# taz.de -- Kolumne Digitale Sicherheit: Ihr Schatten im Internet | |
> Das Smartphone hört mit, Suchmaschinen sammeln Daten. Die Berechtigung | |
> geben viele Nutzer*innen selbst. Über digitale Fußabdrücke und | |
> Datenverfolgung. | |
Bild: Gewusst wie: Der Storch steht nicht unter Überwachung (Symbolbild) | |
Im Gespräch mit Freund*innen erwähnen Sie, dass Ihr Zahn wehtut, eine | |
Stunde später sehen Sie auf Ihrem Smartphone Werbung einer Zahnärztin. | |
Artikel zu einem Thema, das Sie im Netz recherchiert haben, tauchen später | |
auf den Seiten der sozialen Medien wieder auf, bei denen Sie sich | |
einloggen. Ein soziales Netzwerk bietet Ihnen eine Person, deren Nummer Sie | |
im Telefon gespeichert haben, als „Freundschaftsvorschlag“ an. | |
Sie finden den Gedanken, dass all dies von einem smarten | |
Verfolgungsmechanismus veranlasst wird, übertrieben? Das ist er keineswegs, | |
wir alle werden von einem unglaublichen und ebenso gefährlichen | |
Datensammelnetz beobachtet. Diese Aktivitäten von Staaten und Unternehmen | |
im digitalen Umfeld werden insgesamt als „Datenverfolgung“ bezeichnet. | |
In einem Land wie der Türkei, wo die durchschnittliche tägliche | |
Internetnutzungsdauer sechs Stunden pro Person beträgt und völlig ungewiss | |
ist, wie die im Internet gesammelten Daten vom Staat und von den | |
Unternehmen geteilt und verwertet werden, ist unverzichtbar, dass wir uns | |
Gedanken über den digitalen Fußabdruck machen, den wir im Netz | |
hinterlassen. | |
Um an einem praktischen Beispiel zu sehen, wie ernst die Sache ist, können | |
Sie über [1][diesen Link] in Ihr Google-Konto gehen und die Daten | |
herunterladen, die Sie bei Google allein aufgrund Ihrer dortigen Suchen | |
hinterlassen haben. An die Daten, die Facebook über Sie gesammelt hat, | |
kommen Sie über die Schritte [2][unter diesem Link]. Falls die Ausmaße | |
dieser Datensammlungen Sie nicht interessieren, können Sie einen Blick auf | |
die Statistiken werfen, die [3][Google] mit Staaten teilt, oder auf die | |
Datennutzungspolitik von [4][Facebook]. Dabei darf nicht vergessen werden, | |
dass diese Beispiele lediglich die sichtbare Spitze des Problems sind. | |
## Ihr Telefon hört mit | |
Einen Teil der Daten, die bei der Nutzung des Internets produziert werden, | |
geben User*innen aus eigenem Willen aktiv heraus. Darüber hinaus gibt es | |
aber auch noch Informationen, „passive Daten“ genannt, die Nutzer*innen | |
beim normalen Surfen im Netz hinterlassen, ohne es zu merken. Bei diesen | |
Informationen handelt es sich zum Beispiel um beim Surfen besuchte Seiten, | |
Verweildauer auf bestimmten Abschnitten dieser Websites, Suchgewohnheiten, | |
Marke und Modell des Geräts, mit dem man im Netz unterwegs ist. | |
Mit dem Fortschritt der Technologie werden die Methoden, mit denen diese | |
passiven Daten gesammelt werden, komplexer. Beispielsweise basiert sehr | |
viel Werbung, die uns eingeblendet wird, auf einem [5][Lauschangriff von | |
Apps] auf unserem Telefon, denen wir die Genehmigung erteilt haben, das | |
Mikrofon zu benutzen. [6][Per Augenscan] über die Kamera an unseren | |
Smartphones wird gemessen und kontrolliert, ob wir in den sozialen Medien | |
geteilte Links tatsächlich anschauen und wie viele Sekunden wir das tun. | |
All diese Daten basieren also auf den Zugriffen, die wir den Apps auf | |
unseren Geräten erlauben. Aus genau diesem Grund ist es meist nicht | |
möglich, rechtlich gegen die Unternehmen vorzugehen, die diese Daten | |
sammeln. | |
Die Daten werden zusammengefasst, daraus werden Profile über Verhalten, | |
Konsum- und Kommunikationsgewohnheiten von Personen erstellt. Diese Profile | |
werden zwecks Marktoptimierung und Entwicklung personifizierter | |
Werbesysteme [7][an Unternehmen verkauft]. Das hat derartige Ausmaße | |
angenommen, dass wir Datenhandel heute als Branche bezeichnen können. Aus | |
den Internetaktivitäten erstellte digitale Fußabdrücke und persönliche | |
Profile werden zu Entscheidungskriterien in zahlreichen Bereichen, etwa bei | |
