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# taz.de -- Deutschland und der Krieg in der Ukraine: Ziemlich viel Irritation
> Drei Exil-Chinesen tauschen sich aus über die Politik Berlins und den
> Krieg. Aus New York, aus Stockholm und vom Weg nach Berlin aus.
Bild: Mehr Duchblick mit Nachtsichtgerät?
[1][Drei Chinesen mit dem Kontrabass], standen auf der Straße und erzählten
sich was …“ Seit ich in Deutschland lebe, höre ich immer wieder die
Kinderreime, die fünf Vokale spielerisch variieren, damit die Jüngsten
irgendwann Deutsch, das wichtigste Kommunikationsmittel hierzulande,
richtig beherrschen. Die gesungene Geschichte ist freilich fiktiv,
beliebig. Die folgende ist es nicht.
Der eine Chinese in dieser Geschichte lebt in New York, die zweite in
Stockholm, der dritte bin ich. Irgendwann im Juni kommen wir drei, nicht
auf der Straße stehend, sondern im Internet ins Gespräch.
„Also ich verstehe nicht, was ihr Deutschen so treibt“, sagt der New
Yorker. „Erst [2][5.000 Stahlhelme an die Ukraine] schicken, mit
Verspätung, wohl um nicht in Kampfhandlungen involviert zu werden? Dann
sechs [3][Haubitzen] schenken, damit die Ukrainer sich mal richtig gegen
die Russen verteidigen können. Erst in aller Entschlossenheit ankündigen,
die deutsche Gas-Abhängigkeit von Moskau radikal zu reduzieren. Es sei
technisch gut machbar, habe ich gelesen. Dann erhalten die Russen aus
deutscher Kasse doch so viele Devisen. [4][Der Rubel steigt], anstatt in
den Keller zu rauschen. Was führt ihr Deutschen im Schilde?“
Daraufhin die „Stockholmerin“: „Pazifistisch sind auch wir Schweden, nicht
nur ihr Deutschen. Aber wenn es um unsere nationale Verteidigung geht, dann
haben wir auch als Sozialdemokraten kein Problem, Zähne zu zeigen. Wenn
unsere eigenen Zähne nicht reichen, [5][dann eben auch die der Nato], der
wir beitreten – Neutralität hin oder her, und ob unser Beitritt schon einen
Weltkrieg auslösen könnte oder nicht. Wer nicht zimperlich mit der Drohung
uns gegenüber ist, dem geben wir zurück, genauso wenig zimperlich.
Vielleicht ist es bei euch in Deutschland deshalb anders, weil ihr einen
Gerhard Schröder habt. Vergiss nicht, wir hier hatten einen Olof Palme.
Friedensliebender ging es da kaum noch.“
Zum Schluss kam ich, der ich gerade mit dem Zug von Trier nach Berlin
unterwegs war, an die Reihe: „Tu doch nicht so, als wärt Ihr Amis so
konsequent. Hat nicht Joe Biden von Anfang an gesagt, die Nato greift nicht
in den Krieg ein? Genau das passiert aber mit amerikanischen Waffen. Jeden
Tag mehr. Wirtschaftssanktionen brauchen Zeit, um zu wirken, das wisst ihr
so gut wie ich. Die Abhängigkeit nicht nur Deutschlands, sondern auch
Europas ging und geht zurück. Nicht schnell, aber deutlich genug.
Und was den Pazifismus in deinem Schweden angeht: Im Zweiten Weltkrieg ist
Schweden niemals Aggressor gewesen, Deutschland schon. Schweden hat die
früheren Sowjetstaaten im Krieg nie angegriffen und schwer zerstört.
Deutschland schon. Auch und gerade in der sowjetischen Ukraine wütete die
Wehrmacht und später die SS. Schweden war nie zweigeteilt, um – mit
Zustimmung aus Moskau – wieder vereinigt zu werden. Deutschland schon. Im
Kalten Krieg war Schweden nie Frontstaat, Deutschland schon, Ost wie West,
wo Pershing 2 versus SS 20 niedergehen könnten. Jederzeit.
Ihr beide habt lauter Fragen an mich über Deutschland. Die kann ich nicht
beantworten. Und ich habe noch viele mehr von der Sorte. Möchte einer von
euch es mal versuchen?“ Wir drei Chinesen erzählen uns noch eine ganze
Weile was. Es kommt keine Polizei, auch keine Internetpolizei, niemand
fragt: Ach, was ist denn das? Und was mich am meisten berührt: der
Kontrabass, Akademiker würden ihn als „Bezugsrahmen“ für uns drei
postulieren. Der ist, was äußerst selten vorkommt, ein zwiespältiges
Deutschland, das nichts in seiner Politik leicht variieren kann. Irgendwie
so frustrierend wie tröstlich.
19 Jun 2022
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=S8MhqTZ_flM
[2] /Befuerchtete-Invasion-durch-Russland/!5832101
[3] /Waffenlieferung-an-die-Ukraine/!5834701
[4] https://www.zeit.de/news/2022-05/17/starker-rubel-wie-putin-die-waehrung-ma…
[5] /Schwedens-geplanter-Nato-Beitritt/!5854695
## AUTOREN
ming shi
Shi Ming
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