| # taz.de -- Android-Mobilfunkmesse in Barcelona: Der Elektroschrott von morgen | |
| > Am Montag startet die weltgrößte Mobilfunkmesse in Barcelona. Doch wegen | |
| > mangelnder Updates sind selbst die neuen Android-Geräte alt. | |
| Bild: Neueste Technik, schon jetzt Makulatur? Android-Geräte auf der Mobilfunk… | |
| Das Problem kommt in Form einer Süßigkeitenkiste daher. Ziemlich viel | |
| Nougat ist darin, knapp ein Drittel der Kiste ist damit gefüllt. | |
| Marshmallows und Oreo-Kekse, Lollipops, Kitkats, und Kleinkram, den am | |
| besten niemand mehr essen sollte. Denn ein großer Teil der Süßigkeiten ist | |
| bereits jenseits des Mindesthaltbarkeitsdatums, einige sind erst seit ein | |
| paar Monaten abgelaufen, andere bereits seit Jahren. | |
| Ginge es hier tatsächlich um Zuckerzeug, wäre das Problem ein | |
| überschaubares. Doch „Nougat“, „Marshmallow“ und „Lollipop“ sind N… | |
| Versionen von Googles Android, dem am meisten verbreiteten | |
| Smartphone-Betriebssystem. Und der Süßwarenkorb zeigt: Ein großer Teil | |
| dessen, was die Nutzer so auf ihren Telefonen installiert haben, ist | |
| ziemlich veraltet. | |
| Wenn auf dem Mobile World Congress, der weltweit größten | |
| [1][Mobilfunkmesse], die am heutigen Montag in Barcelona startet, die | |
| Hersteller ihre neuesten Modelle präsentieren, liegt dort vor allem eines | |
| in den Vitrinen aus: ziemlich viel Elektronikschrott. Und weil weder die | |
| Hersteller der Geräte noch Google bislang großes Engagement zeigen, das zu | |
| ändern, gehen Verbraucherschützer und die EU nun andere Wege. | |
| Android ist das Betriebssystem von immerhin drei Vierteln der weltweit | |
| genutzten Smartphones. Google bezifferte die Zahl der genutzten | |
| Android-Geräte bereits vor einem Jahr auf 2 Milliarden. | |
| ## Saures statt Süßes | |
| Dass bei diesen Geräten ein Update eher die Ausnahme als die Regel ist, | |
| liegt an den Smartphone-Herstellern. Denn die wollen meist nicht einfach | |
| das von Google bereitgestellte Betriebssystem nutzen. Sie ändern Teile des | |
| Systems, fügen eigene Apps hinzu und brauchen gegebenenfalls neue Treiber | |
| für bestimmte Hardwarekomponenten. | |
| Für die Hersteller gibt es keinen Anreiz, diesen Aufwand nach der | |
| Markteinführung eines Gerätes noch weiterzubetreiben. Die Telefone sind | |
| dann bereits verkauft, noch einmal zahlen die Kund:innen nicht für ein | |
| aktuelles Betriebssystem. Im Gegenteil: Veraltete Software könnte | |
| Verbraucher:innen eher dazu bringen, sich ein neues Gerät zu kaufen. | |
| Um zu begreifen, wie desaströs die Update-Politik der Hersteller ist, | |
| reicht eine einzige Zahl: 2,4 Prozent. Das ist der Anteil der weltweit | |
| genutzten Android-Smartphones, auf dem im Januar die aktuellste Version des | |
| Betriebssystems, Pie – Kuchen –, lief. | |
| Die Zahl stammt von dem Onlinedienst Statcounter, der bei weltweit etwa 2 | |
| Millionen Webseiten untersucht, mit welchen Geräten und Systemen die | |
| Nutzer:innen darauf zugreifen, und ist daher vor allem ein Näherungswert. | |
| In der offiziellen Entwicklerstatistik für Android, die noch von Oktober | |
| datiert, taucht Pie noch nicht einmal auf. | |
| ## Sicherheitsrisiko: hoch! | |
| Doch: Je älter die Version, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie | |
| Sicherheitslücken enthält. Laut Cert-Bund, einem Team beim Bundesamt für | |
| Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das unter anderem [2][aktuelle | |
| Sicherheitslücken in Software] auflistet, datiert der letzte und aktuellste | |
| Fund für Android auf Anfang Februar, das Risiko stuft die Stelle als „hoch“ | |
| ein. | |
| „Wer ein Gerät mit einem veralteten Betriebssystem kauft, geht ein enormes | |
| Risiko ein“, sagt Michelle Jahn, Juristin bei der Verbraucherzentrale | |
| Nordrhein-Westfalen. Angreifer:innen können Sicherheitslücken | |
| beispielsweise ausnutzen, um Passwörter abzugreifen, Chats und persönliche | |
| Informationen mitzulesen – und die Daten später etwa für einen | |
| Identitätsdiebstahl oder eine Erpressung verwenden. | |
| Und die Relevanz des Themas wird künftig zunehmen. Noch läuft Android | |
| primär auf Smartphones und ein paar Tablets. Doch im Kommen: Android auf | |
| Smartuhren, TV-Geräten und Autos. Gelingt es Angreifer:innen da, über eine | |
| Lücke auf das Steuerungssystem zu kommen, könnte das weitaus | |
| problematischer werden als ein ausgespähtes E-Mail-Passwort. | |
| Mit dem Android-One-Programm versucht Google seit einiger Zeit, | |
