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# taz.de -- Einfamilienhaus-Debatte auf Twitter: Wer kann die Reichen verdauen?
> Über Ostern wurde auf Twitter Heuchelei von Linken mit Einfamilienhaus
> beklagt. Dabei ist das ein Narrativ von Konservativen und Neoliberalen.
Bild: Wer ist reich? Die im eigenen Einfamilienhaus können auch arm oder reich…
In puncto „Eat the rich“ habe ich Klärungsbedarf. Die Reichen essen, okay,
aber wer kann die Reichen eigentlich verdauen? Welche Rezepte gibt es? Geht
es um Kannibalismus oder Enteignung? Ist das ein Dumpling? Und: Gibt’s das
auch als Bowl?
Über die Osterfeiertage sind die relevanten Fragen in Vergessenheit
geraten. Auf Twitter wurde heiß diskutiert, allerdings nicht über
Serviervorschläge, sondern über [1][Einfamilienhäuser]. Als wären
Einfamilienhäuser an sich nicht schon langweilig genug, [2][spottete ein
Tweet] über die Leute, die das Jahr über „Eat the rich“ sagen, wenn die
Ferien bei den Eltern im Einfamilienhaus verbracht werden. Darf maus das,
oder macht dies eine_n zum „falschen Fuffziger“, um in der Sprache des
Kapitals zu bleiben? Wie immer, wenn es um die eigene Politik und den
(vermeintlichen) Wohlstand der Eltern geht, war das Thema extrem aufwühlend
für viele User_innen.
Der Ausgangstweet war naiv: Die Annahme, dass Einfamilienhaus per se mit
Reichtum zu tun hat, ist falsch. Klar, es gibt auch Leute, die sich weniger
oder gar nichts leisten können – ich will nicht damit anfangen, infrage zu
stellen, ob Leute, die zwar von Hartz IV, aber zumindest in einer Wohnung
leben, nicht auch bei „Eat the rich“ mitgemeint sind, solange es Menschen
gibt, die auf der Straße wohnen. Aber wenn ich mir anschaue, was manche
Eltern von Freund_innen in ihren Mietshäusern – die gibt es nämlich auch –
zahlen, kommen einige günstiger weg als viele von uns in Berliner
Zweizimmerwohnungen. Hint: Es sind keine Villen in Dahlem.
Wir könnten über [3][das Stadt-Land-Gefälle] sprechen oder über Schulden,
aber darum geht es mir nicht. Ich bin auch in keinem Haus aufgewachsen,
trotzdem sind meine Eltern nicht arm. Als Kind dachte ich auch, wer in
Häusern lebt, muss reich sein, aber damals dachte ich auch, Reiche geben
immer viel Geld aus. Im Durchschnitt verdienen BVG-Fahrer_innen mehr als
manche Journalist_innen oder Uni-Dozent_innen, doch ich bezweifle, dass wir
unsere regelmäßig streikenden Genoss_innen wirklich auf den Teller heben
würden bei „Eat the rich“.
## Vibes von Konservativen
Immer wieder stoße ich auf die Fehlannahme, [4][eine linke Haltung ohne
eigene Armutsgeschichte sei unglaubwürdig]. It’s giving
Kapitalismuskritik-vom-iPhone-gesendet-und-dafür-beschämt-werden-Vibes. Und
diesen Vibe verstreuen eher salty Konservative und Neoliberale. Weder
historisch noch in der Gegenwart geht diese These auf. Dazu möchte ich
meinen eigenen hot take servieren: Solche Mythen führen dazu, dass Leute
mit einem Bruttojahreseinkommen von 30.000 Euro gegen eine Vermögenssteuer
sind, weil sie denken, es würde sie treffen.
Der Mittelstand solidarisiert sich lieber mit den Chef_innen als mit jenen,
die wie er selbst auch ausgebeutet werden. Kein Wunder, dass die FDP bei
Erstwähler_innen so punktet. Das Problem sind nicht die hässlichen
Einfamilienhäuser, sondern das falsche Verständnis von und somit die
Überidentifikation mit Reichen.
21 Apr 2022
## LINKS
[1] /Antikapitalistische-Demo-in-Muenchner-Nobelvorort/!5769292
[2] https://twitter.com/anasagt/status/1516068244125331459?s=21&t=mpI6RQc1G…
[3] /OePNV-auf-dem-Land/!5807353
[4] /Diskussion-um-Sawsan-Chebli-und-die-Uhr/!5543347
## AUTOREN
Hengameh Yaghoobifarah
## TAGS
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