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# taz.de -- Wahlkampf in den USA: Showdown im Pfirsichstaat
> Die Vorwahlsaison in den USA ist auch ein Test für Trump: Wie viel Macht
> hat er noch in seiner Partei? In Georgia könnte er sich verschätzt haben.
Bild: David Perdue will Gouverneur von Georgia werden – mithilfe von Trump
Etwas ist schiefgegangen. Die Türen der Veranstaltungsräume der
Kirchengemeinde sind verschlossen, und keiner weiß, wo der Schlüssel ist.
Deshalb wird das dunkelblaue Banner mit dem roten Elefanten, dem Symbol der
Republikanischen Partei, nun draußen an der Ladefläche eines dunklen
Pick-up-Trucks aufgehängt. Davor steht David Perdue – 72 Jahre,
hochgewachsen, schlank. In seinem karierten Jackett und seinen glänzenden
braunledernen Schnallenschuhen sieht er nicht so aus, als habe er
regelmäßig mit Pick-up-Trucks zu tun. Ein Eindruck, den er während seines
Auftritts tunlichst zu vermeiden versucht. „Das ist meine Art von Treffen,
Leute“, sagt Perdue ein bisschen zu jovial und zeigt auf die Kirche hinter
ihm. „Wisst ihr, da drin müsste man ja höflich sein …“ Die Umstehenden
lachen.
Perdue will Gouverneur von Georgia werden und tourt deshalb durch die
Ortsvereine. Er ist ein bisschen zu spät gekommen zum Treffen im [1][Dorf
Watkinsville]. Die Republikaner*innen von Oconee County haben schon
ohne ihn mit ihrem monatlichen Meeting begonnen, seine Chance zum
persönlichen Tête-à-Tête hat er vertan. Als Perdue das Wort bekommt, geht
er nach kurzem Begrüßungsgeplänkel sofort in die Vollen: „Unser Staat ist
in Schwierigkeiten. Wir sind an einem Kipppunkt.“
Die Bedrohung ist hier die Demokratische Partei – und Perdue in seiner
Erzählung der Retter. „Sehen Sie, ich kandidiere nicht, um Karriere zu
machen. Ich hatte mein Geschäft 40 Jahre lang. Es geht darum, unseren Staat
zu retten“, sagt Perdue. Er spricht frei, seine Stimme ist durchdringend.
Wenn Perdue merkt, dass ein Punkt ankommt, feuert er das Publikum mit einem
kurzen „Come on, guys!“ zu Applaus an. Er versucht, sich als
Klartext-Redner darzustellen.
Doch Perdue ist auf schwierigem Terrain, er tritt gegen den Amtsinhaber an
– der auch Republikaner ist: „Ich war’s nicht. Die Partei war schon
gespalten, bevor ich ins Rennen kam“, sagt Perdue. Noch am Vorabend hat er
sich bei einem TV-Duell mit seinem Parteikollegen und Konkurrenten Brian
Kemp so gezankt, dass einige von „Kindergarten“ sprachen. Perdue braucht
dringend Unterstützung, um bei den Vorwahlen am 24. Mai zum offiziellen
Kandidaten der Partei gewählt zu werden.
Dabei hat er das, was bei den Republikanern mancherorts als „das
goldene Ticket“ gilt: Donald Trumps Rückendeckung. Es ist Vorwahlsaison,
die Parteien stimmen darüber ab, wer für sie bei den Halbzeitwahlen im
November ins Rennen gehen darf, wenn ein Drittel des Senats und das gesamte
Repräsentantenhaus gewählt werden. In einigen Bundesstaaten stehen darüber
hinaus noch weitere Wahlen an, wie in Georgia, wo die Wähler*innen unter
anderem über ihren nächsten Gouverneur abstimmen werden.
Der frühere US-Präsident hat insgesamt knapp 130 Kandidat*innen fast
überall in den USA seine Unterstützung zugesagt. Die Wahlsaison ist also
auch ein Test: Hat Trump noch genug Macht und Ansehen, den Königsmacher zu
spielen?
In manchen Wettbewerben um die Kandidatur hat sein Kalkül schon
funktioniert. In Ohio zum Beispiel ließ Trumps öffentliche Unterstützung
seinen Protegé, den Schriftsteller J. D. Vance, in den Umfragen
hochschnellen. Er gewann die Vorwahl, die dort schon Anfang Mai war. An
vielen anderen Orten hat Trump sich Kandidat*innen ausgesucht, deren
Sieg bei den Halbzeitwahlen als sicher gilt.
