| # taz.de -- Flutkatastrophe im rheinland-pfälzischen Ahrtal: „Apokalypse“ … | |
| > Malu Dreyer kann im Mainzer Untersuchungsausschuss die Vorwürfe der | |
| > Opposition parieren. Die fordert aber weiter Anne Spiegels Rücktritt. | |
| Bild: Frühere Umweltministerin von Rheinland-Pfalz und heutige Bundesfamilienm… | |
| Mainz taz | In der Nacht der [1][Hochwasserkatastrophe vom 14. Juli] hatte | |
| die rheinland-pfälzische Regierung keine realistische Einschätzung der | |
| gewaltigen Flutwelle, die allein im Ahrtal [2][134 Menschenleben kosten] | |
| sollte. Bis zum Morgen des nächsten Tages sei ihr das „unvorstellbare | |
| Ausmaß“ der Zerstörungen nicht bewusst gewesen, sagte Ministerpräsidentin | |
| Malu Dreyer, SPD, als Zeugin vor dem [3][parlamentarischen | |
| Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz]; schon gar nicht habe sie | |
| ahnen können, „dass der Katastrophenschutz zum Teil nicht funktionieren | |
| würde“, so die Ministerpräsidentin mit Blick auf die zweifelhafte Rolle des | |
| damaligen Landrats im Kreis Ahrweiler Jürgen Pföhler, CDU. | |
| Gegen ihn und seinen Stellvertreter laufen staatsanwaltschaftliche | |
| Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Der Landrat hatte | |
| die Einsatzleitung des Katastrophenschutzes auf den Stellvertreter | |
| übertragen. In seinem Landkreis wurde nach allgemeiner Einschätzung viel zu | |
| spät Katastrophenalarm ausgelöst. Viele Menschenleben hätten gerettet | |
| werden können, wenn die Betroffenen früher gewarnt worden wären. | |
| Vor dem Ausschuss hatte zuvor auch Dreyers Innenminister und Parteikollege, | |
| Roger Lewentz, versichert, er sei in der Flutnacht davon ausgegangen, | |
| Rheinland-Pfalz werde zwar von einem schweren aber beherrschbaren | |
| Hochwasserereignis heimgesucht. Auch ihm sei erst im Laufe des 15. Juli der | |
| Umfang der Schäden klar geworden. Bei ihrem Besuch im Katastrophengebiet am | |
| Morgen danach habe sie ein „apokalyptisches Schreckensbild“ erkennen | |
| müssen, dass sie „niemals abstreifen“ werde, sagte Dreyer. | |
| ## Rekonstruktion widerlegt Vorwürfe | |
| In der 15 Stunden währenden Marathonsitzung des Untersuchungsausschusses | |
| gelang es den beiden SPD-Regierungsmitgliedern und ihren MitarbeiterInnen, | |
| durch die Rekonstruktion der mündlichen und schriftlichen internen | |
| Kommunikation der Katastrophennacht den von der Landtagsopposition | |
| verbreitenden Eindruck zu widerlegen, die Landesregierung sei in der Nacht | |
| „schlafen gegangen“. Bis Mitternacht waren die Ministerpräsidentin und ihr | |
| Innenminister in engem Informationsaustausch und erreichbar gewesen. Am | |
| Morgen des 15. Juli hatten sie bereits ab sechs Uhr früh eine Agenda für | |
| die Unterrichtung des Landtags und der Öffentlichkeit sowie für die | |
| anlaufende Hilfe in den betroffenen Regionen entwickelt. | |
| Besonders heftig hatte der neugewählte Generalsekretär der Landes-CDU, | |
| Patrick Schnieder, [4][die Ministerpräsidentin angegriffen] und damit den | |
| CDU-Wahlparteitag „elektrisiert“. Das berichtete jedenfalls die | |
| Regionalzeitung Rheinpfalz. Der Regierungschefin sei es am Morgen nach der | |
| Katastrophe „mit ihrer zweiten SMS“ vor allem darum gegangen, den | |
| SPD-Kanzlerkandidaten und Vizekanzler Olaf Scholz ins Katastrophengebiet | |
| einzuladen. Der Vorwurf eines billigen parteipolitischen Schachzugs fiel in | |
| Dreyers Zeugenvernehmung allerdings eher auf die CDU zurück. | |