| gegenzusteuern. Das verspricht: Die Smartphones bekommen drei Jahre lang | |
| Sicherheitsupdates und für zwei Jahre Updates auf neue Versionen. | |
| Ursprünglich sollte das im Jahr 2014 gestartete Programm dazu dienen, | |
| schlanke Android-Versionen auf günstige Geräte in Länder mit bislang | |
| geringer Smartphone-Dichte zu bringen. | |
| ## Hersteller lehnen Programm ab | |
| Mittlerweile scheint Google verstanden zu haben, dass regelmäßige | |
| Sicherheitsupdates auch für Nutzer:innen in Industrieländern interessant | |
| sind. Doch das Angebot ist überschaubar: Aktuell sind nicht einmal zwei | |
| Dutzend Geräte gelistet. | |
| Warum die Hersteller kein Interesse daran haben, dabei zu sein? Gegenüber | |
| der taz geben sich die Unternehmen verschlossen. Marktführer Samsung zum | |
| Beispiel hat gar kein Android-One-Gerät im Programm – warum, will das | |
| Unternehmen nicht verraten. Auch HTC, das das erste Android-One-Smartphone | |
| auf den deutschen Markt brachte, erklärt bis Redaktionsschluss nicht, warum | |
| das Nachfolgemodell ohne Android One erscheint. | |
| Dazu kommt: Wie schnell die Updates tatsächlich bei den Nutzer:innen | |
| landen, das bleibt offen. Ob es diesbezüglich Vorgaben gibt, beantwortete | |
| Google nicht. Ein weiteres Problem: Der Zeitraum der Updategarantie. Der | |
| beginnt nämlich, wie Google bestätigt, nicht mit dem Kauf des Geräts, wie | |
| eigentlich bei einer Garantie üblich. Sondern mit dem Zeitpunkt, zu dem das | |
| Gerät auf den Markt kommt. | |
| Wer also beispielsweise im Mai 2019 ein Telefon kauft, das im August 2018 | |
| auf den Markt kam, der bekommt nur noch für gut zwei Jahre | |
| Sicherheitsupdates statt drei. | |
| ## Kleine Klage, große Wirkung? | |
| Verbraucherschützer wollen sich nicht damit abfinden, dass Updates häufig | |
| Glückssache sind. Und versuchen es auf einem alternativen Weg. So verklagte | |
| die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen eine Media-Markt-Filiale, weil | |
| diese ein Smartphone mit veraltetem Android verkaufte, ohne auf die | |
| Sicherheitslücken hinzuweisen. Am 19. März wird weiterverhandelt. | |
| Verbraucherschützerin Jahn hofft auf eine Hebelwirkung. Darauf, dass mit | |
| einer Kennzeichnungspflicht die Kunden zu Geräten ohne Sicherheitslücken | |
| greifen. Und die Händler den Herstellern Druck machen, Updates | |
| nachzuliefern. | |
| „Natürlich wäre es das Beste, wenn die Hersteller in die Pflicht genommen | |
| werden“, sagt Jahn. Sie müssten mindestens kennzeichnen, für wie lange sie | |
| Updates für ein bestimmtes Gerät bereitstellen werden. Besser aber noch: | |
| Sie sollten verpflichtet sein, Sicherheitsupdates für einen bestimmten | |
| Zeitraum bereitzustellen. | |
| Auch das EU-Parlament hat das Problem erkannt. Parlament und Rat haben sich | |
| Ende Januar auf den Entwurf einer entsprechenden Richtlinie geeinigt. Darin | |
| soll unter anderem geregelt werden, dass die Hersteller von vernetzten | |
| Geräten – seien es Telefone, Fernseher oder Kühlschränke – für einen | |
| bestimmten Zeitraum Updates bereitstellen müssen. | |
| ## Hoffnung auf die Gerichte | |
| Was jedoch fehlt: eine genaue Vorgabe. Hersteller müssten Updates „über den | |
| Zeitraum, den Verbraucher, je nach Art und Zweck des Produkts, | |
| vernünftigerweise erwarten dürfen“ bereitstellen. Also: Das vernetzte Auto | |
| wohl länger als das Smartphone. Aber wie lange genau? Zwei Jahre für das | |
| Smartphone, drei oder fünfeinhalb? Das dürfen wohl letztlich Gerichte | |
| klären. | |
| Wenn nicht noch die Bundesregierung in der nationalen Ausgestaltung der | |
| Richtlinie Vorgaben macht. Die stellvertretende Vorsitzende der | |
| Unionsfraktion, Nadine Schön, erklärt gegenüber der taz, eine | |
| Updatepflicht zu befürworten. Auch die SPD-Fraktion antwortet, man sei für | |
| eine Verpflichtung. | |
| Doch wie lange? Da sehen beide Regierungsfraktionen noch | |
| Diskussionsbedarf. Bis also auf der Mobilfunkmesse statt Elektronikschrott | |
| von morgen Geräte mit einigermaßen akzeptabler Lebensdauer gezeigt werden, | |
| wird es wohl noch eine Weile dauern. | |
| 25 Feb 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.messeninfo.de/Mobile-World-Congress-M3322/Barcelona.html | |
| [2] https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/ITGrundschutz/ITGrundschutzKompendium/bau… | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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