Aber in Georgia? Hier mischt Trump sich in ein brisantes Rennen ein, das
die Risse in der Republikanischen Partei offenlegt und zeigt, wie
abgedriftet die Partei teils schon ist. Georgia könnte auch Trumps Image
als Königsmacher gefährden.
Trump und Perdue haben in dem Bundesstaat vor allem ein Problem: Der
derzeitige Amtsinhaber, der republikanische Gouverneur Brian Kemp, will
sich wiederwählen lassen. Kemp hatte früher auch mal das Trump’sche goldene
Ticket, das war im Jahr 2018. Damals erklärte Trump, eine Stimme für Kemp
sei auch eine für ihn – Georgia wählte ihn zum Gouverneur. Heute klingt das
aus Trumps Mund so: „Brian Kemp ist ein Wendehals, ein Feigling und ein
komplettes und totales Desaster.“
Zwischen 2018 und 2022 lag die Präsidentschaftswahl, die der Demokrat Joe
Biden gewann. Das will Trump aber bis heute nicht eingestehen. Kemp ist
deswegen ein Feindbild: Als Gouverneur bestätigte er die Wahlergebnisse
seines Bundesstaats, der zuvor lange als sicher konservativ galt, dann aber
knapp an Biden ging. Der Ex-Präsident und seine Wähler*innenschaft
behaupten nach wie vor, die Wahl sei „gestohlen“ worden. Kemp ist in Trumps
Welt nun einer von den „Rinos“: Ein „Republican in name only“, ein
versteckter Liberaler. Keine ganz neue Beleidigung – aber aus Trumps Mund
sind damit nun offensichtlich alle gemeint, die bei seinen Lügen nicht
mitmachen.
Das ist der Graben, der zwischen den Kandidat*innen verläuft – und
durch die Partei. „Brian hatte Trumps Unterstützung – wisst ihr, wer sie
nun hat? Ich!“, ruft Perdue in Watkinsville. „Er hat sie nicht in diesem
Jahr, er wird sie nicht bekommen, und wie in aller Welt soll er die
Trump-Wähler*innen dazu bewegen, rauszugehen und ihre Stimme abzugeben?“
Dabei ist Kemp stramm konservativ. Von Perdue, der früher Senator war,
unterschied ihn nie besonders viel: Beide wollen schwache Waffengesetze,
sie hetzen gegen Einwanderung und gegen in ihren Augen zu „woke“ Schulen.
Kemp hat sich in seiner früheren Position als „Secretary of State“ von
Georgia einen unrühmlichen Namen damit gemacht, das Wählen vor allem für
nichtweiße Bürger*innen mit allerhand Schikanen erschwert zu haben.
Als Gouverneur hat Kemp 2019 ein Gesetz unterzeichnet, das Abtreibungen ab
etwa der sechsten Woche verbieten würde, also bevor viele Schwangere von
ihrer Schwangerschaft überhaupt wissen. Ein Gericht allerdings verhinderte
das Inkrafttreten. Nach Signalen, dass der Supreme Court bald [2][strengere
Gesetze] möglich machen könnte, kündigte wiederum David Perdue an, ein
komplettes Verbot von Abtreibungen zu unterstützen, selbst bei
Vergewaltigungen.
Also: radikal gegen radikaler? Perdue muss auch am Abend im Dorf
Watkinsville etwas mehr aufbieten, um sich abzusetzen. Der Südstaat Georgia
ist landwirtschaftlich geprägt, das verrät schon sein Spitzname
„Pfirsichstaat“. Zwar ist der Bundesstaat nicht der größte Produzent von
Pfirsichen in den USA – aber einer der größten sowie die Nummer eins bei
Erdnüssen, Pekannüssen und Blaubeeren. Watkinsville liegt im Nordosten
Georgias, mit dem Auto etwa 75 Minuten entfernt von der Hauptstadt Atlanta,
dem Geburtsort Martin Luther Kings. Die Gegend hat ländlich-idyllischen
Charakter – und genau den, glaubt man den Kritiker*innen, könnte ein
lokales Projekt stören.