| Aus den Telefon- und SMS-Kontakten von Dreyer geht hervor, dass sie in | |
| zahlreichen Gesprächen und mit Textnachrichten längst ihren | |
| MitarbeiterInnenstab für ihre unter dem Eindruck der Krise geänderten | |
| Tagesplanung des 15. Juli instruiert hatte, dass sie Lageberichte und deren | |
| Aufbereitung für die anstehende Landtags- und die anschließende | |
| Sondersitzung des Ministerrats vorbereitet hatte. | |
| Erst Stunden später hatte sich ihr Parteifreund, Vizekanzler Olaf Scholz, | |
| bei ihr gemeldet; sie sei ihm dankbar für die Unterstützung gewesen. Noch | |
| am selben Tag habe sie auch mit der in Washington weilenden Bundeskanzlerin | |
| Angela Merkel, CDU, telefoniert und ihr für die zugesicherte Unterstützung | |
| des Landes durch den Bund gedankt, sagte sie. Auf den Angriff der CDU | |
| angesprochen sprach sie lapidar von „falschen Behauptungen“. | |
| ## Mängel in der Kommunikation | |
| Allerdings gab es auch im Rahmen des Ausschussmarathons Hinweise auf Mängel | |
| in der Kommunikation zwischen den für den Katastrophenschutz zuständigen | |
| Behörden und dem für die Hochwasserinformationen verantwortlichen grünen | |
| Umweltministerium, das damals die heutige [5][Bundesfamilienministerin Anne | |
| Spiegel] geleitet hatte. Zwar gelangten während der Flut die aktuellen | |
| Pegelstände zuverlässig an die Technischen Einsatzleitungen der für den | |
| Katastrophenschutz zuständigen Landkreise. Doch der angeblich „ständige | |
| Austausch“ zwischen den Staatssekretären des Umwelt- und des | |
| Innenministeriums, von dem die Ministerin bei ihrer Befragung vor dem | |
| Ausschuss gesprochen hatte, war wohl doch nicht so eng. | |
| Die von der damaligen Präsidentin des Landesamtes für Umwelt, Sabine | |
| Riewenherrn, am 14. Juli um 18.44 Uhr an den Umweltstaatssekretär | |
| abgesetzte Warnung „Hier bahnt sich eine Katastrophe an“ hatte jedenfalls | |
| weder den Innenminister noch die Ministerpräsidentin zeitnah erreicht, so | |
| deren Aussagen vor dem Ausschuss. Auch ein verzweifelter „Notruf“ der | |
| damaligen Verbandsbürgermeisterin von Altenahr, Carola Weigand, den | |
| Spiegels Staatssekretär an die Innenbehörden weitergegeben haben will, ist | |
| dort nicht protokolliert. | |
| ## Spiegels Rücktritt gefordert | |
| Als sachverständiger Zeuge war am Freitag der Direktor des Kieler Instituts | |
| für Krisenforschung, Frank Roselieb, den Ausschussmitgliedern zugeschaltet. | |
| Er machte in erster Linie Landart Pföhler für Fehlentscheidungen in der | |
| Flutnacht verantwortlich, gab aber auch Ministerin Spiegel eine Mitschuld: | |
| „Da hat nach unserer Einschätzung die Führungsstärke gefehlt“, so der | |
| Krisenforscher. | |
| Die Landtagsopposition forderte einmal mehr Spiegel dazu auf, ihr Berliner | |
| MinisterInnenamt niederzulegen. Die Freien Wähler nannten die Einschätzung | |
| des Krisenforschers als Begründung, die CDU hatte die Ausschusssitzung | |
| nicht einmal abgewartet. Nach dem [6][Rücktritt der nordrhein-westfälische | |
| Umweltministerin Ursula Heinen-Esser] (CDU) sagte der rheinland-pfälzische | |
| CDU-Vorsitzende Christian Baldauf am Nachmittag: „Der Rücktritt von Frau | |
| Heinen-Esser muss ein Vorbild für Anne Spiegel sein. Ihr Rücktritt ist | |
| längst überfällig.“ | |
| 9 Apr 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christoph Schmidt-Lunau | |
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