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# taz.de -- Absturz in Schleswig-Holstein: SPD weggepustet
> Die SPD erlebt eine herbe Niederlage in Schleswig-Holstein. Ihr Kandidat
> Losse-Müller verwechselte Regierungserfahrung mit Verankerung im Land.
Bild: Maue Stimmung: Enttäuschung bei den SPD-Anhängern in Kiel nach der erst…
Kiel/Berlin taz | Ralf Stegners Mundwinkel hängen am Sonntagabend noch ein
bisschen tiefer als sonst. „Das ist ein Debakel für die SPD
Schleswig-Holstein“, erklärt der frühere SPD-Landeschef. „Das erste Mal
seit 40 Jahren unter dem Bundestrend.“ Mit nur noch rund 16 Prozent hat
sich der Absturz seit der vorherigen Wahl dramatisch beschleunigt, als die
SPD mit 27 Prozent wenigstens noch in Schlagdistanz zur CDU lag. Nun liegen
sie laut Hochrechnungen sogar deutlich hinter den Grünen, mit denen sie
eigentlich regieren wollten.
Dass der SPD für weitere fünf Jahre nur die Oppositionsbank bleibt, hat
auch mit dem Mann zu tun, der angetreten war, um CDU-Mann Daniel Günther
als Ministerpräsident abzulösen: [1][Thomas Losse-Müller], langjähriger
Grüner und erst vor anderthalb Jahren zur SPD übergelaufen. Dabei schien
alles auf eine andere Kandidatin zuzulaufen: [2][Serpil Midyatlı] hatte
sich über Jahre zur Spitzengenossin aufgebaut.
Die Unternehmerin hatte ein sozialdemokratisches Aufstiegsmärchen
geschrieben. 2019 wurde sie Landeschefin, vor einem Jahr beerbte sie ihren
Mentor Stegner als Fraktionsvorsitzende. Doch dann verzichtete sie
überraschend auf die Spitzenkandidatur und hob stattdessen Losse-Müller auf
den Schild.
## Losse-Müller: mit Themen nicht durchgedrungen
Der gibt sich am Abend zerknirscht, räumt ein, dass die SPD mit ihren
Themen nicht durchdrang und Ministerpräsident Günther seine öffentliche
Sympathie voll ausgespielt habe. Dies sei von Anfang an eine „große
Herausforderung“ gewesen, so Losse-Müller.
In Berlin räumt auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im halbleeren
Willy-Brandt-Haus ein, dass seine Partei „unter die Räder geraten sei“.
Eilig schob er dies aber auf eine „strategische Sackgasse“ auf Landesebene,
bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen kommende sehe die Sache weitaus besser
aus.
Auch SPD-Chefin Saskia Esken versucht, Zuversicht zu verbreiten. Ja, das
Ergebnis sei bitter und eine herbe Enttäuschung. Aber die SPD ließe sich
2022 durch solche Rückschläge nicht mehr verunsichern. „Deshalb ist die
Botschaft: Mund abputzen, weitermachen.“ Bei der Wahl in NRW sehe es anders
aus: Sie sei sicher, dass dort SPD-Kandidat Thomas Kutschaty der nächste
Ministerpräsident werde. Die Chancen stehen tatsächlich nicht so schlecht.
## Eine erklärungsbedürftige Nominierung
Auch in Schleswig-Holstein sollte anfangs ein Coup gelingen, der allerdings
bei näherem Hinsehen erklärungsbedürftig war: Ohne Amt und Mandat sollte
der 1973 geborene Losse-Müller, weißer Akademiker aus Eckernförde mit
wohltemperiertem Auftreten, den extrem beliebten Ministerpräsidenten mit
exakt denselben Attributen herausfordern, mit dessen Amtsführung sogar 70
Prozent der SPD-Wähler:innen zufrieden waren? Statt der quirligen Kieler
Arbeitertochter mit türkischen Wurzeln, die sich Tag für Tag im Landeshaus
in der Abteilung Attacke profilieren konnte?
Es sei die „Kombination aus Inhalt und Person“, die Losse-Müller zum
idealen Kandidaten gemacht habe, behauptete Midyatlı im [3][taz Salon]. Der
Kandidat selbst tönte im [4][taz-Interview]: „Klimawandel, Demografie,
Digitalisierung – das sind Themen, für die ich im Land bekannt bin.“ In
Bezug auf den Politikbetrieb mag der frühere Staatskanzleichef damit
richtig liegen. Doch im Land hat sich das nicht herumgesprochen. Auch kurz
vor der Wahl rang er noch darum, auf der Straße erkannt zu werden. Zuletzt
wünschten ihn sich gerade mal elf Prozent der Befragten als
Ministerpräsident.
Der Klimawandel ist zwar auch nach Umfragen das Topthema im Land – aber vor
Ort wird der Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen häufig abgelehnt. Und
das von Losse-Müller ebenfalls ausgerufene Großthema „sozialer
Zusammenhalt“ mit dem SPD-Wahlkampfschlager kostenfreie Kita hätte die
langjährige Sozialpolitikerin Midyatlı glaubwürdiger ausbuchstabieren
können.
## SPD verteidigt ihren Spitzenkandidaten
Fast trotzig bekräftigte Midyatlı am Sonntag dennoch, Losse-Müller sei „der
absolut richtige Kandidat“ gewesen. „Es ist schwierig, mit
landespolitischen Themen einen Wandel anzustoßen, wenn Corona und Krieg
alles überlagern“, glaubt auch Stegner. Dass die Nord-SPD hinterm
Bundestrend zurückblieb, habe nicht an Losse-Müller gelegen: „Wir hatten
bestimmt nicht den falschen Kandidaten. Er hatte zu wenig Zeit, sich
bekannt zu machen.“ Losse-Müller solle nun die Gelegenheit erhalten, dem
Ministerpräsidenten im Landtag Paroli zu bieten. „Er kann das.“
8 May 2022
## LINKS
[1] /Wahl-in-Schleswig-Holstein/!5849196
[2] /Serpil-Midyatl-ueber-Migration/!5811453
[3] https://www.youtube.com/watch?v=OeDbBM5oMc4
[4] /SPD-Spitzenkandidat-ueber-Klimaschutzpolitik/!5849631
## AUTOREN
Jan Kahlcke
Anna Lehmann
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