Der US-amerikanische Elektroautohersteller Rivian plant, auf 809 Hektar
eine Fabrik zu bauen. Für Kemp ist das ein erfolgreicher Deal, der
Arbeitsplätze schafft, Anwohner*innen fürchten jedoch den Verlust von
landwirtschaftlicher Fläche. Sie sorgen sich um die Wasserversorgung und
bezeichnen die Planung als intransparent. Für Herausforderer Perdue ist das
eine Chance, sich als Alternative zum Amtsinhaber zu profilieren. „Rivian
ist eine woke kalifornische Firma, die sich mehrheitlich im Besitz von
George Soros befindet“, sagt er in Watkinsville. Soros, der häufig von
rechten, antisemitischen Verschwörungstheoretiker*innen
verunglimpft wird, erwähnt Perdue gleich mehrfach – es ist ein Zwinkern in
Richtung Schwurbler*innen. Nach Recherchen von Bloomberg ist Soros Fund
Management nur der zehntgrößte Aktionär von Rivian. Hört man Perdue zu,
gewinnt man den Eindruck, dass Soros in Georgia eigentlich überall seine
Hände im Spiel habe.
„Woke“ sowie „kalifornisch“, sprich: demokratisch – das will hier vor…
Kirche in Watkinsville wirklich niemand sein. Es zögen derzeit viele
Menschen aus New York und Kalifornien in die Gegend – ob sie befürchten
müssten, dass es hier bald noch mehr Demokrat*innen gebe?, fragt eine
Frau den Trump-Protegé Perdue. Wenn die „woke“ kalifornische Firma komme,
dann ja, sagt der, ohne zu zögern. Perdues Kalkül: Wenn der Rivian-Deal den
Menschen als intransparenter, von dunklen „woken“ Mächten gesteuerter
Handel erscheint, färbt das auch auf den Gouverneur ab, der den Deal
unterstützt.
Für Verschwörungserzählungen gibt es auch an diesem Abend ein Publikum.
Victoria Cruz, eine Frau mittleren Alters, ist wütend auf Gouverneur Kemp.
Er gehe überhaupt nicht auf die Kritik der Bürger*innen an Rivian ein,
„und wir misstrauen unserem Gouverneur sowieso schon“. Kemp habe nicht
geholfen, den „Wahlbetrug“ zu untersuchen. „Er ist komplett unempfänglich
für all das, was die Bürger*innen wollen“, sagt Cruz. „Er regiert wie
ein Diktator.“ Sie glaubt daran, dass die Pandemie orchestriert war,
womöglich, um geheime Deals um die US-Wahl herum besser aushandeln zu
können. Sie sei schon immer für die Republikaner gewesen, früher aber nicht
politisch aktiv, sagt Cruz. Das änderte sich mit den Wahlen 2020, die auch
sie für „gestohlen“ hält, danach trat sie in die Partei ein.
Für Wähler*innen wie Cruz wäre Perdue eigentlich wie gemacht. Doch er
kann zumindest bei ihr nicht punkten. „Ich habe gerade ein Bild auf meinem
Handy gesehen, auf dem er Brian Kemp im Frühjahr 2021 freudig umarmt“, sagt
Cruz. Jetzt wisse sie auch nicht mehr, wer hier eigentlich wen anlügt, und
sie fragt sich, wie es zu Perdues Sinneswandel kam.
Ihr Verschwörungsglaube wendet sich längst auch gegen die eigene Partei:
Das Republican National Committee auf Bundesebene sei korrupt, genau wie
das der Demokraten, sagt sie. „Beide haben Geheimpläne, die wir, die
kleinen Leute hier unten, nicht kennen dürfen.“ Auch die Republikaner vor
Ort seien beeinflusst davon. Neue Leute würden in den Ortsvereinen nicht
gerade mit offenen Armen empfangen. Sie habe ein halbes Dutzend Mal
ehrenamtlich ausgeholfen bei Veranstaltungen. „Ich bekomme aber nur Anrufe
für die Dinge, für die sie niemand anderes kriegen.“
Cruz ist nicht allein mit ihrem Verschwörungsglauben. Bei einer Umfrage im
Januar dieses Jahres haben zwei Drittel der republikanischen Befragten der
Falschaussage zugestimmt, dass „Wahlbetrug Joe Biden geholfen hat, die Wahl
2020 zu gewinnen“, berichtete der öffentliche Rundfunk NPR. Donald Trump
heizt das weiter an, sät wieder und wieder Misstrauen.
Und das wird für viele republikanische Amtsträger*innen zum Problem.
Zum Beispiel für die Vorsitzende der Republikaner*innen in Oconee
County, Katherine Hurley. „Es ist sehr schwierig“, sagt Hurley auf die
Frage, wie sich die erbitterten Positionen in ihrer Partei vereinen lassen.
