| # taz.de -- Aktuelle Lage in der Ukraine: Rotes Kreuz sorgt sich um Kämpfer | |
| > Die Organisation fordert freien Zugang zu den 1.730 Evakuierten aus dem | |
| > Stahlwerk in Mariupol. In Kiew steht ein russischer Soldat vor Gericht. | |
| Bild: Ukrainische Soldaten werden aus Mariupol evakuiert, 17. Mai 22 | |
| taz | Das Schicksal der letzten ukrainischen Verteidiger der von Russland | |
| eroberten und zerstörten Stadt Mariupol wird zur internationalen | |
| Machtprobe. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) verlangte am | |
| Donnerstag von Russland „sofortigen Zugang“ zu den ukrainischen Kämpfern, | |
| die seit Montag aus dem belagerten Asowstal-Stahlwerkskomplex evakuiert und | |
| in russische Gefangenschaft genommen worden sind. | |
| „Das IKRK muss sofortigen Zugang zu allen Kriegsgefangenen erhalten, in | |
| allen Orten, wo sie festgehalten werden“, erklärte die Organisation und | |
| berief sich auf die Genfer Konvention. „Dem IKRK muss erlaubt werden, | |
| Kriegsgefangene ohne Zeugen zu interviewen, und die Dauer und Häufigkeit | |
| solcher Besuche sollte nicht übermäßig eingeschränkt werden.“ | |
| Das IKRK hat in den letzten Wochen eine wichtige Rolle darin gespielt, | |
| Zivilisten und Militärs aus Mariupol zu evakuieren. Am Dienstag begann es | |
| nach eigenen Angaben „auf Bitten der Parteien“, die aus dem | |
| Asowstal-Komplex evakuierten Kombattanten zu registrieren. Dies dauere am | |
| Donnerstag noch an, hieß es. Erfasst würden die persönlichen Daten der | |
| Kämpfer und ihre nächsten Bezugspersonen. Dies ermögliche, ihr Schicksal | |
| weiterzuverfolgen und ihre Familien zu kontaktieren. | |
| Die unüblich deutliche Erklärung des IKRK folgt auf laute Überlegungen in | |
| Russland, die evakuierten Kämpfer aus Mariupol als „Nazis“ vor Gericht zu | |
| stellen oder zu töten. Ursprünglich hatten die russischen und ukrainischen | |
| Militärstäbe miteinander vereinbart, dass die ukrainischen Soldaten in | |
| Asowstal sich in russische Obhut begeben und gegen von der Ukraine gefangen | |
| gehaltene russische Kriegsgefangene ausgetauscht werden. | |
| Ob und wie viele ukrainische Kämpfer sich noch im Asowstal-Komplex | |
| aufhalten, war am Donnerstag unklar. Von einst geschätzt 2.000 [1][Soldaten | |
| hatten sich bis Mittwochabend 1.730 ergeben], berichtete das russische | |
| Verteidigungsministerium Donnerstag früh. Die meisten kommen in Gefängnisse | |
| und Straflager in der russisch kontrollierten „Volksrepublik Donezk“, wo | |
| sie mit Folter rechnen müssen. Die Führung der „Volksrepublik“ verkündete | |
| am Mittwoch, sie werde das Stahlwerk dem Erdboden gleichmachen und Mariupol | |
| in ein Touristenressort verwandeln | |
| ## Russischer Soldat in Kiew vor Gericht | |
| In Kiew geht indes der [2][erste Kriegsverbrecherprozess] gegen einen | |
| gefangenen russischen Soldaten in seine entscheidende Phase. Dem | |
| 21-Jährigen Wadim Schischimarin droht lebenslange Haft, weil er laut | |
| Anklage am 28. März im Dorf Tschupachiwka nahe Sumy im Nordosten der | |
| Ukraine einen 62-jährigen unbewaffneten Zivilisten aus einem Autofenster | |
| heraus mit einem Kopfschuss tötete. | |
| Nach Prozesseröffnung am vergangenen Freitag bekannte sich der Angeklagte | |
| am Mittwoch voll schuldig im Sinne der Anklage und sagte am Donnerstag aus, | |
| er habe auf Befehl gehandelt. Er habe zunächst den Befehl seines | |
| kommandierenden Offiziers missachtet, den Unbewaffneten zu erschießen. Er | |
| habe jedoch keine andere Wahl mehr gehabt, als den Befehl zu befolgen, als | |
| ihn ein weiterer Offizier mit Nachdruck wiederholte. Der Offizier habe | |
| insistiert, dass das spätere Opfer, das am Telefon sprach, den Standort der | |
| Russen an ukrainische Streitkräfte weitergeben könnte. | |
| Die Witwe des Mannes sagte aus, ihr Mann sei nach draußen gegangen, um | |
| nachzuschauen, was los war, als Schüsse vor dem Haus fielen. Als das | |
| Schießen aufhörte, sei sie ins Freie gegangen und habe ihren erschossenen | |
| Mann gefunden. Sie erklärte, der Angeklagte verdiene lebenslange Haft, aber | |
| sie habe nichts dagegen, falls er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs | |
| gegen Verteidiger des Asowstal-Stahlwerks in Mariupol ausgetauscht werde. | |
| (mit ap) | |
| 19 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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