| # taz.de -- Eurovision Song Contest in Turin: Ukraine 12 Points | |
| > Queer, divers und unterhaltsam ist der Eurovision Song Contest. Bei der | |
| > 66. Auflage am Samstag gibt es einen großen Favoriten. Unsere Prognose. | |
| Bild: Das Kalush Orchestra inklusive Zottelwesen | |
| Die 25 Finalist*innen in der Startreihenfolge: | |
| 1 Tschechien. We Are Domi: „Lights Off“. Na, das klingt auch nicht mehr wie | |
| [1][Karel Gott], dieser Act aus den Electrohoods von Prag. Gut so! | |
| Freundlicher Auftakt aus einem auf der Bühne platzierten Maschinenpark | |
| heraus. Platz 9. | |
| 2 Rumänien. WRS: „Llámame“. Was für ein Außenseiter dieser Konkurrenz: | |
| Andrei Ionuț Ursu, eigentlich Tänzer, kann auch okay in seiner | |
| Wunschmuttersprache Spanisch singen. Atmosphärisch so eine Mixtur aus | |
| fröhlichem Aschenputtel und Dracula. Platz 21. | |
| 3 Portugal. Maro: „Saudade, saudade“. Strenges, ultraakkurat gesungenes, | |
| landestypisch angemessen trauriges Lied, in dem viel Trotzigkeit | |
| mitschwingt: Dieser sehnsüchtige Titel (Saudade = Sehnsucht) ist sogar für | |
| Kulturradios geeignet. Platz 8. | |
| 4 Finnland. The Rasmus: „Jezebel“. Etwas betagtere Metal Band, die die | |
| ESC-Dramaturgie an den Anfang gesetzt hat – mit einem schön-schauerlichen | |
| Mitgröllied, absolut sympathische Dramaturgie, freundlich-rockigere Atmo in | |
| drei Minuten. Platz 12. | |
| 5 Schweiz. Marius Bear: „Boys Do Cry“. Ein Newcomer auch in seinem Land, | |
| dieser junge Mann aus Enggenhütten. Die Televoter werden über die allzu | |
| fluffige Frisur hinwegsehen müssen, seine körperliche Unschlankheit aber | |
| lieben, mal nicht so’n Joghurt-null-Prozent-Schnupsi. Sowieso: Seine These, | |
| dass Jungs sehr wohl traurig sein dürfen, ist immer richtig. Platz 18. | |
| 6 Frankreich. Alvan & Ahez: „Fulenn“. Beim ersten Hören nicht so eingängi… | |
| aber dann … DJ Alvan aus Rennes und das Frauentrio Ahez singen auf | |
| Bretonisch, übersetzt heißt das Lied „Funken“. Der wird bei Connaisseuren | |
| überspringen, klar. Platz 11. | |
| 7 Norwegen. Subwoolfer: „Give That Wolf A Banana“. Tja, das kann dieses | |
| rohstoffreiche und kaum mehr bäuerliche Land doch tüchtig: Musik für die | |
| Coolen, Pop als Idee der Überwölbung und Entgrenzung. Ein Werbeclip für | |
| Südfrüchte und Wolfsmasken. Platz 5. | |
| 8 Armenien. Rosa Linn: „SNAP“. Rosa Kostandyan, wie die Künstlerin | |
| eigentlich heißt, schnippt sich in ihren drei Minuten durch ein zartes, | |
| später kräftiges Lied. Musik zum Schönfinden, elegant in Eriwan abgemischt. | |
| Platz 22. | |
| 9 Italien. Mahmood & Blanco: „Brividi“. Mahmood wurde beim ESC vor drei | |
| Jahren Zweiter, jetzt mit Partner eine Liebesgeschichte, die vom Schauder | |
| brüchiger Liebesgefühle berichtet, hier in diesem Fall eine schwule Story, | |
| ohne dass dies besonders betont wird. Platz 2. | |
| 10 Spanien. Chanel: „SloMo“. Nein, das ist keine Geschichte in Zeitlupe; | |
| die junge Frau, aus Kuba stammend, fegt in angemessener Laszivität absolut | |
| selbstbestimmt zu diesem Dancefloor-Ding. Sehr hoch gewettet, obwohl die | |
| Nummer an allzu starker tänzerischer Perfektion ein wenig leidet. Platz 10. | |
| 11 Niederlande. S10: „De diepte“. Stien den Hollander, so der Name der | |
| Sängerin, mit einer bekennenden „Ich bin so traurig und liebe die | |
| Stille“-Geschichte. Suggestiv, freundlich, makellos, ohne Firlefanz, | |
| attraktiv. Platz 4. | |
| 12 Ukraine. Kalush Orchestra: „Stefania“. Ethno-HipHop-Post-Trash-Folk-Act, | |
| der auch ohne Kriegssolidarität Europas mitfavorisiert wäre. Der Bringer: | |
| der Hut des Sängers und Bandleaders Oleh Psiuk. Platz 1. | |
| 13 Deutschland. Malik Harris: „Rockstars“. Ach, die Deutschen. Man müsste | |
| über den NDR sprechen und sein Unvermögen, echte Popmusik über den ESC zu | |
