Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Protest gegen Bauprojekt in Südspanien: Die Bagger kommen bald wie…
> An letzten noch unverbauten Teilen der südspanischen Küste sollen neue
> Tourismuskomplexe entstehen. Lokalpolitik und Gesellschaft üben
> Kritik.
Bild: Wald bei Barbate: Rund 250 Hektar Wald sollen hier abgeholzt werden
„Was hier geschieht, nutzt nur dem Bauunternehmen“, schimpft Carmen Oroz.
Die pensionierte Lehrerin gehört zur Bürgerinitiative SOS Barbate. Auf der
Gemarkung des 22.000-Einwohner-Ortes in der Provinz Cádiz an der Meerenge
von Gibraltar soll eine Luxusferiensiedlung mit Golfplatz entstehen.
Am Mittwoch stimmte der Gemeinderat dem Projekt mehrheitlich zu. Auf knapp
500 Hektar ist ein Komplex mit dem Namen Següesal Golf Resort vorgesehen.
Die Siedlung wird vier mal so groß wie der Ort Barbate selbst. 734
Wohnungen, 956 Ferienappartements und zwei Hotels, ein Einkaufszentrum
sowie ein Golfplatz sind geplant. Rund 250 Hektar Wald sollen abgeholzt
werden.
„Und das alles direkt neben dem Naturpark La Breña“, beschwert sich Oroz.
Dieser besteht aus alten Küstenwäldern. Següesal schneidet ihn vom Umland
ab. „[1][Wir haben jetzt schon Trinkwasserprobleme], wie soll das erst
werden, wenn die Siedlung fertig ist, und vom voranschreitenden Klimawandel
ganz zu schweigen“.
„Es muss kein Wald zum Bauland umdeklariert werden, damit der Ort wachsen
kann“, fügt sie hinzu und verweist auf stillgelegte Anlagen der Fischerei-
und Lebensmittelindustrie. „Anstatt Wälder zu zerstören, sollten wir
nachhaltigen Tourismus fördern“.
## Nur billige Saisonarbeitsplätze
Touristen, die hier die einzigartige Natur, die Wälder, Klippen und die
Flussmündung genießen wollen, kämen das ganze Jahr, Urlauber für Anlagen
wie der Següesal nur im Sommer. „Wirtschaftlich bringt dies nur billige
Saisonarbeitsplätze und keine nachhaltige Entwicklung für den Ort“,
resümiert Oroz.
„Was wir brauchen, ist kein weiteres Wachstum der Tourismusbranche, sondern
eine bessere Infrastruktur“, sagt auch Agustín Conejo, Bürgermeister von
Zahara de Atunes, 20 Autominuten von Barbate entfernt.
Der Ort mit gerade einmal 1.200 Einwohnern wächst Sommer für Sommer auf
40.000 Menschen an und gerät damit an seine Grenzen. Jetzt soll hier ein
Tourismuskomplex mit zusätzlich über 1.000 Wohnungen, zwei großen Hotels
und Grundstücken für Einfamilienhäuser entstehen.
## Eines der letzten unberührten Gebiete
Das 127 Hektar große Gelände für das Projekt mit dem Namen Atlanterra Golf
gehört zur 50 Kilometer entfernten Stadt Tarifa, liegt aber direkt am Ort
Zahara de Atunes. „Die haben die Steuereinnahmen, wir den Verkehr. Unser
Ort ist jetzt schon völlig überfordert. Wir haben einfach nicht die
Einrichtungen, um noch weitere Menschen zu versorgen“, sagt Conejo, der
seit 2015 für eine unabhängige Wählergemeinschaft die Geschicke des Ortes
lenkt. „Das ist eines der letzten unberührten Gebiete hier am Meer. Wir
wollen keine neue Costa del Sol“, sagt er und verweist damit auf die Küste
der Nachbarprovinz Málaga, die bereits völlig zugebaut ist.
Den beiden Projekten gemein ist ein Golfplatz. Diese gelten dank eines
Dekrets von 2008 als Einrichtungen von besonderem „touristischen
Interesse“. Dies macht es möglich, ländlichen Raum in Baugelände
umzuwandeln. Dank der Baugenehmigungen steigt der Wert der Grundstücke um
ein Zehnfaches.
„Spekulation, sonst nichts. Umfragen zeigen, dass kaum jemand wegen Golf in
Andalusien seinen Urlaub verbringt“, erklärt Juan Clavero, Sprecher der
Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción. Nur etwa 3 Prozent der 25
Millionen jährlichen Besucher der Region haben Interesse am Golf, 5 Prozent
an der Gastronomie, 9 Prozent an der Natur und 20 Prozent an Kultur.
## Beschleunigte Baugenehmigungen
Die beiden Bauprojekte werden von der sogenannten „Beschleunigungseinheit
für strategische Projekte“ der andalusischen Regierung unter dem
Konservativen Juan Manuel Moreno ganz besonders gefördert.
Seine Partido Popular regiert in Sevilla in Koalition mit den
rechtsliberalen Ciudadanos und dank der Stimmen der rechtsextremen VOX. „Es
ist unglaublich, dass der Regionalregierung nichts anderes für die Provinz
Cadiz einfällt als die alten Rezepte der Bauspekulation“, fügt Clavero
hinzu.
Cádiz war zu Hochzeiten der Werftindustrie der industrielle Motor
Südspaniens schlechthin. Dann kam die industrielle Krise ab den 1980er
Jahren. „Technologieprojekte, Modernisierung der Landwirtschaft …
Fehlanzeige“, beschwert sich Clavero. „Die ‚Neue Ökonomie‘, von der die
andalusische Regierung so gerne redet, ist ein Rückschritt zu den letzten
Jahren des 20. Jahrhunderts“, resümiert er.
12 Oct 2021
## LINKS
[1] /Initiativen-wehren-sich-gegen-Konzerne/!5759236
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
Baubranche
Ökosysteme
Andalusien
Massentourismus
Kolumne Habibitus
Andalusien
Wohnen
Spanien
Landwirtschaft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Einfamilienhaus-Debatte auf Twitter: Wer kann die Reichen verdauen?
Über Ostern wurde auf Twitter Heuchelei von Linken mit Einfamilienhaus
beklagt. Dabei ist das ein Narrativ von Konservativen und Neoliberalen.
WWF entdeckt Gesetzentwurf: Amnestie für Raubbau
Andalusien ist ein Paradies für illegale Erdbeerplantagen. Statt
einzugreifen, bastelt die Regionalregierung lieber an der Legalisierung.
Preissteigerungen in Städten: Spaniens Plan für günstigere Mieten
Spaniens Regierung einigt sich auf Maßnahmen gegen steigende Mieten. Neben
steuerlichen Maßnahmen soll es erstmals Mietspiegel geben.
Spanischer Sender im Griff der Rechten: Bald bedeutungslos
Madrids konservative Regierung setzt das öffentliche Regionalfernsehen
unter Druck. Der Sender TeleMadrid wird nun von Parteigängern geleitet.
Anbau von Zitrusfrüchten und Mandeln: Für unser Obst trocknet Spanien aus
Bewässerung von Zitrusfrüchten und Mandeln für Deutschland kostet im
Ausland viel Wasser. Der WWF fordert, heimische Alternativen zu fördern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.