# taz.de -- EU-Entscheidung zu Ladegeräten: Gibt es bald weniger Kabelmüll? | |
> Die EU hat sich diese Woche auf einen einheitlichen Ladeanschluss für | |
> zahlreiche Elektronikgeräte geeinigt. Wir beantworten die wichtigsten | |
> Fragen. | |
Bild: USB-C, Lightning oder Micro-USB – welches darf es sein? | |
1 Wann kann ich meine Elektronikgeräte mit dem gleichen Kabel laden? | |
Die [1][Vorschrift für neue einheitliche Ladeanschlüsse] für | |
Elektronikgeräte kommt in zwei Schritten und gilt jeweils für Geräte, die | |
dann neu verkauft werden. Der erste Schritt kommt Mitte 2024. Er umfasst | |
ein ganzes Bündel an Geräteklassen: Tablets, Kopfhörer, Headsets, tragbare | |
Spielkonsolen und Lautsprecher, digitale Kameras, E-Reader, Tastaturen, | |
Computermäuse, portable Navigationsgeräte und elektronisches Spielzeug. Sie | |
alle müssen spätestens dann mit einem USB-C-Anschluss ausgestattet sein – | |
immer unter dem Vorbehalt, dass das jeweilige Gerät groß genug dafür ist. | |
Gerade für sehr kleine Geräte wird es also weiterhin Extrakabel geben. Für | |
Laptops gilt eine längere Übergangsfrist: Hier soll ab Anfang 2026 USB-C | |
zum Standard werden. Andere Anschlüsse sind mit der neuen Regelung übrigens | |
nicht verboten, sie können zusätzlich vorhanden sein. | |
2 Gibt es dann kein Ladekabel mehr dazu beim Kauf eines Geräts? | |
Beim Kauf vom Smartphone, E-Reader oder anderer Technik, die unter die neue | |
Vorgabe fällt, sollen Kund:innen wählen können, ob sie ein neues | |
Ladekabel haben wollen oder nicht. Optimalerweise bestellen sie das Kabel | |
nur dann dazu, wenn bei ihnen noch keines zu Hause in der Schublade liegt. | |
Ein guter Teil der Haushalte dürfte aber jetzt schon über mindestens ein | |
Ladegerät mit USB-C-Anschluss verfügen – schließlich ist der Standard bei | |
vielen Geräten schon seit ein paar Jahren gängig. Die Europäischen Grünen | |
hatten in den Verhandlungen durchsetzen wollen, dass Hersteller Kabel und | |
Gerät nicht zusammen anbieten dürfen, konnten sich mit dieser Forderung | |
aber nicht durchsetzen. Allerdings soll nach vier Jahren eine Bilanz | |
gezogen werden – gegebenenfalls könnte ein getrennter Verkauf von Kabel und | |
Gerät dann zur Pflicht gemacht werden. | |
3 Warum kommt die Vorgabe erst jetzt? | |
Das fragen sich Branchenkenner:innen auch. Schließlich ist das | |
Kabelwirrwarr-Problem ein ziemlich altes. So versuchte die EU-Kommission | |
schon 2009, ein einheitliches Ladegerät in der Branche zu verankern. | |
[2][Damals setzte man allerdings nur auf eine freiwillige | |
Selbstverpflichtung]. Durch den politischen Druck und technische | |
Entwicklungen reduzierte sich mit den Jahren immerhin die Zahl der | |
Anschlusstypen von rund 30 auf 3. Die meisten Hersteller setzen bei | |
Smartphones nun entweder auf den Mikro-USB-Anschluss, der langsam zum | |
Auslaufmodell wird, oder eben USB-C. Nur [3][Apple] schert mit seinem | |
Lightning-Anschluss aus – als Begründung diente anfangs, dass dieser | |
flachere Geräte ermögliche. „Wir haben ein bisschen zu sehr auf die | |
Selbstregulierung vertraut“, [4][räumte EU-Binnenmarktkommissar Thierry | |
Breton bei der Vorstellung der Pläne im vergangenen Jahr ein]. | |
4 Wer gewinnt bei der neuen Regelung? | |
„Für uns als Verbraucherinnen und Verbraucher bietet ein einheitliches | |
Ladegerät tatsächlich große Vorteile. Auch unserer Umwelt wird diese | |
Neuerung zugutekommen“, sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager | |
nach der Einigung am Dienstag. Die Umwelt profitiert, weil weniger | |
Ressourcen verbraucht werden und weniger Elektroschrott entsteht. Die | |
EU-Kommission beziffert die Menge von entsorgten und ungenutzten | |
Ladegeräten auf EU-weit 11.000 Tonnen jährlich. [5][Ein Drittel der | |
Ladegeräte, die bei Nutzer:innen liegen, werde gar nicht verwendet]. Die | |
Kommission rechnet damit, dass mit dem einheitlichen Anschluss das | |
Aufkommen von Elektroschrott um fast 1.000 Tonnen jährlich reduziert werden | |
kann. Verbraucher:innen profitieren, weil sie weniger oder keine | |
unterschiedlichen Kabel mehr benötigen. Das soll auch Geld sparen: „Die | |
erzielte Einigung wird für Verbraucherinnen und Verbraucher jährlich | |
Einsparungen in Höhe von rund 250 Millionen Euro bringen“, sagte | |
EU-Kommissar Breton. Ob das so kommt, ist aber fraglich. Denn dafür müssten | |
