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# taz.de -- Debütalbum von Jamaikanerin Koffee: Heile-Welt-Blase kaputt stechen
> Mit „Gifted“ veröffentlicht die junge Jamaikanerin Koffee ihr Debütalbu…
> Sie verbindet amtlichen Dancehallsound mit Afrobeats und R&B.
Bild: Erdet die Dancehall: Koffee
Bässe wärmen, eingängige Melodien schmeicheln, Beats von Reggae über
Dancehall zu Afrobeats animieren. Darüber singt und toastet, wie der für
Reggae und Dancehall charakteristische Sprechgesang auch genannt wird, die
jamaikanische Künstlerin Koffee über Liebe, Gott, Statussymbole, Erfolg und
Dankbarkeit. Beim ersten Hören wirkt „Gifted“, das Debütalbum der
22-Jährigen, wie unbeschwertes Abfeiern von Oberflächlichkeiten. So einfach
ist es aber nicht.
Im Jahr 2017 wurde Mikayla Simpson als Teenagerin zur
Social-Media-Bekanntheit. Der [1][jamaikanische Sprintstar Usain Bolt]
hatte ein Video von ihr auf seinem Instagram-Profil geteilt, in dem sie ihr
Stück „Legend“ singt. Darin stellt sie den Leichtathleten als Vorbild in
eine Reihe mit für das Selbstverständnis der jamaikanischen Gesellschaft
wichtigen Personen wie der Schriftstellerin Louise Bennett-Coverley alias
Miss Lou, dem streitbaren Publizisten und Politiker Marcus Garvey und
Reggae-Legende Bob Marley.
Mit dem Tune „Toast“ wurde Koffee 2018 dann zur Hoffnungsträgerin für
Reggae und Dancehall, Unterstützung bekam sie von Größen wie Protoje und
Chronixx, die im Musikvideo auftauchen. Über Jamaika hinaus erfolgreich
wurde „Toast“ auch durch die musikalische Öffnung. Das Instrumental
verbindet Elemente aus Reggae, [2][Dancehall] und HipHop und erinnert an
Afrobeats, Musik, die vor allem in Großbritannien und Westafrika
erfolgreich ist und die wiederum Stilmittel aus Dancehall mit R&B und Naija
oder Hiplife verbindet.
Die Tunes von Koffee sind Ausdruck einer globalen Popmusik, die geprägt ist
von afrikanischen und afrodiasporischen Communitys. Mainstreampotenzial
verstärkte ein Plattenvertrag mit dem Major-Label Columbia, auf dem 2019
die EP „Rapture“ erschien, mit der Koffee 2020 den US-Musikpreis Grammy für
das beste Reggae-Album gewann. Die fünf Tracks mit einer Gesamtspielzeit
von um die 15 Minuten machten sie zur ersten Frau, die den Preis bekommen
hat.
Inzwischen ist Koffee international vernetzt, hat mit dem britischen MC J
Hus und dem US-R & B-Star John Legend zusammengearbeitet. Auf ihrem
Debütalbum zeichnet unter anderem der kalifornische HipHop-Produzent und
Rapper [3][Kendrick Lamar] für das Instrumental des 58-Sekunden-Stücks
„Defend“ mitverantwortlich. Ausgewiesene (Vokal-)Features gibt es auf
„Gifted“ aber keine. Koffee steht im Zentrum, allein, auf dem Cover wie in
der Musik.
Im Sound von „Gifted“ überwiegen erbauende Klangfarben, eingängige
Melodien, optimistische Worte. Koffee droppt Namen von Statussymbolen wie
(Mercedes) Benz oder Modelabels wie Balenciaga, feiert die Community ihrer
jamaikanischen Heimatstadt Spanish Town und ihren persönlichen Erfolg,
preist Gott und zeigt sich durchgehend – so die übergeordnete Erzählung und
das Image von Koffee – dankbar und demütig.
Auch wenn Koffee damit für Bescheidenheit, Dankbarkeit und Positivität
stehen soll, ist die Gebrochenheit der Welt in den Texten und der Musik
zumindest präsent. Kantigere Vortragsweisen und kraftvollere Instrumentals
bei Tunes wie „Pull Up“ oder „Where I’m From“ geben dem Album leichte
Kerben, bevor es ins Fluffige abrutscht.
Mit kurzen, beiläufig eingestreuten Zeilen sticht Koffee die blumige
Heile-Welt-Blase kaputt, bevor sie alles einlullt. In „Defend“ spricht sie
über Gewalt und Perspektivlosigkeit: „Me ah plead, youths ah bleed / From
them heart and them face / And I swear all them tears will not go to waste“
– junge Menschen bluten gefühlt und körperlich, Koffee möchte, dass das
nicht umsonst war. Zwischen Zeilen über Designermode, das sorglose Leben
und niedrigschwellige Spiritualität liegen damit Botschaften, die stärken.
Bei aller Geradlinigkeit des Karrierewegs und der freundlichen, demütigen
Performance hält dieser Realitätscheck das Album und das Bild von Koffee
als Musikerin in Balance.
27 Apr 2022
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## AUTOREN
Philipp Weichenrieder
## TAGS
Jamaika
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Jamaika
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