# taz.de -- Handball in Schleswig-Holstein: Jarpwed, Glümu, Tawa | |
> In Schleswig-Holstein liebt man Handball. Spitzensport gibt es in Kiel | |
> und Flensburg, die Basis spielt in den Dorfvereinen mit lustig klingenden | |
> Namen. | |
Bild: Das gibt es in Deutschland sonst nur beim Fußball: Leinwandübertragung … | |
VON DER PLATTE TAZ Wir Fußball spielenden Kinder in Flensburg lachten die | |
Handballer aus. Wie ihre Vereine hießen! TSV Jarplund-Weding. SG | |
Glücksburg-Munkbrarup. HSG Tarp-Wanderup. Die Abkürzungen waren noch | |
schlimmer. Jarpwed, Glümu, Tawa. Das klang so nach Dorfklub! War es ja | |
auch. Wir Stadtkinder hingegen waren bei drei Buchstaben untergebracht: | |
DGF. TSB. PSV. Das erinnerte doch deutlich an HSV. Oder? Was wir aber | |
merkten, weil über uns in den Tageszeitungen Flensborg Avis und Flensburger | |
Tageblatt damals nur in den Ergebnisspalten am Dienstag berichtet wurde, | |
während es gerade über „Jarpwed“ auch mal Berichte in Textform gab: Die | |
waren ganz schön gut! Der Nachwuchshandball beim TSV Jarplund-Weding | |
erreichte damals in den 80er Jahren die Bundesspitze. | |
Handball war der Sport des Dorfes. In der Stadt wurde Fußball gespielt. So, | |
wie sich das gehörte, obwohl wir den Bundesligafußball nur aus der | |
„Sportschau“ kannten, während der Handball in Form von TSB Flensburg, dann | |
der SG Weiche-Handewitt und dem [1][THW Kiel] sowieso in der obersten Liga | |
repräsentiert war. | |
Vierzig Jahre später haben sich manche Handballvereine einen dritten | |
Partner hinzugenommen, um ausreichend Spielerinnen und Spieler zu haben: | |
HSG Ostenfeld-Wittbek-Winnert. HSG Fockbek-Nübbel-Alt Duvenstedt. Gerade an | |
der Westküste in Nordfriesland oder Dithmarschen sind die Wege weit, kaum | |
ein Verein stemmt die Nachwuchsabteilung mehr allein, Klubs tun sich | |
zusammen, und der Handballverband des Landes (HVSH) hat neue Spielformen | |
entwickelt, damit gerade kleine Kinder nicht für ein Spiel den ganzen | |
Sonntag unterwegs sind; Hin- und Rückspiele an einem Tag, Turnierformen. | |
Handball ist ein beliebter Sport in Schleswig-Holstein, aber auch er hat | |
Nachwuchssorgen. | |
Und doch ist es das stärkste Bundesland der Welt, was den Handball | |
betrifft. Abzulesen war das in einmaliger Form 2007, als die [2][SG | |
Flensburg-Handewitt] und der THW Kiel die Champions League unter sich | |
ausmachten (Kiel gewann). Dabei trägt die SG ihre dörflichen Wurzeln ja | |
stolz im Vereinsnamen, und Turnverein Hassee-Winterbek klingt auch nicht | |
nach großer weiter Welt. Vor Jahren wollte der frühere SG-Manager Thorsten | |
Storm (später auch in Kiel) der SG mal das „Handewitt“ aus dem Vereinsnamen | |
streichen – klang zu provinziell. Er erntete nur einen Sturm der | |
Entrüstung. | |
## Die Politik lässt sich sehen | |
Bei den Derbys, oder wenn es gerade passt, waren und sind die | |
Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten zu Gast. Heide Simonis (SPD) | |
häufig in Kiel, aus Proporzgründen auch mal mit SG-Schal in der | |
Campushalle, heute Flens-Arena. Als sei ihr das Ganze zu | |
bierklebrig-verschwitzt, blieb sie immer etwas auf Abstand zum liebsten | |
Sport ihrer Landeskinder. Peter Harry Carstensen (CDU) passte mit seiner | |
jovialen Art gut zum Handball, hätte sich aber beim Tauziehen oder Boxen | |
genauso wohlgefühlt. Er war der Typ Zuschauer, der am Ende fragt: „Wer hat | |
gewonnen?“, dafür aber viele neue Freundinnen und Freunde gefunden hat. | |
Bei Daniel Günther (CDU) wirkte alles durchdachter, aber nicht kalkuliert – | |
weil er als ehemaliger Handballer Street Credibility hat. Mit dem Wohnsitz | |
Eckernförde lebt er samt Familie mitten im THW-Kernland und man spürt, dass | |
ihm die Kieler mehr am Herzen liegen als die SG – Günther bemüht sich aber | |
um einen Interessenausgleich, ohne dass es aufgesetzt wirkt. | |
## Keine klebrige Verbindung | |
Man kann es als Politiker aber auch so machen wie Robert Habeck. Er wohnte | |
in Flensburg unweit der Duburghalle, wo die Profis der SG trainieren. Und | |
seine Söhne spielten bei der SG an der Schwelle zum Leistungssport. Der | |
grüne Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz sitzt (oder besser | |
gesagt saß) gern ohne Personenschutz in der Flens-Arena und trug wie | |
selbstverständlich sein SG-Trikot. Dass ihm die Flensburger mehr am Herzen | |
liegen, verschweigt er nicht. | |
Eine allzu klebrige Verbindung sind die Politik und der Handball in | |
Schleswig-Holstein nie eingegangen. Eher im Gegenteil – beim seit Langem | |
