# taz.de -- Wirtschaftliche Lage in Russland: Schuld ist immer der Westen | |
> Putin selbstgewiss: Beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg belächelt | |
> der russische Präsident die Sanktionen gegen sein Land. | |
Bild: Putin auf dem Wirtschaftsforum | |
MOSKAU taz | Der russische Präsident kommt gern zu spät. Dieses Mal, beim | |
25. Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg, sollen es Hacker gewesen sein, | |
die dem Auftritt von Wladimir Putin im Wege standen. Sie sollen das System, | |
das akkreditierte Journalist*innen kontrolliert, gestört haben. Die | |
Sitzung verschiebt sich. Und verschiebt sich. | |
„Immerhin etwas, das in unserem Land immer gleich bleibt“, spotten | |
Telegram-User. Derweil läuft Werbung über die Bildschirme. „Russland ist | |
eine Brücke für Dialoge. [1][Russland] steht ein für eine Welt ohne Kriege | |
und Konflikte. Wir müssen nicht zwischen Wir und Sie teilen, wir müssen | |
einander zuhören“, hallt es durch die Reihen. | |
Nach mehrstündigem Warten taucht der Präsident auf – und legt los mit | |
Schuldzuweisungen. Die Welt stehe vor neuen Herausforderungen, weil „unsere | |
Partner alle Regeln unterminiert haben“ – „ihres eigenen Ehrgeizes wegen�… | |
Die USA hielten sich für Gott und zwängen alle dazu, nach ihren Regeln zu | |
spielen. „Alle anderen halten sie für Völker zweiter Sorte.“ Eine solche | |
Welt „ist zu Ende“, raunt Putin. | |
Bereits im Grußwort zum Forum verwies der 69-Jährige auf „jahrelange Fehler | |
der westlichen Staaten in der Wirtschaftspolitik und die unrechtmäßigen | |
Sanktionen“, die zu einer „Welle der globalen Inflation, zur Zerstörung | |
gewohnter Liefer- und Produktionsketten, zu einem starken Anstieg der Armut | |
und zum Defizit bei Lebensmitteln“ geführt hätten. | |
## Es herrscht Deflation | |
An seinem Pult auf der Bühne spricht er von „Russophobie“, „sinnlosen und | |
gedankenlosen Sanktionen“, „einer propagandistischen Kampagne des Westens�… | |
Und: „Wir sind starke Menschen und können jede Aufgabe lösen, dafür spricht | |
unsere tausendjährige Geschichte.“ | |
So manche Meldung klingt – vordergründig – nach Erfolg. Der Rubel ist so | |
stark wie seit Jahren nicht mehr. Der Leitzins ist auf Vorkriegsniveau, die | |
Inflation ist gedrosselt. Eine völlige [2][Pleite der Sanktionen]? So | |
einfach ist es nicht. | |
Die russische Zentralbank sei zwar professionell mit der Bankenpanik | |
umgegangen, sagt die Wirtschaftsgeografin Natalja Subarewitsch von der | |
Moskauer Staatsuniversität. „Ganz nach Lehrbuch.“ Der größere Umbau stehe | |
allerdings noch bevor. De facto sei der Rubel nicht mehr konvertierbar, | |
sagt die Professorin. Der Kurs sei künstlich, von der Wirtschaftslage | |
losgelöst. | |
Russland nimmt derzeit mehr ein als es ausgeben kann. Zudem sind die Preise | |
für Öl und Gas enorm gestiegen. Die Menschen kaufen weniger. Nach | |
anfänglicher Inflation herrscht nun Deflation. Das Land braucht allerdings | |
Importe. Vor allem im Maschinenbau fehlt es an Ersatzteilen, auch im | |
Verkehr oder in der Energiewirtschaft. Die Produktion stockt, die | |
Arbeitnehmer*innen sind in Kurzarbeit. Manche wissen nicht, ob sie den | |
Arbeitsplatz danach behalten werden. | |
Die Statistik zur Wirtschaftsentwicklung hat der Staat indes zur | |
Geheimsache erklärt. „Die Disbalance zwischen Gesagtem und Tatsächlichem | |
ist gewaltig“, sagt Subarewitsch. „Der wirtschaftliche Krieg kann uns nicht | |
bezwingen“, betonte Putin in Petersburg. | |
Derweil wird in Deutschland die Debatte ums Energiesparen immer lauter. Die | |
Rede ist vom „gesetzlich verordneten Frieren“. „Zur Not“ natürlich. | |
„Unsinnig“ sei das, findet Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Nicht für | |
ausgeschlossen hält es Wirtschaftsminister Robert Hbeck (Grüne). | |
Da die Gasspeicher nach der Drosselung und der eventuell [3][drohenden | |
Einstellung russischer Gaslieferungen] durch die Nord-Stream-1-Röhre bis | |
zum Winter nicht voll gefüllt sein könnten, sprach Habeck von „weiteren | |
Maßnahmen zur Einsparung, zur Not auch gesetzlich“. Die Lage sei ernst. | |
Bundesnetzagentur, Wohnungswirtschaft und Städte- und Gemeindebund | |
forderten niedrigere Vorgaben zu Mindesttemperaturen in Wohnungen, um auf | |
Engpässe reagieren und Gas sparen zu können. | |
Vermieter sollten die Heizungsanlage während der Heizperiode nicht mehr auf | |
mindestens 20 bis 22 Grad hochstellen müssen, sondern die Vorgaben könnten | |
zeitweise sinken. Geywitz erwiderte: „In der Rechtsprechung sind 20 Grad | |
Minimum festgelegt.“ Alles darunter könne sogar gesundheitsgefährdend sein. | |
„Gerade Ältere, Pflegebedürftige und chronisch Kranke halten sich zu Hause | |
auf und sind besonders angewiesen auf beheizte Räume“, betonte auch Verena | |
Bentele, die Präsidentin des Sozialverbands VdK. Die Politik müsse für den | |
Winter „Lösungen finden, die nicht wieder Rentnerinnen und Rentner | |
benachteiligen.“ | |
17 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Inna Hartwich | |
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