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# taz.de -- Deniz Yücel und der PEN: Buhrufe für den Präsidenten
> Deniz Yücel tritt als Präsident des PEN zurück. Bei der
> Mitgliederversammlung zeigte sich, wie tief die Autorenvereinigung
> gespalten ist.
Bild: Deniz Yücel bei der Tagung des deutschen PEN-Zentrums
Es muss für die Beteiligten ein denkwürdiger Tag gewesen sein. Im
beschaulichen Gotha tagt seit Donnerstag und noch dieses ganze Wochenende
lang der PEN. Auf der Tagesordnung der alljährlichen Mitgliederversammlung
stand für den Freitag: Abstimmung, ob der erst im vergangenen Oktober
gewählte Präsident [1][Deniz Yücel weiter Präsident bleiben soll.] Es
dauerte bis zum Abend, bis klar war: Yücel könnte Präsident bleiben. Doch
das Ergebnis war so knapp, dass er die Konsequenzen zog und von sich aus
zurücktrat.
Im Hintergrund stehen Vorwürfe, die ein autokratisches Amtsverständnis von
Yücel behaupten und bis zum Mobbing reichen. Die Verteidiger Yücels im PEN
dagegen meinen, dass sich hinter diesen Vorwürfen zum Teil langjährige
Mitglieder verschanzen, die sich gegen fällige Modernisierungen und
Verjüngungen der Schriftstellervereinigung wehren würden.
Doch zur Abstimmung kam es erst einmal gar nicht. Erst wurden
Geschäftsordnungsanträge gestellt. Sie verzögerten die Tagesordnung. Die
Beschlussfähigkeit wurde angezweifelt, mit Gerichtsverfahren wurde gedroht.
Im Raum stand, ob alle Mitglieder ordnungsgemäß mit den nötigen
elektronischen Einwahldaten versorgt worden waren, um an der Abstimmung
auch virtuell teilnehmen zu können.
Schließlich kam es zu Anträgen, sich mit den bisherigen Anträgen nicht zu
befassen. Es muss, alles in allem, ziemlich absurd gewesen sein. Der PEN
hat sich eigentlich vorgenommen, die Literatur zu feiern, sich um die
Freiheit von Meinungsäußerungen und um verfolgte Schriftsteller*innen
zu kümmern. Auf dieser Versammlung, diese Einschätzung war zu hören, verlor
er sich erst einmal in Vereinsmeierei.
Und was über die Atmosphäre aus der Versammlung nach draußen drang, klang,
um das Mindeste zu sagen, nicht gut. Als Deniz Yücel die Versammlung
eröffnen wollte, wurde er von Buhrufen gestört. PEN-Mitglieder sprachen von
einer „vergifteten Atmosphäre“, von einer von Anfang an spürbaren
„Eskalation“, von „wenig Bereitschaft“, überhaupt zuzuhören, und von …
„disparaten Diskussion“. Ein Mitglied wähnte sich „im falschen Film“, …
anderes sprach sarkastisch vom „Gott des Gemetzels im Vereinsheim“.
## Heftige Reaktionen
Der Eindruck ist, dass der PEN derzeit tief gespalten ist. Es gibt offenbar
eine wild entschlossene Gruppe von Mitgliedern, die Deniz Yücel abwählen
wollen. Und es gibt eine genauso entschlossene Gruppe, die trotz mancher
Bedenken, darauf setzen, dass unter seiner Präsidentschaft der PEN
sichtbarer und auch moderner werden könnte. Und zwischen beiden Gruppen
scheint eine Verständigung kaum möglich zu sein.
Für viele Teilnehmer war offenbar schon schwierig, die Heftigkeit der
Reaktionen gegen Yücel nur aus dem Sachgehalt der gegen ihn vorgebrachten
Vorwürfe zu erklären. Wenn man nachfragt, werden tiefer gehende und schon
länger schwelende Konflikte vermutet, die nun zutage treten.
So ging dieser Tag, der eine Klärung bringen sollte, erst einmal dahin. Die
Abstimmung über den Antrag, Deniz Yücel als PEN-Präsident abzusetzen, wurde
erst am frühen Abend abgehalten. 45 Prozent der Mitglieder stimmten für den
Antrag, der Rest stimmte dagegen oder enthielt sich.
Ein denkbar knappes, aber klares Ergebnis. Eine Mehrheit wäre nötig
gewesen, um Yücel abzuwählen. Der Antrag, den gegen Yücel opponierenden
Generalsekretär Heinrich Peuckmann abzuwählen, wurde allerdings auch
abgelehnt. Dem Antrag, den Schatzmeister Joachim Helfer abzulösen, wurde
hingegen stattgegeben. Helfer war ein Mitstreiter von Yücel in den
zurückliegenden Auseinandersetzungen. Vielleicht zog Yücel auch deshalb die
Konsequenz, das Amt des Präsidenten des PEN aufzugeben.
Wie es nun weitergeht und wie man beim PEN überhaupt zusammenarbeiten
möchte, tja, das bleibt auch erst einmal eine offene Frage.
13 May 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Dirk Knipphals
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