# taz.de -- UN-Umweltkonferenz in Stockholm: Aufforderung zu kollektivem Handeln | |
> 50 Jahre nach der ersten Umweltkonferenz der Vereinten Nationen hat in | |
> der schwedischen Hauptstadt „Stockholm+50“ begonnen. Gibt es einen Grund | |
> zu feiern? | |
Bild: UN-Generalsekretär Guterres und Premiereministerin Andersson in Stockholm | |
STOCKHOLM taz | Unter dem Motto „Ein gesunder Planet für den Wohlstand | |
aller – unsere Verantwortung, unsere Chance“ findet am 2. und 3. Juni in | |
der schwedischen Hauptstadt die [1][UN-Umweltkonferenz Stockholm+50] statt. | |
Angereist sind neben UN-Generalsekretär António Guterres und der | |
UNEP-Direktorin Inger Andersen Delegationen aus 110 Ländern, an deren | |
Spitze auch zahlreiche UmweltminsterInnen. So aus Deutschland Steffi Lemke | |
und aus den USA John Kerry der Sondergesandte von Präsident Joe Biden für | |
das Klima. | |
Man wolle mit diesem Treffen nicht nur an die erste UN-Umweltkonferenz, die | |
1972 in Stockholm stattfand, erinnern, sagt Schwedens Klima- und | |
Umweltministerin Annika Strandhäll: Stockholm möchte gerne erneut „ein | |
Schauplatz sein, an dem die Richtung geändert und ein neuer Ton in der | |
globalen Zusammenarbeit für Klima, Umwelt und Entwicklung zum Wohle der | |
Menschen und des Planeten gesetzt werden soll“. | |
Es fehle nicht an Versprechen und Zusagen, die von allen Ländern gemacht | |
worden seien, „es hakt aber an der Umsetzung“, so die Ministerin: „Es muss | |
schneller mehr getan werden, damit wir den Trend umkehren können, und | |
deshalb ist es wichtig, dass sich die Welt versammelt, um das weitere | |
Vorgehen zu diskutieren.“ | |
So ähnlich klang das in Stockholm auch schon vor 50 Jahren. Und von den | |
vorwiegend jungen UmweltaktivistInnen, die 1972 dort protestierten und ihre | |
eigenen Teach-ins und Seminare veranstalteten, weil ihnen alles zu langsam | |
und unzureichend schien, hätte man sicher auch den berühmten „Blah, Blah, | |
Blah“- Vorwurf einer Greta Thunberg hören können. „Ich verstehe nicht, was | |
es da eigentlich zu feiern gibt“, fragt Thunberg nun angesichts des | |
Jubiläums. Sie fordert: „Wäre es nicht Zeit, mal etwas zu tun?“ | |
Die Gefahr sei groß, „dass dies ein weiteres Treffen mit gebrochenen | |
Versprechungen, Greenwashing und leeren Worten wird und wir diejenigen sein | |
werden, die mit den Konsequenzen leben müssen“, sagt Björn Fondén, der Teil | |
des Netzwerks Youth Task Force ist. „Wir können doch jetzt 50 Jahre später | |
das Ergebnis dieser gebrochenen Zusagen und Ankündigungen sehen.“ Das | |
enorme Wirtschaftswachstum für einen kleinen Teil der Weltbevölkerung habe | |
„auf Kosten unserer gemeinsamen Umwelt und Zukunft“ stattgefunden. Er | |
verweist auf den WWF, demzufolge die Zahl der Wildtiere seit den 1970er | |
Jahren um 70 Prozent zurückgegangen sei, während sich der | |
Kohlendioxidausstoß fast verdoppelt habe und fünf von neun planetarischen | |
Belastbarkeitsgrenzen bereits überschritten seien. | |
## Die planetare Krise | |
Die OrganisatorInnen von Stockholm+50 wollen das, was sie die „dreifache | |
planetare Krise“ nennen – Klima, Natur und Umweltverschmutzung – mit Hilfe | |
vertiefter multilateraler Zusammenarbeit bewältigen. Solch kollektives | |
Handeln erwies sich schon nach Stockholm 1972 als schwierig. | |
Und da habe noch relativ große Zuversicht geherrscht, dass man die Probleme | |
lösen könne, erinnert sich der schwedische Ex-Diplomat Göran Bäckstrand, | |
der an der Vorbereitung und Durchführung der damaligen Konferenz beteiligt | |
war. Nun sei das Vertrauen in das internationale System und die | |
konstruktive Rolle der Vereinten Nationen eher geringer geworden. | |
Allerdings sei das Klimathema damals von der Politik nicht richtig ernst | |
genommen worden, bedauert Bäckstrand, obwohl Klimaforscher wie Bert Bolin, | |
der später Mitbegründer des UN-Klimapanels IPCC und dessen erster | |
Vorsitzender wurde, auf den Zusammenhang zwischen fossilen Brennstoffen und | |
den Treibhauseffekt aufmerksam gemacht hätten. „Eine große Enttäuschung war | |
das.“ Die Konsequenz lässt sich in Zahlen fassen: Die CO2-Konzentration in | |
der Erdatmosphäre lag 1972 bei 327,47 ppm und erreichte im April 2022 | |
422,06 ppm. | |
