# taz.de -- Russlands Ziele in der Ukraine: Putins poröse Propaganda | |
> In der Ukraine laufe alles nach Plan, sagt der russische Präsident. Doch | |
> was genau ist der „Plan“? Auch nach drei Monaten ist das die große Frage. | |
Bild: Streicheln macht immer einen guten Eindruck: russische Soldaten in der uk… | |
Moskau taz | Als der russische Präsident Wladimir Putin am 24. Februar | |
seinen Marschbefehl zum Überfall der Ukraine gibt und diesem den | |
[1][euphemistischen Ausdruck „militärische Spezialoperation“] verleiht, | |
sagt er Sätze, die er seit nun drei Monaten wiederholt. Russische Truppen | |
kämpfen in seinen Augen „für Russland, für ein friedliches Leben der | |
Menschen im Donbass, für die Entnazifizierung und Demilitarisierung der | |
Ukraine“. Ein vom Westen geschaffenes „Anti-Russland“, direkt an der | |
russischen Grenze, so Putin in seinem hasserfüllten Ausbruch, solle | |
Russland nicht mehr bedrohen, auch nicht mit Atomwaffen, sagt er, „wie es | |
zuletzt der Fall war“. | |
Dieses Konstrukt, durch hanebüchene Ausführungen über den Westen und die | |
Sicherheit in Europa unterfüttert, wird seitdem furios bedient, von | |
Minister*innen, von Beamt*innen, von Propagandist*innen. Von sehr vielen | |
Menschen im Land. Die „militärische Spezialoperation in der Ukraine“ laufe | |
„nach Plan“, die „Ziele“ würden „erfüllt“. So spricht Putin bei j… | |
seiner öffentlichen Auftritte. | |
Der „Plan“ und die „Ziele“ sind zu seinem Mantra geworden, zu einer | |
Worthülse, die bis heute inhaltslos ist. Kein Mensch in Russland kann diese | |
„Ziele“ konkret benennen. Alle stützen sich auf das sinnentleerte und | |
umgedeutete Gebilde der „Vernichtung des Nazismus“ in Europa. Die „Nazis�… | |
in der Ukraine sollten weg, sagen regierungstreue Russ*innen. Was sie unter | |
„Nazis“ verstehen, kann allerdings kaum einer erklären. Auch die russische | |
Regierung nicht. Für sie ist letztlich „Nazi“, wer die offiziöse Meinung | |
Moskaus infrage stellt. All diese gelte es zu vernichten. | |
Deshalb dauere die „Operation“ in der Ukraine so lange, versucht das in | |
Erklärungsnot geratene russische Staatsfernsehen zu verklickern. Vor | |
einigen Tagen sprach der stellvertretende Sekretär des nationalen | |
Sicherheitsrates, Raschid Nurgalijew, plötzlich von „Schwierigkeiten“. | |
Konkret benannte er sie nicht. Auch der ehemalige Oberst Michail | |
Chodarjonok erlaubte sich in einer Talkshow im Staats-TV so etwas wie | |
kritische Worte zum Fortgang der „Spezialoperation“. Die Situation könnte | |
sich für Russland verschlechtern, sagte er. Vor allem vom Westen wurde er | |
für seinen vermeintlichen Mut gefeiert – der allerdings keiner war. | |
Denn Chodarjonok stellte dabei die russische Ukrainepolitik nicht in Frage, | |
sondern verwies darauf, dass in der Ukraine ein stärkerer Gegner sitze, als | |
viele in Russland glaubten. Nur einige Tage später stellte er nochmals | |
klar, dass die Oberste Kommandoebene Russlands alles dafür tue, dass die | |
Ukraine „schon bald unangenehm überrascht“ werde. Am Fortgang der | |
„Spezialoperation“ darf in Russland offiziell niemand zweifeln. | |
## Keine Blumen | |
Zum einen kämpfe Russland gegen jeden Ukrainer und jede Ukrainerin, die der | |
„30-jährigen Gehirnwäsche aus dem Westen“ anheimgefallen seien und die | |
„Liebe und die Gerechtigkeit Russlands“ nicht anerkennen, so das Narrativ. | |
Zum anderen sei Russland eigentlich im Kampf gegen die Nato, die ja viel | |
stärker sei als das russische Militär. Aber: Die „Ziele“ würden „erfü… | |
denn alles laufe „nach Plan“. | |
Dass eine geplante „Entmilitarisierung“ und „Entnazifizierung“ nur mit | |
einer Okkupation einhergehen konnte, diese Tatsache hat die russische | |
Führung von vornherein weggewischt. Sie war von Anfang an der falschen | |
Überzeugung aufgesessen, dass die Ukraine sich innerhalb von wenigen Tagen | |
ergeben würde. Dass die Ukrainer*innen die russischen „Friedenskrieger“ | |
mit Blumen empfangen würden. Eine Okkupation und ein Regimewechsel in der | |
Ukraine sehe Moskau nicht vor, wiederholt der russische Außenminister | |
Sergei Lawrow stets. | |
Dass in Cherson russische Fahnen an Regierungsgebäuden wehen, dass der | |
ukrainische Bürgermeister von den Russen abgesetzt worden ist, dass dort | |
der Rubel eingeführt werden soll, dass nur noch das russische Fernsehen | |
empfangen werden kann, dass weiterhin der ukrainische Mobilfunk abgestellt | |
wurde und die Gerüchte nach einem Referendum zur Schaffung der sogenannten | |
„Volksrepublik Cherson“ nicht verstummen, nennt Lawrow freilich keine | |
Besetzung. | |
Die Rossijskaja Gaseta, das Amtsblatt der russischen Regierung, beantwortet | |
derweil 13 Fragen zu „Gründen“ und „Zukunft“ der „Spezialoperation�… | |
Russen werden nicht gehen, bis der letzte Nazi vernichtet ist“, steht da. | |
Moskau verspreche „nach der Herstellung des Friedens“ in der Ukraine „fre… | |
und faire Wahlen“. Endlich könnten die Ukrainer selbst über ihr Leben | |
entscheiden, heißt es da. „Die Ukraine als Staat wird bleiben, in welchem | |
Status ist eine andere Frage.“ Eine Frage, die von der russischen Regierung | |
nicht beantwortet wird. | |
Selbst mit dem Wort „Entnazifizierung“ können die wenigsten Russ*innen | |
etwas anfangen, viele können es nicht einmal fließend aussprechen. Deshalb, | |
so schreiben [2][unabhängige, russische Journalist*innen] und beziehen | |
sich auf Quellen aus der Kremlverwaltung, werde womöglich ein anderes Wort | |
dafür gesucht. „All diese Wortkonstruktionen müsste man eigentlich | |
wegwerfen. Da der Kreml sie aber nicht wegwerfen kann, muss er all das | |
anders verpacken, umbenennen, uminterpretieren“, sagt Marat Gelman, ein ins | |
Exil gedrängter russischer Galerist und früherer Polittechnologe. „Die Lüge | |
von der schnellen Einnahme der Ukraine hat nicht funktioniert. Nun muss der | |
Kreml alles umbauen, er muss ein Ziel finden.“ | |
22 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Inna Hartwich | |
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