Bewerbungen um einen Arbeitsplatz oder bei [8][Schadensersatzforderungen | |
von Versicherungen]. | |
Dass Staaten in Sachen Datensammlung hinter privatwirtschaftlichen | |
Unternehmen hinterherhinken, schwächt die politische Dimension des Problems | |
keineswegs. Auf der einen Seite haben wir ein neoliberales Staatsmodell, | |
das seine sozialen Verpflichtungen anhand von privaten Unternehmen und | |
mithilfe von Marktmechanismen erfüllt, auf der anderen Seite bilaterale | |
Abhängigkeiten zwischen Markt und Staat; daneben steht die | |
[9][Zusammenarbeit] zwischen sich zunehmend digitalisierenden Staaten mit | |
demselben Wirtschaftsmodell. | |
## Wie Sie Ihren digitalen Fußabdruck klein halten | |
Was können Sie nun dagegen tun, dass ein digitaler Schatten Ihres Lebens im | |
Internet von Hand zu Hand geht? Der erste und wichtigste Schritt ist es, | |
sich darüber im Klaren zu sein, dass man bei jedem Schritt im Internet | |
Daten produziert. Um in diesem Rahmen Ihren digitalen Fußabdruck so klein | |
wie möglich zu halten, können Sie folgende Empfehlungen beherzigen: | |
Statt Unternehmen wie Google zu nutzen, die die Industrie dominieren und | |
bei allen angebotenen Dienstleistungen Datensammlungen anlegen, können Sie | |
Suchmaschinen und Kommunikationsdienste wie [10][Posteo], [11][Riseup] oder | |
[12][duckduckgo] verwenden, die mehr Wert auf Privatsphäre und Sicherheit | |
legen. | |
Wenn Sie Ihre vorhandenen Accounts nicht stilllegen können, können Sie bei | |
[13][Google] und [14][Facebook] die Löschung der über Sie gesammelten Daten | |
beantragen. | |
Vor allem auf Ihrem Smartphone verlangen Apps den Zugriff auf verschiedene | |
Anwendungen Ihres Geräts. Hier können Sie mit Bedacht vorgehen und Apps den | |
Zugriff auf Anwendungen verweigern, die sie normalerweise nicht benötigt. | |
Ist nicht merkwürdig, dass zum Beispiel eine Taschenlampen-App auf Ihren | |
Standort oder Ihre Kontakte zugreifen will? Beschränken Sie den Zugriff vor | |
allem auf technische Anwendungen wie Kamera und Mikrofon so weit wie | |
möglich. | |
Websites setzen auf Ihrem Computer im Allgemeinen kleine Markierungen | |
namens Cookies. Sie funktionieren wie ein Fahrtenbuch, halten Ihre | |
Aktivitäten im Netz fest und übermitteln sie regelmäßig an die betreffenden | |
Unternehmen. Dagegen können Add-Ons wie [15][Privacy Badger] oder | |
[16][Ghostery] Ihre Sicherheit erhöhen. Dabei sollte allerdings nicht | |
vergessen werden, dass auch Programme, die Sie schützen, Daten über Sie | |
sammeln und an andere Unternehmen verkaufen können. | |
Löschen Sie Ihre Chronik so oft wie möglich. Wenn Ihr Mailprogramm im | |
Browser geöffnet ist, sollten Sie nicht im Netz surfen. Beim Surfen ist es | |
gegen Datenverfolgung von Vorteil, den Browser unsichtbar zu machen oder, | |
um absolut anonym zu bleiben, [17][Onion Browser] zu verwenden. | |
Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe | |
20 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://myaccount.google.com/intro/dashboard?hl | |
[2] https://www.facebook.com/help/212802592074644 | |
[3] https://transparencyreport.google.com/user-data/overview | |
[4] https://www.facebook.com/privacy/explanation | |
[5] https://www.vice.com/en_au/article/wjbzzy/your-phone-is-listening-and-its-n… | |
[6] https://nypost.com/2017/06/07/facebook-is-going-to-use-your-phones-camera-t… | |
[7] https://www.cbsnews.com/news/the-data-brokers-selling-your-personal-informa… | |
[8] https://www.thezebra.com/research/digital-footprint-car-insurance/#about | |
[9] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-05/bnd-nsa-milliarden-metadaten | |
[10] https://posteo.de/de | |
[11] https://riseup.net/ | |
[12] https://duckduckgo.com/ | |
[13] https://policies.google.com/technologies/retention?hl | |
[14] https://www.facebook.com/privacy/explanation | |
[15] https://www.eff.org/privacybadger | |
[16] https://www.ghostery.com/de/ | |
[17] https://www.torproject.org/ | |
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