die Hersteller die Preise ihrer Geräte senken, wenn sie sie in Zukunft ohne | |
Ladegeräte verkaufen. Einzeln verkauft werden nur die wenigsten Kabel, laut | |
Kommission liegt dieser Anteil bei 2,4 Millionen Euro. | |
5 Wer verliert? | |
Im Prinzip vor allem: [6][Apple]. Der Konzern hatte sich lange gegen einen | |
einheitlichen Anschluss gewehrt. Die Begründung: Das sei ein | |
Innovationshemmnis. „Der Vorschlag steht in keinem Verhältnis zu dem | |
wahrgenommenen Problem“, hatte Apple in seiner Stellungnahme im | |
Anhörungsverfahren vergangenes Jahr erklärt. Es könnte allerdings auch | |
etwas anderes dahinterstecken: Geld. Denn Apple erzielt Einnahmen aus | |
Lizenzprogrammen. So müssen Dritthersteller von Lightning-Zubehör ihre | |
Produkte lizenzieren lassen. | |
6 Was heißt die Einigung für Länder außerhalb Europas? | |
Das wird noch spannend. Da die meisten Hersteller zumindest bei Smartphones | |
eh schon auf USB-C setzen, wird es hier keine großen Unterschiede geben. | |
Die Frage ist: Was macht Apple? USB-C in Europa und Extra-Geräte mit | |
Lightning-Anschluss für den Rest der Welt? Oder eine Variante aus Lightning | |
plus USB-C? Das wäre schließlich auch erlaubt. Bei Laptops hatte Apple | |
teilweise bereits auch auf USB-C gesetzt – bei der jüngst vorgestellten | |
Generation gibt es allerdings wieder einen hauseigenen magnetischen | |
Anschluss. Der hat tatsächlich einen Vorteil gegenüber USB-C, er springt | |
nämlich bei versehentlichem Stolpern und Ziehen einfach ab. Auf Nachfrage | |
der taz äußerte sich das Unternehmen nicht zu seinen Plänen. | |
7 Was sagt die Branche? | |
Nichts Gutes. Apple, das in der Vergangenheit gegen einen einheitlichen | |
Ladestandard lobbyiert hatte, verweist auf Anfrage nur auf seine | |
Stellungnahme aus dem Anhörungsverfahren. Der IT-Verband Bitkom sieht in | |
dem Standard ein Innovationshemmnis und prophezeit: Der Elektroschrott | |
werde sich nicht verringern. „Auf die Umweltbilanz von Smartphones und | |
anderen Geräten wirken sich eine ganze Reihe von Faktoren aus, deren | |
Bedeutung weit über die der Kabel hinausgeht: Nutzungsdauer und der | |
Energieverbrauch sind die wichtigsten“, sagte Bitkom-Geschäftsführer | |
Bernhard Rohleder. Dazu komme, dass Geräte zunehmend kabellos geladen | |
würden. Eine gesetzliche Pflicht für wirklich langjährige Software-Updates, | |
die die Lebensdauer von Geräten deutlich verlängern könnte, lehnt die | |
Branche allerdings auch ab und findet, die Hersteller sollten selbst | |
entscheiden, wie lange sie ihre Geräte mit Aktualisierungen versorgen. | |
8 Gibt es Pläne für einen EU-weiten Standard für kabelloses Laden? | |
Beim kabelgebundenen Laden kam die Einigung mehr als zehn Jahre verspätet. | |
Beim kabellosen Laden, das jetzt schon einzelne Geräte können und für das | |
auch bereits Ladeschalen und Möbel mit eingebauten Ladepunkten auf dem | |
Markt sind, soll das schneller gehen. Mit dem Qi-Standard gibt es zwar | |
einen, dem sich mehrere Hundert Unternehmen, darunter Hersteller wie | |
Samsung, Sony, Huawei und Apple, angeschlossen haben. Dennoch existieren | |
weitere Standards, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Hersteller | |
auch hier wieder Insellösungen basteln. Das Europäische Parlament wollte | |
daher am liebsten gleich einen Standard für das kabellose Laden mit auf den | |
Weg bringen. Doch in der Schlussrunde konnten sich die Verhandler:innen | |
von EU-Parlament und Mitgliedsstaaten nicht darauf einigen. Der Plan ist | |
nun, dass die [7][Europäische Kommission] die „Entwicklung der Technologien | |
und der Marktdynamik“ beobachten will und sich dann später um eine | |
Harmonisierung kümmert. Wenn die Kommission dabei den richtigen Zeitpunkt | |
erwischt, könnte das aber auch ein Vorteil sein: Sie könnte sich dann für | |
den Standard entscheiden, der ökologisch am besten abschneidet. | |
11 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /EU-einigt-sich-auf-USB-C-Stecker/!5859610 | |
[2] /Debatte-Elektroschrott/!5058162 | |
[3] /EU-Plan-fuer-einheitliches-Ladekabel/!5856709 | |
[4] /EU-Plaene-zu-Elektronikgeraeten/!5798224 | |
[5] /Volkswirt-ueber-Postkonsumgesellschaft/!5849335 | |
[6] /Vorwuerfe-wegen-Bezahlsystem/!5850655 | |
[7] /Plaene-der-EU-Kommission/!5852598 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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