lebensmittelgeschäfte – mit weniger als 400 | |
Quadratmetern Verkaufsfläche – ist in Deutschland drastisch zurückgegangen: | |
von über 66.000 im Jahr 1990 auf heute noch 8.500 Läden. | |
## Wichtig ist die Verbindung | |
Aber welche Erfolgschancen haben die neuen Bürgerläden? Dieser Frage ist | |
der Geograf Winfried Eberhardt vom Braunschweiger Thünen-Institut für | |
Ländliche Räume in der [2][Studie „Dynamik der Nahversorgung“] | |
nachgegangen. Dafür untersuchten er und seine Kollegen Dorfläden aus | |
Bayern, Niedersachsen und Thüringen. | |
Das Ergebnis: Bürgerläden funktionieren vor allem in Ortschaften ab 1.500 | |
Einwohnern bei einer Verkaufsfläche von mindestens 150 Quadratmetern. | |
Engagierte Betreiber wie auch Ehrenamtliche seien wichtig. „Haushalte, die | |
Anteile gezeichnet haben, nutzen den Laden verstärkt“, sagt Eberhardt. | |
Imbiss- und Catering-Angebote erhöhen die Attraktivität als Treffpunkt und | |
können den Ertrag verbessern. Von Bedeutung seien zudem die | |
Bezugsbedingungen beim Großhandel. | |
Bernhard Christi aus Lützelburg wird konkret: „Unsere Marge bei Waren von | |
Edeka liegt bei nur rund 15 Prozent, unser Einkaufspreis ist wegen der | |
geringeren Mengen ungünstiger als für Supermärkte“, sagt er und fügt hinz… | |
„Bei regionalen Produkten liegt die Marge für uns zwischen 30 und 50 | |
Prozent.“ Beim Preisniveau bewegt man sich laut Christi auf einem Niveau | |
mit Kaufland und Edeka: „[3][Mit Discountern können wir nicht mithalten.]“ | |
Dafür biete man in Lützelburg einen Lieferservice an, der vor allem von | |
älteren Menschen gern in Anspruch genommen werde. | |
## Nur mit staatlicher Förderung | |
Wichtig für den Erfolg sind auch Förderprogramme. Das Land Bayern etwa | |
unterstützt Dorfläden mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem | |
jährlichen Umsatz von unter 2 Millionen Euro mit einmaligen | |
Investitionszuschüssen. Jenseits der Grenze gibt es sogar noch mehr | |
Unterstützung: Das österreichische Bundesland Vorarlberg zahlt Läden mit | |
Gütern des täglichen Bedarfs, die maximal 400 Quadratmeter groß sind und | |
einen Jahresumsatz von unter 2,5 Millionen Euro haben, auch einen | |
jährlichen Betriebskostenzuschuss von im Schnitt 18.300 Euro. Mit dieser | |
Subvention soll die Existenz solcher Läden in entlegenen Gemeinden und | |
damit die Zukunft der Dörfer gesichert werden. | |
Die „[4][Vereinigung von Bürger- und Dorfläden in Deutschland]“ ist mit | |
mehr als 180 Mitgliedern der größte einschlägige Interessenverband. Er | |
vergibt den Titel „5 Sterne Dorfladen“, wenn folgende Kriterien erfüllt | |
sind: mindestens eine schwarze Null im Geschäftsabschluss und Bezahlung | |
über Mindestlohn, viele regionale Lieferanten, Fortbildung für die | |
Mitarbeiter, aktives Marketing mit Kundenbefragungen, Netzwerkarbeit. Unter | |
den ausgezeichneten Läden finden sich sowohl Genossenschaften, | |
haftungsbeschränkte Unternehmer-Gesellschaften – an denen sich Bürger als | |
stille Teilhaber beteiligen können – und Gesellschaften mit beschränkter | |
Haftung (GmbH). | |
Nicht selten betreiben Einzelpersonen Dorfläden, denen die Versorgung der | |
Bevölkerung am Herzen liegt. In Wallmow im brandenburgischen Landkreis | |
Uckermark etwa hat Ramona Fester 1990 den „Konsum“ übernommen, den sie | |
schon zu DDR-Zeiten leitete. Der hat täglich zwei bis drei Stunden geöffnet | |
und ist besonders bei Kindern von der Schule nebenan als auch bei Senioren | |
beliebt, die nach dem Einkauf die Sitzgelegenheiten vor dem kleinen | |
Dorfladen gern zu einem Plausch nutzen – der einzige Treffpunkt im | |
300-Einwohner-Ort. „Nach der Wende haben die großen Handelsketten in | |
Prenzlau ihre Supermärkte eröffnet. Da ging bei mir das Geschäft gleich | |
zurück“, erzählt Fester im Film „Alles, was man braucht“. | |
Die Regisseurin Antje Hubert stellt darin kleine Dorfläden aus Ost- und | |
Norddeutschland vor, die es mit Waren des täglichen Bedarfs vom Apfelsaft | |
bis zur Zahnbürste, mit regionalen Produkten und Unterstützung von Bürgern | |
geschafft haben, sich gegen Aldi, Lidl, Edeka und Co. zu behaupten. Ein | |
Ladenbetreiber aus Delve in Schleswig-Holstein bringt das im Film so auf | |
den Punkt: „Wir sind ja kein Konsumtempel, und das ist das Schöne daran.“ | |
Der Film ist zurzeit [5][auf Tour] – auch im ländlichen Raum – und wird zum | |
Beispiel diese Woche in Neustadt in Holstein und in Lehrte sowie in der | |
kommenden Woche in Großhennersdorf und in Starnberg gezeigt. | |
20 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Beduerfnis-nach-Tante-Emma-Laeden/!5851911 | |
[2] https://www.thuenen.de/de/lr/projekte/dynamik-der-nahversorgung-in-laendlic… | |
[3] /Steigende-Inflation/!5850250 | |
[4] https://dorfladen-netzwerk.com | |
[5] http://www.alleswasmb.de/ | |
## AUTOREN | |
Joachim Göres | |
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Antje Hubert hat sich auf die Suche nach Dorfläden in Norddeutschland | |
gemacht und erzählt angenehm ruhig von den Menschen, die sie betreiben. |