Einen Tag nach Perdues Besuch in Watkinsville sitzt sie beim Eistee auf der
Terrasse eines Restaurants im Ortskern. Die Immobilienmaklerin weicht der
Frage des Wahlbetrugs ein wenig aus. Die Leute seien durchaus wütend,
verlangten, dass sie etwas tue – „und auf gewisse Art und Weise mache ich
das auch“, sagt Hurley. Sie ringt sichtlich um Worte, um die Trump-Seite
zumindest teilweise zufriedenzustellen. „Aber ich bin eher ein Mensch, der
nach vorne schaut, nicht zurück“, sagt sie schließlich. Hurley macht aber
auch klar, dass sie glaubt, Gouverneur Kemp habe gemäß den Gesetzen
gehandelt, als er die Wahlergebnisse und damit Trumps Niederlage formal
bestätigte.
Nun, so sieht es Hurley, ist der Ex-Präsident auf Rachefeldzug. „Als Trump
zunächst anfing, sich an diesem Rennen zu beteiligen, wurde es sehr
persönlich“, sagt Hurley. „Er mag Kemp wirklich nicht. Er gibt Kemp die
Schuld dafür, dass er Georgia nicht gewonnen hat.“ Aber Trump mische sich
nicht nur da ein: Er sei in den Wettstreit um den Gouverneur verwickelt,
den Vizegouverneur, den US-Senat und den zehnten Kongresswahlbezirk …
Hurley spricht davon, dass eine Menge „Schachfiguren“ herumgeschoben
würden.
Was sie Trump sagen würde, wenn sie ihn träfe? Hurley zögert kaum: „Sir,
bei allem Respekt: Sie müssen sich aus Georgia raushalten. Lassen Sie uns
das machen.“
Noch am Vorabend hat Katherine Hurley der versammelten Menge bei Perdues
Auftritt vor der Kirche gesagt, sie könne als Vorsitzende nicht sagen, wen
sie wähle. Jetzt wird nach und nach klar, was sie von manchen
Kandidat*innen mit Trump-Siegel für Georgia hält: „Herschel Walker –
großartiger Football-Spieler. Ich kann ihn nicht genug loben. Ein
Geschäftsmann mit jahrelanger Erfahrung“, sagt sie und kritisiert dann: „Er
war aber bis vor etwa zwei Monaten noch ein Einwohner von Texas.“ Den
Lokalfaktor hat der Ex-Präsident nicht beachtet.
In seiner Rachsucht unterschätzte er offenbar auch die Tatsache, dass
Gouverneur Kemp beliebt ist bei den konservativen Wähler*innen – vor
allem, weil der Bundesstaat so wenige Coronarestriktionen während der
Pandemie hatte.
Letztendlich würde Hurley aber wohl jeden Republikaner unterstützen, der
das Rennen für die Kandidatur macht. Und viele andere würden das auch, sie
wollen unter allen Umständen gegen die demokratische Konkurrenz gewinnen:
Republikaner*innenschreck Stacey Abrams ist die einzige Anwärterin
ihrer Partei auf den Gouverneur*innenposten. Sie ist beliebt. Also heißt es
für viele konservativ Gesinnte jetzt schon: Hauptsache, Stacey vermeiden.
„Wir wollen jemanden, der ist wie wir“, sagt Hurley. Sie zeichnet ein Bild
einer fixen Identität, die sie für den Bundesstaat voraussetzt: Ihr Mann
und sie haben ihren Sohn und ihre Tochter in Georgia auf eine christliche
Schule geschickt, weil sie wollten, dass ihre Kinder auf dieselbe Art
aufwachsen wie sie.
Von Werten spricht auch Brian Kemp, als er zwei Tage später in hellen
Jeans, Karohemd und Cowboystiefeln auf der Hinterhofveranda eines
Grillrestaurants in Carrollton steht. Er hat seine Frau und eine seiner
drei Töchter mitgebracht. Die Mittagssonne sticht, es ist eng und heiß. Im
Publikum sitzen auch Doyle und Rebecca Akins, sie 79, er 80 Jahre alt.
Beide haben zuvor Trump gewählt. Heute präsentieren sie sich im Partnerlook
im roten Kemp-Fanshirt.
Woanders wurde Kemp schon einmal von wütenden Trump-Anhänger*innen
angepöbelt. In Carrollton, einem idyllischen Städtchen mit etwa 27.000
Einwohner*innen im Nordwesten Georgias, ist das Publikum wohlwollend.
