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# taz.de -- Budget für Deutschland: Nur noch wenige Gigatonnen CO2
> Berater:innen der Bundesregierung haben neu berechnet, wie viel
> Kohlendioxidausstoß Deutschland noch zusteht. Viel ist es nicht.
Bild: Die Klimakrise hinterlässt ihre Spuren in der Welt
Berlin taz | Deutschlands CO2-Budget ist schon fast aufgebraucht: Wenn wir
weiter so viel Kohlendioxid ausstoßen wie im vergangenen Jahr, ist in
weniger als fünf Jahren Schluss. Geht es mit dem Emittieren des
Treibhausgases danach weiter, gibt es nicht mal mehr eine
Fifty-fifty-Chance, dass die Erderhitzung bei den anvisierten 1,5 Grad
stoppt – es sei denn, andere Länder gleichen das klimapolitische Versagen
der Bundesrepublik aus, indem sie mehr Klimaschutz leisten.
Das ergibt sich aus einer neuen Berechnung der
Regierungsberater:innen vom Sachverständigenrat für Umweltfragen.
Die Zahlen werden am Mittwoch veröffentlicht und lagen der taz vorab vor.
Demnach bleiben Deutschland ab diesem Jahr noch 3,1 Gigatonnen an CO2.
Ein richtiger Cut, plötzlich vom aktuell hohen Niveau ganz hinunter auf
null, ist natürlich unrealistisch. Plausibler ist ein lineares Absinken,
wodurch die Zeit des CO2-Ausstoßes ein wenig gestreckt werden könnte. Der
Ausstoß der 3,1 Gigatonnen könnte sich so immerhin über neun Jahre
verteilen. Er müsste dafür aber jedes Jahr um 10,8 Prozent sinken.
Das ist mehr als im Coronalockdown-Jahr 2020, in dem der CO2-Ausstoß in
Deutschland um beispiellose 9,5 Prozent zurückging. Allerdings: Bei der
Budgetrechnung geht es nur um Kohlendioxid. Andere klimaschädliche Gase
wie Methan sind noch nicht berücksichtigt. Weil sie alle unterschiedlich
lange in der Atmosphäre bleiben, kann kein zuverlässiges Gesamtbudget
errechnet werden. Kohlendioxid ist von allen das wichtigste Treibhausgas.
## Wie viel Risiko ist akzeptabel?
Will man sicherer fahren als mit einer Münzwurf-Wahrscheinlichkeit, wird es
noch knapper. Für eine Zweidrittel-Chance auf die 1,5 Grad kann Deutschland
noch drei Jahre so emittieren wie 2021 und müsste dann komplett
emissionsfrei sein – oder den CO2-Ausstoß ab sofort jedes Jahr um 16,9
Prozent senken.
„Das noch verbleibende CO2-Budget schmilzt rapide“, warnt der Klimaforscher
Wolfgang Lucht, Professor an der Berliner Humboldt-Universität und Mitglied
des Sachverständigenrats. Das sei vor allem eine Folge der verschleppten
Energiewende in Deutschland. „Die Bundesregierung sollte jetzt mit noch
mehr Nachdruck Maßnahmen für den industriellen und privaten Bereich
beschließen, die uns auf einen Pfad bringen, der nachweisbar im Einklang
mit den Klimazielen von Paris steht.“
Ob das der Fall ist oder nicht, ist gar nicht so leicht zu sagen. Das
Pariser Weltklimaabkommen soll die Erderhitzung möglichst bei 1,5 Grad
gegenüber vorindustriellen Zeiten begrenzen, auf jeden Fall aber bei
„deutlich unter 2 Grad“. Mit welcher Erfolgswahrscheinlichkeit man diese
Ziele angehen will – oder andersherum: welches Scheiternsrisiko akzeptabel
ist –, legt das Abkommen nicht fest.
Auch die Aufteilung der Klimaschutz-Pflichten unter den Staaten ist nicht
konkret geregelt. Ob ein Land genug macht oder nicht, darüber kann man sich
deshalb im Prinzip streiten.
Die Staaten des globalen Südens und auch viele Klimaaktivist:innen
fordern zum Beispiel, dass zu Buche schlagen muss, wer in der Vergangenheit
schon überproportional viele klimaschädliche Emissionen verursacht hat. Das
Problem: Industrieländer wie Deutschland hätten dann durch ihre historische
Klimaschuld schon längst kein Budget mehr übrig.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat deshalb eine pragmatischere
Variante gewählt. Er hat die [1][vom Weltklimarat IPCC für die ganze Welt
berechneten CO2-Budgets] gleichmäßig auf jedem Menschen auf der Welt
aufgeteilt – und zwar ab 2016, dem Jahr nach Beschluss des Paris-Abkommens.
Damit hängt das Budget eines Landes von der Bevölkerungsgröße ab.
Die Bundesregierungen haben bisher Klimaziele festgelegt, [2][ohne vorher
ein CO2-Budget aufzustellen]. Während wohl niemand seine Ausgaben planen
würde, ohne in Betracht zu ziehen, wie viel Geld überhaupt auf dem Konto
landet, funktioniert Klimapolitik oft genau so – damit ist Deutschland auch
nicht allein.
Laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen entsprechen die aktuellen
klimapolitischen Planungen ungefähr einem Budget, mit dem die Erderhitzung
mit Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit die 1,75 Grad nicht übersteigt – sofern
die Ziele denn eingehalten werden. Genau das ist aber der Knackpunkt: Dafür
müssten die Emissionen jetzt jedes Jahr um 5,4 Prozent sinken.
Zuletzt stiegen die Emissionen [3][aber sogar wieder ein Stück an], weil
die Wirtschaft nach den Coronalockdowns 2020 wieder hochfuhr. Bleiben die
Emissionen auf dem hohen aktuellen Niveau, reicht auch das 1,75-Grad-Budget
nur noch 9 Jahre und drei Monate.
„Deutschland muss von allen fossilen Energieträgern unabhängig werden“,
mahnt deshalb Klimaforscher Lucht, „nicht nur von denen aus Russland.“
15 Jun 2022
## LINKS
[1] /Neue-CO2-Uhr-auf-tazde/!vn5810221
[2] /Die-naechste-Klimaklage/!5832097
[3] /Daten-des-Umweltbundesamts/!5838378
## AUTOREN
Susanne Schwarz
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