Aber die Konferenz von 1972 habe dazu beigetragen, „ein globales | |
Bewusstsein für die Bedeutung des Umweltthemas für alle Staaten und | |
letztlich für die Menschheit zu schaffen“, betont Bäckstrand. Die große | |
Mehrheit der Staaten habe in den Folgejahren nationale Behörden | |
eingerichtet, die sich mit den komplexen Umweltproblemen befasst hätten. | |
Was er sich von Stockholm+50 erhofft? „Dass viel mehr Menschen einsehen, | |
dass jeder Tag, an dem wir nicht umdenken, ein verlorener Tag ist.“ | |
## Die erste Konferenz | |
Die erste Konferenz stand unter dem Motto „Only one Earth“. Delegationen | |
aus 113 der damals 127 UN-Mitgliedsländer nahmen teil. In der | |
Eröffnungsrede zu dieser Konferenz, für deren Zustandekommen seine | |
Regierung selbst die Initiative ergriffen hatte, [2][kritisierte Schwedens | |
damaliger Ministerpräsident Olof Palme] die „industrialisierte Welt“, in | |
der „jeder Einwohner rechnerisch dreißig mal mehr an den begrenzten | |
Ressourcen dieser Erde verbraucht, als sein Mitmensch in den | |
Entwicklungsländern“. | |
Er verdammte den „Krieg gegen die Umwelt“ und die Ressourcenverschwendung | |
durch Aufrüstung und Kriege – was natürlich vor allem auf den Vietnam-Krieg | |
zielte und Palme, den US-Präsident Richard Nixon als „That swedish asshole“ | |
bezeichnete, den Vorwurf der US-Delegation einbrachte, er „politisiere“ | |
diese Konferenz. | |
Und Palme appellierte an die Einsicht, dass die wachsenden Umweltprobleme | |
ein schnelles und gemeinsames Handeln erforderlich machten: „Ich bin mir | |
sicher, dass Lösungen gefunden werden können. Aber es ist absolut | |
notwendig, dass konzertierte, internationale Maßnahmen ergriffen werden.“ | |
UN-Generalsekretär Kurt Waldheim schloss sich diesem dringenden Appell zur | |
internationalen Zusammenarbeit an. „Wir haben zehn Jahre Zeit eine | |
Katastrophe abzuwenden“, warnte auch der Kanadier Maurice Strong, der | |
damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen über die Umwelt des | |
Menschen, der dann Monate später erster Generalsekretär des in Stockholm | |
beschlossenen Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) wurde. „Wenn | |
man nicht sofort die weltweiten Umweltprobleme angeht“, so warnte er, „wird | |
es schwer oder unmöglich werden, die rasante Entwicklung überhaupt noch in | |
den Griff zu bekommen“. | |
## Die Stockholm-Deklaration | |
Hatte die UN-Generalversammlung in ihrer Resolution 2581 als Hauptzweck der | |
Konferenz formuliert, diese solle „Maßnahmen von Regierungen und | |
internationalen Organisationen zum Schutz und zur Verbesserung der | |
menschlichen Umwelt und zur Behebung und Verhütung ihrer Beeinträchtigung | |
fördern und Leitlinien dafür bereitstellen“, war die zum Konferenzende | |
beschlossene „[3][Stockholm-Deklaration]“ recht allgemein und enthielt im | |
wesentlichen das Versprechen, die Umweltzerstörung zu stoppen, über | |
nationale Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten und eine nachhaltige | |
Entwicklung zu gewährleisten. | |
Ein zentraler Satz formulierte das do-not-harm-Prinzip: Die Staaten hätten | |
das souveräne Recht „die eigenen Ressourcen gemäß ihrer eigenen | |
Umweltpolitik auszubeuten, und (sie) haben die Verantwortung, | |
sicherzustellen, dass Aktivitäten innerhalb ihrer Hoheitsgewalt oder | |
Kontrolle die Umwelt anderer Staaten oder Gebiete außerhalb der Grenzen der | |
nationalen Hoheitsgewalt nicht schädigen“. | |
„Mit Mühe ein Resultat erreicht“, überschrieb Svenska Dagbladet am 17. Ju… | |
vor 50 Jahren den Abschlussbericht der Konferenz. Aber erstmals wurde in | |
einem solchen Dokument der Vereinten Nationen die Bedeutung der Umwelt als | |
zentrale zwischenstaatliche Frage anerkannt und mit dem UNEP „die Wiege der | |
internationalen Umweltpolitik und bis heute die einzige UN-Einrichtung | |
geschaffen, das sich nur mit Umwelt befasst“, so Franziska Wolff vom | |
Öko-Institut. | |
2 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.stockholm50.global/events/programme | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=0dGIsMEQYgI | |
[3] https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/NL7/300/05/IMG/NL730005.pdf?O… | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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