Die örtlichen Würdenträger*innen und Wähler*innen haben vor der
Veranstaltung auf Kemps schwarz-roten Wahlkampfbus gewartet, beim Weg durch
die Menge begrüßte er viele von ihnen persönlich, auch die Akins.
In seiner Ansprache konzentriert sich Kemp zunächst darauf, wie früh
Georgia in der Pandemie anfing, Geschäfte wieder zu öffnen. Schon im April
2020 konnten etwa Spas und Bowling-Bahnen den Betrieb wieder aufnehmen – so
zeitig, dass sich sogar Trump zögerlich äußerte. Dass Georgia mit seinen
343 Covid-Todesfällen pro 100.000 Einwohner*innen im vorderen
Mittelfeld der Bundesstaaten bei den Todeszahlen liegt, erwähnt Kemp
natürlich nicht. „Wir haben nie Kirchen in Georgia geschlossen. Und solange
ich euer Gouverneur bin, werden wir das auch nie“, sagt er. Dafür bekommt
er viel Applaus.
Auf Trump geht er heute gar nicht erst ein, ebenso wenig wie auf Perdue.
Gegen seinen Kontrahenten hat er zwei Tage zuvor indirekt ausgeteilt: In
einem von Perdues Lieblingsrestaurants in dessen altem Heimatort Bonaire
hat Kemp eine Regelung zur Senkung der Einkommensteuer in Georgia
unterzeichnet.
Überhaupt lässt Kemp es vor den Vorwahlen noch einmal Gesetze regnen. David
Perdue sagt bei seinem Wahlkampftermin: „Ich will den woken Mob raushaben
aus unseren Schulen.“ Nur wenig später unterzeichnet Kemp Gesetze, die das
Sprechen über Rassismus in Schulen einschränken – ausgerechnet in Forsyth
County, wo 1912 ein brutaler Mob alle Nichtweißen mit Gewalt aus dem
County jagte, bis nur noch weiße Menschen dort lebten.
Es ist ein schmutziger Wettbewerb: Wer kann wen überbieten, wer bedient die
Ressentiments der Wähler*innenschaft am besten? Noch hat Kemp als
Amtsinhaber die Oberhand.
Nach seiner Ansprache auf der Veranda des Grillrestaurants begeben sich die
Zuhörer*innen nach drinnen zum Lunch-Buffet. Das Ehepaar Akins hat sich
an einen kleinen Tisch gesetzt. Die Lüge vom großen Wahlbetrug zieht bei
ihnen nicht: „Trump hat eine Menge guter Sachen gemacht und auch einen
guten Job als Präsident“, sagt Doyle Akins. „Aber er hat eine Linie
übertreten, als er versuchte, die Leute zu illegalen Sachen anzutreiben, um
die Wahl zu drehen.“
Das Ehepaar ist überzeugt, dass Brian Kemp bei den Primaries siegen wird.
Die Umfragen geben ihnen recht, sie zeigen einen komfortablen Vorsprung für
den Amtsinhaber. Und dann auch noch das: Trumps Vize Mike Pence hat sich
überraschend hinter den 58-Jährigen gestellt und ihm seine Unterstützung
ausgesprochen. Brian Kemp sei „einer der erfolgreichsten konservativen
Gouverneure Amerikas“, erklärte Pence. Eine Ansage, die ein US-Medium als
„politisches Äquivalent eines erhobenen Mittelfingers“ von Pence in
Richtung seines alten Chefs Donald Trump beschreibt.
Donald Trump mag sich als Königsmacher sehen. Doch in Georgia könnte ihn
eine Klatsche erwarten. „Das ist das Überraschende“, sagt Katherine Hurley.
Ab und zu bekomme sie Anrufe von Leuten, die ein Schild der
Kandidat*innen für ihren Garten wollten. Kürzlich habe eine Frau aus
der Gegend sie angerufen und um eine Tafel mit dem Namen des Gouverneurs
gebeten: „Ich habe mein Trump-Schild schon da stehen, jetzt brauche ich
noch mein Kemp-Schild“, habe sie gesagt.
Auf Hurleys Frage, wie sie das miteinander vereinbare, habe die Frau
geantwortet: „Nun, Trump war mein Präsident. Kemp ist mein Gouverneur.“
21 May 2022
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[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Watkinsville,_Georgia
[2] /Kampf-ums-Recht-auf-Abtreibung/!5850504
## AUTOREN
Eva Oer
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