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# taz.de -- Treibstoff-Engpässe im Ukraine-Krieg: Begehrte Liter
> Benzin ist schwer erhältlich. Das ist für Zivilisten schon lästig. Für
> Armee und kritische Infrastruktur aber ist es hochproblematisch.
Bild: Angesichts des Mangels an Benzin bleibt manchmal nur noch das Schieben
In welchen Einheiten messen Sie Entfernungen? In Kilometern? In Stunden?
Wir messen sie jetzt in Litern. Ich war einen Freund besuchen, außerhalb
der Stadt, wir hatten uns lange nicht gesehen. Aber jetzt muss ich schnell
zurück – gleich beginnt die Sperrstunde. Er möchte wissen, wohin ich
fahren müsse – und rechnet nach, ob sein Benzin reicht. Nein, normalerweise
würde er das nicht tun. Nur leider könnte das Benzin wirklich nicht
reichen.
Ja, Benzin muss man im Voraus besorgen. Tankstellen im ganzen Land
verwandeln sich in eine Art „To-go“-Einrichtungen, wie die überall neu
entstandenen Coffeeshops. Und um an Benzin zu kommen, muss man sich in
lange Schlangen einreihen. Dass es dort überhaupt gerade welches gibt,
erkennt man an den langen Warteschlangen. Darüber hinaus ist Benzin auch
nicht überall frei verkäuflich. Die Menschen rufen schnell ihre Freunde und
Verwandten an, wenn sie sehen, dass es welches gibt. Sie stellen sich
füreinander an, haben die Websites von Tankstellen im Blick, abonnieren
alle möglichen Telegram-Bots oder Blogs, die sich mit diesem Thema
beschäftigen.
Vor einem Monat stand man Tage und Nächte für Benzin an. Während der
Sperrstunden ließ man die Autos dort, ging schlafen und kam am Morgen
wieder. Ab 5 Uhr stand man Schlange. Aber das ist nicht mal das Schlimmste.
Wirklich blöd ist es für diejenigen, die nach langem Warten merken, dass
das Benzin genau dann alle ist, wenn sie selber an der Reihe gewesen wären.
Und solche Glückspilze gibt es.
[1][Die Tankstellen sind gezwungen, Beschränkungen einzuführen]. Zum
Beispiel nicht mehr als 15, 20, 30, 40 Liter pro Person. Über die Qualität
des Benzins macht man sich schon lange keine Gedanken mehr, Hauptsache, es
gibt überhaupt welches. Über die Folgen, die das für das Auto hat, kann man
später immer noch nachdenken. Gerade kostet Benzin 50 bis 55 Griwnja
(umgerechnet etwa 1,75 Euro), aber es war auch schon mal doppelt so teuer.
In den Nachrichten sagen sie, dass das bald besser würde. Im Prinzip
erzählen sie das aber schon länger. Gäbe es nicht die panischen Wünsche
einiger Menschen, möglichst immer vollzutanken, wäre es vielleicht schon
früher besser geworden. Sagt man zumindest. Durch den Krieg ist die Ukraine
gezwungen, den Markt fast völlig umzustrukturieren. Früher kam Benzin vor
allem aus Russland und Belarus. Mit Beginn der Importe aus Europa sind eine
Reihe logistischer Probleme entstanden.
Die Nachfrage ist hoch, darauf war die Ukraine nicht vorbereitet. Und die
Ölraffinerie Krementschuk, die einen großen Teil des Benzinbedarfs decken
konnte, wurde von Russland mit Raketen beschossen. Bis Jahresende wird sie
ihre Produktion nicht wieder aufnehmen. [2][Denn die Infrastruktur ist das
Ziel Nummer 2] in diesem Krieg, gleich nach Wohngebieten. Daher muss die
Ukraine den Krieg gewinnen, wenn es ihr global gesehen besser gehen soll.
Bei Benzin geht es nicht um Fahrten aufs Land, nicht um persönliche
Bequemlichkeiten. Benzin wird von der Armee und von Freiwilligen gebraucht.
Und von den Menschen, die in der kritischen Infrastruktur arbeiten.
Soldaten sollten an Tankstellen Priorität haben. Aber damit man sie
vorrangig behandelt, muss vorrangig erst mal Benzin da sein. Und genau mit
solchen Überlegungen berechnen und überwachen Freiwillige die
Benzinvorräte. Von diesen Litern hängen Menschenleben ab.
Aus dem Russischen [3][Gaby Coldewey].
Finanziert wird das Projekt von der [4][taz Panter Stiftung].
Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA
im September als Dokumentation heraus.
11 Jun 2022
## LINKS
[1] /Flucht-innerhalb-der-Ukraine/!5858618
[2] /Zerstoerte-Infrastruktur-in-der-Ukraine/!5853211
[3] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[4] /!p4550/
## AUTOREN
Olena Makarenko
## TAGS
Kolumne Krieg und Frieden
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Militär
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