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# taz.de -- Aktivistin über ihre Zeit im Gefängnis: „Ich durfte nicht dusch…
> Die Aktivistin Ibi durfte in der Jugendhaftanstalt Schleswig ihre
> Laien-Verteidiger*in nicht sehen und nicht duschen. Sie klagte und hat
> gewonnen.
Bild: War für Ibi in der Jugendhaftanstalt Schleswig „nicht vorgesehen“: D…
taz: Ibi, Sie haben aus dem Gefängnis heraus Behörden des Landes
Schleswig-Holstein verklagt und gewonnen. Warum waren Sie inhaftiert?
Ibi: Es gibt bekanntlich immer wieder [1][Urantransporte] über den
Hamburger Hafen. 2014 haben sich vor und hinter so einem Transport Menschen
angekettet. Mir wurde vorgeworfen, ich hätte damals ein Transparent
hochgehalten und eine angekettete Person gefüttert.
Und dafür gibt’ s Gefängnis?
Verurteilt wurde ich zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen, die sich nach
meinem Einkommen richten. Die hätte ich zahlen oder eben absitzen können.
Ich habe mich für teils-teils entschieden und war 21 Tage in Haft.
Bei der Klage ging es um Dinge, die während der Haft schiefgelaufen sind.
Unter anderem durfte Ihre Rechtsvertretung Sie nicht besuchen. Was hatte
das Gefängnis dagegen?
„Schiefgelaufen“ ist nicht der richtige Ausdruck: Knast ist ein System, in
dem Regeln gebrochen werden – und Gefangene haben wenig Möglichkeiten, sich
dagegen zu wehren. Nicht nur bei mir, auch bei anderen fanden rechtswidrige
Dinge statt. In meinen Fall verweigerte die Gefängnisleitung den Besuch,
weil es sich um eine Laienverteidiger*in handelte.
Wie funktioniert eine Laienverteidigung, darf jede*r sie übernehmen?
Es soll eine Person sein, die vertrauenswürdig und kompetent ist. Sinnvoll
ist, sich ein bisschen juristisch auszukennen, das haben wir
Aktivist*innen uns im Laufe der Zeit selbst angeeignet – auch ich habe
schon Leute in Prozessen vertreten. Das geht, wenn das Gericht das
genehmigt. Aber es ist eine ungewöhnliche Form. Das Gefängnis war
vielleicht zum ersten Mal damit konfrontiert.
Warum halten Sie eine Laienverteidigung für sinnvoll? Schließlich gibt es
finanzielle Beihilfen, um Profi-Anwält*innen zu bezahlen?
Wenn man den Prozess verliert, trägt man die Anwaltskosten aber selbst, das
ist schon ein Punkt. Ebenso wichtig ist der Gedanke der Selbstermächtigung.
Ich fühle mich besser, wenn ich bestimmen kann, was im Gerichtssaal
passiert. Das geht einfacher mit Leuten, die keine Anwält*innen und
nicht so festgelegt sind. Zum Beispiel haben wir uns mehrfach wegen der
Gefahren, die von Uran ausgehen, auf den Notstandsparagraphen berufen.
Das würden Anwält*innen nicht tun, weil es wenig Aussicht auf Erfolg
hat?
Genau, die meisten machen so etwas nicht, weil sie Wert auf Kosteneffizienz
legen. Naja, und solche Sachen wie [2][Konfetti im Gerichtssaal] finden
auch nicht alle Anwält*innen gut.
Ihre Haft ist längst beendet. Warum haben Sie überhaupt geklagt?
Es gibt mehr Leute, die eine Laienverteidigung haben, und die Hoffnung ist,
dass es für sie künftig einfacher wird, wenn es ein Urteil gibt. Ich hatte
im Vorfeld Zweifel gehabt, ob das Gefängnis den Besuch zulässt, war aber
der Meinung, dass wir ein Recht darauf haben, weil im Gesetz von
Verteidiger*innen die Rede ist, nicht nur von Anwält*innen. Das
Gericht hat unsere Meinung bestätigt, wenn auch im Nachhinein.
Dann gab es noch einen anderen Punkt: Sie durften im Gefängnis nicht
duschen. Wieso das denn?
Ja, das habe ich mich auch gefragt. Meine Haft fand im vergangenen Jahr
während der Corona-Hochphase statt, daher begann sie mit einer Quarantäne
in der Jugendhaftanstalt Schleswig. Im Prinzip saß ich dort 23 Stunden am
Tag in der Zelle. Nach einigen Tagen fragte ich nach, wann ich mal duschen
könnte – in der Zelle gab es nur eine Toilette und ein Waschbecken.
Und?
Darauf hieß es, Dusche sei nicht vorgesehen. Ich habe dann schriftlich eine
Duscherlaubnis beantragt, bekam aber keine Antwort. Also habe ich geklagt,
und im Nachhinein wurde festgestellt, dass es sich um einen schweren
[3][Grundrechtseingriff] handelte.
Sind Sie zufrieden mit dem Urteil?
Zufrieden im eigentlichen Sinn bin ich nicht. Ich glaube, [4][Knast] macht
Dinge schlimmer, statt sie zu verbessern. Daher bin ich prinzipiell für die
Abschaffung von Knästen, und dabei hilft mir so ein Urteil nicht weiter.
Aber es wirft ein Schlaglicht darauf, wie viel Scheiße in dem System
passiert, und darum war es wichtig, es zu bekommen.
11 May 2022
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## AUTOREN
Esther Geißlinger
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