| lancieren, aber egal: Der Spross eines deutsch-amerikanischen Paars ist | |
| beziehungsweise gibt sich cool, wittert die Chance seines Lebens und hofft, | |
| nicht ganz weit hinten zu landen. Platz 23. | |
| 14 Litauen. Monika Liu: „Sentimentai“. Mal was anderes: Barmusik einer | |
| Chanteuse aus Vilnius, die eine mireille-mathieu-hafte Frisur trägt, leider | |
| schüttelt sie ihre Mähne viel zu selten, aber sie bringt etwas Ruhe in den | |
| Abend, sentimental und schön. Platz 25. | |
| 15 Aserbaidschan. Nadir Rustamli: „Fade To Black“. Das Öl- und Gasreich | |
| gibt sich Jahr für Jahr Mühe, beim ESC so in Erscheinung zu treten, dass es | |
| nicht ans autokratisch regierte Aserbaidschan gemahnt. Junger Mann mit | |
| fader Halbballade. Platz 19. | |
| 16 Belgien. Jérémie Makiese: „Miss You“. Allein die blonden Haare, die | |
| seinen Kopf behelmen, sollten Extrapunkte bekommen. Gute Laune in diesem | |
| verzweifelten Ausruf im Liebesringen um die Geliebte, umflort von einem | |
| hiphopartigen Backgroundchor. Platz 16. | |
| 17 Griechenland. Amanda Georgiadi Tenfjord: „Die Together“. Pompöses, | |
| fast überheizt inszeniertes Stück aus der Abteilung „Schöne Todessehnsucht | |
| in Noten“ mit Bodennebel, fließenden Wässern und mittelgroßer Stimme. Platz | |
| 13. | |
| 18 Island. Systur: „Með hækkandi sól“. Drei Schwestern summen mehr, als | |
| dass sie kräftig singen, wie Wilson Philipps dereinst – textlich widmen sie | |
| sich dem täglichen Thema überall, dem Sonnenaufgang. Neutral und wenig | |
| aufreizend. Platz 24. | |
| 19 Moldau. Zdob și Zdub & Advahov Brothers: „Trenulețul“. Volxmusiker aus | |
| Chișinău, die an diesem Abend dadurch bestechen, dass sie keine privaten | |
| Sorgen erörtern möchten, sondern Lust aufs Leben in aller Prallheit haben. | |
| Gut gelaunt, frisch, dieses Stück über einen kleinen Zug (durch die | |
| Gemeinde). Platz 7. | |
| 20 Schweden. Cornelia Jakobs: „Hold Me Closer“. Wie immer aus dem Land von | |
| Abba, Henning Mankell und Köttbullar eine beängstigend perfekte Popnummer – | |
| schlicht in der Melodie, klassisch in der textlichen Botschaft, mit soften | |
| Beats im Hintergrund. Berührend. Platz 3. | |
| 21 Australien. Sheldon Riley: „Not The Same“. Der queerste Act des Abends, | |
| textlich opulent. Hinter einer Perlen-auf-Gittern-Gesichtsmaske verbirgt | |
| sich ein schüchterner junger Mann aus Down Under. Aber, no idea, but: Warum | |
| wollen so viele schwule Männer partout nicht viril aussehen? Platz 19. | |
| 22 Großbritannien. Sam Ryder: „Space Man“. Mitfavorisiert, weil er über | |
| eine vielmillionenfache Followergemeinde in den sozialen Medien verfügt. | |
| Hat ein bisschen was von Meat Loaf, stimmlich gesehen, die langen | |
| strähnigen Haare hingegen zeigen ihn als Hippie in den Post-Hippie-Jahren. | |
| Bombastnummer. Platz 15. | |
| 23 Polen. Ochman: „River“. Ein Mann auf der Bühne singt ein Lied, sieht wie | |
| ein „boy next door“ aus, fast wie ungeschminkt – und lebt eben davon, alle | |
| Opulenz gar nicht erst zu versuchen. Platz 16. | |
| 24 Serbien. Konstrakta: „In Corpore Sano“. Ana Duric heißt die Sängerin, | |
| sie ist Teil der alternativen Musikszene in Belgrad. Das interessanteste | |
| serbische ESC-Lied seit Jahren – ein Drei-Minuten-Fanal gegen schlechte | |
| Gesundheitsversorgung in ihrem Land, hochartifiziell aufbereitet. Platz 6. | |
| 25 Estland. Stefan: „Hope“. Der Mann aus Viljandi läuft mit seiner Gitarre | |
| gelassen, dennoch irgendwie ruhelos über die Bühne und teilt mit, Hoffnung | |
| zu haben, im Prinzip. Lässiger Schluss eines Tableaus, bei dem dieses Lied | |
| viele Sympathien ernten wird. Platz 17. | |
| 13 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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