| # taz.de -- Ausstellung von David Hockney: Flucht in die Landschaft | |
| > Zwischen den Alten Meistern in der Gemäldegalerie sind jetzt David | |
| > Hockneys Landschaften zu sehen. Es ist eine feine, aufschlussreiche | |
| > Konfrontation. | |
| Bild: „David Hockney – Landschaften im Dialog“, Ausstellungsansicht, Gem�… | |
| Ist es nicht Eskapismus, in diesen krisengeschüttelten, sich tagesaktuell | |
| überschlagenden Zeiten einen Nachmittag vor Landschaftsmalerei zu | |
| verbringen? Und ist es nicht unzeitgemäß, ein rein männliches | |
| Allstar-Personal der Kunstgeschichte miteinander „in einen Dialog treten“ | |
| zu lassen – der eine bald stolze 85 Jahre alt, die anderen längst | |
| verschieden? Wie man sich diese Fragen auch beantwortet, man sollte sie an | |
| der Erfahrung messen statt am Vorurteil. | |
| In der Sonderausstellung „David Hockney – Landschaften im Dialog“, die nun | |
| in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen ist, wird man zwar genau damit | |
| konfrontiert, erfährt aber auf niedrigeren Frequenzen auch viel über | |
| unseren Blick auf die Welt, insbesondere auf die Natur. | |
| Hockney, der sich in steter markt- und produktionsmäßiger Hochkonjunktur | |
| befindet – zwischenzeitlich war er gemessen an „Portrait of an Artist (Pool | |
| with Two Figures)“ der teuerste lebende Künstler, geschaffen hat er mehr | |
| als 2.000 Gemälde –, beschäftigt sich nun schon lange mit den klassischsten | |
| der profanen Sujets in der Malerei. Der in seinem früheren Werk deutlich | |
| wilder experimentierende Brite fühlt sich etwa seit der Jahrtausendwende | |
| vor allem zu Stillleben, häuslichen Szenen und eben Landschaftsmalerei | |
| hingezogen. | |
| In der Gemäldegalerie stehen vier kolossale Jahreszeitenporträts anhand von | |
| drei Yorkshirer Bäumen im Mittelpunkt. „Three Trees near Thrixendale“ sind | |
| nicht nur eine nette Alliteration, sondern auch malerisches Objekt des 2007 | |
| und 2008 in seiner Heimat arbeitenden Hockney. Vier mal drei | |
| Baumdarstellungen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die wiederum | |
| bestehen je aus acht Leinwänden. So entspinnt Hockney hinter den | |
| gestenreichen, ineinander verwobenen Vegetationen eine eigene Arithmetik, | |
| die vor allem aus der Ferne wirkt. | |
| Die Ausstellungskooperation zwischen den Staatlichen Museen zu Berlin und | |
| der Sammlung Würth will zeigen, dass er mit seinen Landschaften auf den | |
| Schultern kunsthistorischer Ahnen steht. Mit einem Bein ist er dabei in den | |
| nördlichen Niederlanden bei Rembrandt, Jacob van Ruisdael, Philips Koninck, | |
| mit dem anderen im etwas späteren Barbizon, aber auch und vor allem bei | |
| Vincent van Gogh. Die bedeutende Kunstsammlung des Schraubenimperiums von | |
| Reinhold Würth ist Leihgeber der vier zentralen Hockney-Bilder, die | |
| Staatlichen Museen zu Berlin mengen die Alten Meister bei. | |
| Zwischen der Landschaftsmalerei der vorangegangenen Jahrhunderte und den | |
| „Three Trees near Thrixendale“ liegt aber mehr als ein beliebiges Säkulum: | |
| Dazwischen fand die Moderne statt, inklusive Erfindung der Fotografie, dem | |
| Tod der Gegenstände im Kubismus und der Abstraktion, dem Tod des Exponats | |
| im Urinal. Bei Hockney darf die Malerei längst als solche sichtbar sein, | |
| darf sich selbst als Leinwand und Farbauftrag verraten. Naturalistische und | |
| stimmungsvolle Malermeisterlichkeit ist längst Ausdruck, Geste und | |
| Serialität gewichen. | |
| Vielleicht ist das der Grund, warum auch Hockney schon zur Zeit der Gemälde | |
| befindet, Landschaftsmalerei gelte als „something you couldn’t do today“. | |
| Sind es aber die Landschaften, die langweilig geworden sind? Nein, gibt er | |
| sich selbst zur Antwort: Ihre künstlerischen Darstellungen seien langweilig | |
| geworden. Man könne von der Natur nicht gelangweilt sein, wo es endlos | |
| viele Motive gäbe. Und das hätte auch van Gogh gewusst, von dem er sehr | |
| inspiriert sei. | |
| Mit diesen Vorsätzen migrierte der Maler in den Nullerjahren wieder zurück | |
| in seine Heimat Bridlington in Yorkshire, nachdem er in Los Angeles mit | |
| Swimmingpool-Bildern berühmt geworden war. Zunächst auch viel en plein air | |
| unterwegs, begab er sich bewusst mit zeitgenössischen Mitteln auf die | |
| Spuren der vorangegangenen Kunstepochen. | |
| 2009 besuchte ihn dabei auch der Sammler Rudolph Würth, der von den im | |
| Atelier entstandenen „Trees“ begeistert ist, von ihrer „Lebendigkeit, | |
| Unmittelbarkeit und Leuchtkraft“, wie Würth-Sammlungsdirektorin C. Sylvia | |
| Weber bezeugt. Schon damals berät er mit ihm eine monografische | |
| Landschaftsausstellung in Deutschland, die schließlich „David Hockney. Nur | |
| Natur“ heißen und in der unternehmenseigenen Kunsthalle in Schwäbisch Hall | |
| gezeigt werden sollte. | |
| In der Gemäldegalerie ist neu, dass Besucherinnen und Besucher der | |
| Landschaft chronologisch bei ihrer Emanzipation zusehen können. Während sie | |
| etwa bei Geertgen tot Sint Jans’ Darstellung von Johannes dem Täufer noch | |
| Rahmenwerk für theologische Szenen ist, wird sie nach und nach eine eigene | |
| Disziplin. Bis sie bei Hockney schließlich über die Leinwand wuchern darf | |
| und die Farben wild blühen. Was hier sichtbar wird, ist eine Nachschärfung | |
| des malerischen Blicks. | |
| 10 May 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Christopher Suss | |
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