auf Eis liegenden Umbau der in die Jahre gekommenen Flens-Arena ist die | |
kommunale Politik eher Hemmschuh für die SG, als dass sie den | |
Sympathieträger als Image- und Wirtschaftsfaktor der nördlichsten Region | |
Deutschlands belohnt. Auf Landesebene stoßen THW und SG bei Daniel Günther | |
hingegen häufig auf offene Ohren. SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke hat | |
einen guten Draht in die Staatskanzlei; manche unbürokratische Hilfe in der | |
ganz harten Coronazeit hat den Profiklubs gutgetan. Das leidige Thema | |
Auslastung der Hallen hat Günther einige Male zur Chefsache erklärt – im | |
Sinne der Klubs. Auf die Landesregierung bezogen fühlen sich beide Vereine | |
durchaus gesehen. | |
## Abwesenheit von Spitzenfußball half | |
Ein paar grundsätzliche Dinge haben dazu geführt, dass das Land zwischen | |
den Meeren zum Maß der Dinge im Handball geworden ist. Da war die | |
Abwesenheit von Fußball, von Spitzenfußball. Holstein in den Siebzigern, | |
der VfB Lübeck in den Nullerjahren, aber viel mehr war da nicht, bis die | |
KSV sich wieder auf die Landkarte der Bundesliga setzte. Unternehmen | |
begriffen, dass sie mit einem niedrigen sechsstelligen Betrag Hauptsponsor | |
eines Champions-League-Siegers werden können. | |
Lange Jahre hatte die Provinzial-Versicherung sogar beide Topklubs unter | |
Vertrag, und in Flensburg war man immer beleidigt, dass der THW mehr Geld | |
bekam. Inzwischen haben sich die Flensburger mit ihren etwa 8 Millionen | |
Euro Etat den 12 Millionen des THW angenähert. Beide gehören zur Spitze in | |
Deutschland, was Gehaltszahlungen betrifft. Jahr für Jahr bekommen sie ihre | |
Lizenzen ohne Auflagen oder Bedingungen. In der Vereinsführung gelten sie | |
als mustergültig, was zukünftigen Erfolg wahrscheinlich macht. | |
## Nähe zu Dänemark | |
Die Nähe zu Dänemark hat dem Norden den Übergang vom Feld- zum | |
Hallenhandball in den 60er-Jahren erleichtert. Wegen des langen Winters | |
bauten die Dänen schon damals Hallenkomplexe, um die Kinder zum | |
Hallenhandball zu holen. Dieses Vorbild fand in Schleswig-Holstein | |
Nachahmung, und zu jedem neu gebauten Schulzentrum auf dem Dorf gehörte | |
eine anständige Halle. Eine gute Infrastruktur hilft eben immer. Sie hilft | |
bis heute. | |
Und ab den 90er-Jahren halfen dann die Erfolge. Der THW holte nach langer | |
Pause die nächsten Meisterschaften. Die SG eiferte nach und gewann vor 25 | |
Jahren erstmals den Europapokal. In Lübeck blühte der Handball auf, als Bad | |
Schwartau in die Hansehalle wechselte. Als dritte Kraft im Land hatten die | |
Bad Schwartauer immer wieder Stammspieler, die für Kiel oder Flensburg zu | |
jung oder zu schlecht waren. Idole wuchsen heran. Die Schweden Magnus | |
Wislander und Staffan Olsson bei Kiel. Jan Holpert in Flensburg. Bis heute | |
ist das so. [3][Jim Gottfridsson] bei der SG. Sander Sagosen beim THW. | |
## Handball bleibt im Gespräch | |
Da, wo eine Stetigkeit des Erfolges ist, bleibt der Handball im Gespräch, | |
bleibt beliebt, die Hallen sind voll besetzt. Und an der Westküste und im | |
Landesinneren um Rendsburg eiferten und eifern Kinder den Vorbildern nach | |
und lassen sich von ihren Eltern die weiten Wege nach Flensburg in die | |
Akademie im strukturschwachen Norden der Stadt oder nach Kiel ins moderne | |
NLZ in Altenholz fahren. | |
Einmal im Jahr weicht die SG-A-Jugend für ein Bundesliga-Heimspiel nach | |
Heide oder Husum aus, um dort für sich und die Nachwuchsarbeit zu werben. | |
Dass die beim THW oder der SG angelernten Nachwuchsspieler meist nicht gut | |
genug sind, um in der Profiabteilung Fuß zu fassen, gehört leider auch zur | |
Wahrheit – sie müssen ihr Glück bei einem kleineren Bundesligaklub oder in | |
der zweiten Liga versuchen. | |
Wie wenig präsent Handball damals in Flensburg noch war, haben wir in der | |
Schule gemerkt, wo der ewige Dreiklang Fußball-Leichtathletik-Turnen | |
höchstens mal durch Volleyball aufgelockert wurde, nie durch Handball. Und | |
so habe ich Handball lange geringgeschätzt, dachte immer, ein bisschen den | |
Ball werfen, das könne doch jeder. Das dachte ich so lange, bis ich mich | |
ins Handballtor stellte und mir mein Freund Reinhard auf dem Gummiplatz an | |
der Schule 10 von 7 Siebenmetern reinwarf. Wir waren 13 oder 14 Jahre alt. | |
Er spielte beim TSV Jarplund-Weding. | |
7 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Frank Heike | |
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