# taz.de -- Bürgerbegehren in Lüneburg: Teilerfolg für die Fahrradfans | |
> Der Stadtrat hat dem Bürgerbegehren „Radentscheid Lüneburg“ zugestimmt. | |
> Wann welche Maßnahmen für den Radverkehr umgesetzt werden, ist noch | |
> unklar. | |
Bild: Aus einem werden in verschiedenen Städten hoffentlich bald viele Fahrrä… | |
LÜNEBURG taz | Lüneburg hat große Ziele: Bis 2030 will die Hansestadt | |
klimaneutral sein. Ein Bürgerbegehren hat das im vergangenen Jahr erkämpft. | |
Und nun soll die Stadt deutlich fahrradfreundlicher werden. Auch das liegt | |
an den Bestrebungen einer Gruppe von Bürger:innen. Dem Begehren des | |
„Radentscheids Lüneburg“ ist der Stadtrat in seiner Sitzung am vergangen | |
Donnerstag mit großer Mehrheit beigetreten. Das bedeutet: Die geforderten | |
Maßnahmen muss die Stadt nun völlig oder zumindest weitestgehend umsetzen. | |
Die Maßnahmen beinhalten den Bau breiter Radwege mit „Pop-Up“-Charakter, | |
ein durchgängiges Radroutennetz, sichere Kreuzungen, wie es sie in den | |
Niederlanden gibt, und deutlich mehr Abstellanlagen für Fahrräder. Auch ein | |
Ring von Fahrradstraßen rund um die Lüneburger Innenstadt soll bis 2024 | |
umgesetzt sein. | |
Die Gruppe, die dazu die Initialzündung gegeben hat, traf sich erstmalig | |
im Februar 2020, kurz vor Beginn der Coronapandemie. Nach einem | |
symbolischen Sprung in die Ilmenau, um zu zeigen, dass „die Verkehrswende | |
nicht ins Wasser fallen soll“, erzählt Sprecher Ronald Orth, schlossen sich | |
weitere Mitglieder an. Knapp ein Jahr später konnte die Gruppe ihr Begehren | |
der Verwaltung vorlegen. | |
In Niedersachsen – ähnlich wie in anderen Bundesländern – läuft ein | |
Bürgerbegehren zweistufig ab. Zunächst muss eine Gruppe das Begehren | |
anzeigen. Die Verwaltung prüft es daraufhin. Gibt sie ihr Okay, haben die | |
Initiativen sechs Monate Zeit, Unterschriften zu sammeln. Bei einer Stadt | |
mit bis zu 100.000 Einwohner:innen wie Lüneburg müssen zehn Prozent der | |
Wahlberechtigten unterschreiben. | |
## Hürden weiter senken | |
Innerhalb kürzester Zeit, sagt ein Mitglied der Gruppe, hatten sie die | |
geforderten knapp 6.000 Unterschriften zusammen. Im Dezember konnten sie | |
mehr als 7.000 Unterschriften einreichen. „Wir sind damit offene Türen | |
eingerannt“, so das Gruppenmitglied. Der Radentscheid ist das dritte | |
erfolgreiche Bürgerbegehren Lüneburgs seit der niedersächsischen Reform von | |
Bürgerbegehren 2016. | |
Sobald die Unterschriften für gültig befunden sind, ist das Begehren | |
zulässig und kann vom Stadtrat entweder beschlossen oder abgelehnt werden. | |
Lehnt der Rat ab, kommt es zum Bürgerentscheid, das heißt alle | |
Bürger:innen stimmen in Wahllokalen darüber ab. | |
Der [1][Verein „Mehr Demokratie“] berät Gruppen bei direktdemokratischen | |
Aktionen. Er kritisiert, wie umständlich Bürgerbegehren vor allem in | |
Niedersachsen sind, und bemängelt, dass die Verwaltung lange braucht, bis | |
alle Unterschriften geprüft sind. | |
„Die Unterschriften-Überprüfung in Lüneburg hat eindeutig zu lange | |
gedauert. Offenbar haben die Verwaltungen zu viel Arbeit mit den vielen | |
Unterschriften“, sagt Landessprecher Dirk Schumacher. Er fordert Reformen, | |
um die Hürden für die demokratische Bürger:innenbeteiligung weiter | |
zu senken. So sollen Unterschriften zum Beispiel auch digital eingereicht | |
werden können. | |
Nicht jede Stadt stimmt einem Bürgerbegehren einfach so zu, wobei | |
Fahrradentscheide gerade deutschlandweit sehr erfolgreich sind. In | |
Braunschweig musste die Initiative „Fahrradstadt Braunschweig“ nicht einmal | |
zum Unterschriften sammeln übergehen, da der Stadtrat schon vorher die | |
geforderten Maßnahmen beschloss. | |
## Die Umsetzung wird genau überwacht | |
In Schwerin gab es dagegen Auseinandersetzungen darüber, ob die Forderungen | |
rechtlich zulässig seien. Dort half der [2][Verein „Changing Cities“], der | |
aus dem Berliner „Volksentscheid Fahrrad“ hervorgegangen ist und | |
mittlerweile bundesweit Radentscheide untereinander vernetzt und | |
unterstützt. Auch die Lüneburger Initiative nahm sich den Berliner | |
Entscheid zum Vorbild, sagt Sprecher Orth. Nützlich neben dem Austausch mit | |
weiteren Initiativen und der Weitergabe von Know-How ist auch die bereits | |
existierende Vereinsstruktur, wodurch sich Initiativen recht einfach an den | |
Verein anhängen können. | |
„Changing Cities“ unterstützt im Norden auch noch die Initiative in | |
Osnabrück, die gerade in die Sammelphase der Unterschriften gestartet ist, | |
und hat dem [3][Entscheid in Hamburg] geholfen, deren Forderungen der | |
Hamburger Senat teilweise beschloss. | |
Nach den Anstrengungen, die eine Initiative durchläuft, um ihr Begehren zu | |
formulieren, gegebenenfalls noch einen Finanzierungsplan aufzustellen, | |
Leute zu mobilisieren und genug Unterschriften zu sammeln, steht selbst | |
nach einem Beschluss durch den lokalen Rat dennoch nicht sicher fest, wann | |
welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. So sagte die Lüneburger | |
Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch, dass die Umsetzung unter „dem | |
Vorbehalt der Machbarkeit“ stünde. „Insofern finanzielle und personelle | |
Ressourcen es zulassen“, setze die Stadt die Maßnahmen um. | |
„Wir verfolgen das als politische Initiative weiter“, sagt Orth. Er und | |
seine Mitkämpfer:innen vom Radentscheid werden weiter aktiv bleiben und | |
genau überwachen, wie ihre Forderungen umgesetzt werden. | |
17 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Hagen Gersie | |
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