# taz.de -- Ölförderung in Deutschland: Das andere Schwarz | |
> Ölförderung in Deutschland hat eine lange Tradition, genau genommen seit | |
> 1858. Wie wichtig ist sie im Fall eines Energieembargos gegen Russland? | |
Bild: Mittelplate, Nordsee | |
Gegen russische Kohle hat die EU bereits ein Embargo verhängt. Ins nächste | |
Sanktionspaket könnte Öl aus Russland aufgenommen werden. Deutschland will | |
ohnehin nichts mehr einführen. Jetzt richtet sich der Blick auf die | |
heimische Förderung. | |
## Wie viel Öl braucht Deutschland jedes Jahr, und woher kommt es? | |
Im vergangenen Jahr verwendete Deutschland 83,1 Millionen Tonnen Rohöl, 1,8 | |
Prozent weniger als 2020, wie das Bundesamt für Außenwirtschaft ermittelt | |
hat. Ein Drittel kam aus Russland, 12,2 Prozent aus den USA. Weitere große | |
Lieferanten waren Kasachstan (9,6 Prozent), Norwegen (9,4) und | |
Großbritannien (9,1). Die eigene Förderung macht rund 2,2 Prozent aus. | |
## Deutschland will so schnell wie möglich unabhängig von russischem Öl | |
werden. Wie weit sind wir? | |
Bis Mitte des Jahres soll sich die Menge des Öls, das Deutschland aus | |
Russland bezieht, halbiert haben. Ende des Jahres, so schätzte | |
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Ende März, wird Deutschland | |
kein Rohöl mehr von dort beziehen. | |
## Wer fördert in Deutschland Öl, und wie groß ist die Menge? | |
Derzeit fördern im Wesentlichen folgende Unternehmen Öl in Deutschland: | |
WintershallDea, eine Tochter des Chemiekonzerns BASF, und ExxonMobil | |
Production Deutschland, eine Tochter des US-Ölkonzerns, dazu die beiden | |
unabhängigen Firmen Neptune Energy (Großbritannien) und Vermilion Energy | |
(Kanada) sowie Oneo. Außer WintershallDea in Kassel haben alle Firmen ihren | |
Sitz in Hannover. Insgesamt holten sie im vergangenen Jahr rund 1,8 | |
Millionen Tonnen Rohöl aus dem Boden. | |
## Wo wird in Deutschland gefördert? | |
Öl kommt in Deutschland vor allem aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen. | |
Allein 58,5 Prozent stammen aus dem nördlichsten Bundesland. Westlich von | |
Friedrichskoog betreibt WintershallDea seit 1987 die einzige deutsche | |
Bohrplattform Mittelplate. Gefördert wird aus bis zu drei Kilometern Tiefe, | |
die Bohrungen sind mit einer speziellen Technik abgelenkt und bis zu neun | |
Kilometer lang. Die künstliche Insel im Wattenmeer ist über eine 14,4 | |
Kilometer lange Pipeline mit dem Festland verbunden. | |
Mittelplate ist das mit Abstand größte deutsche Förderfeld, gefolgt von | |
Dieksand auf dem Festland. Aus Niedersachsen stammen 31,2 Prozent der | |
Rohölförderung, besonders aus Bohrungen bei Lingen und Meppen nahe der | |
niederländischen Grenze. Vor allem ExxonMobil fördert in Niedersachsen. | |
Nennenswerte Mengen liefern auch Lagerstätten in Rheinland-Pfalz (7,4 | |
Prozent) bei Landau und Speyer sowie nahe Worms. In Bayern (rund zwei | |
Prozent) wird Öl südlich von Augsburg und nordwestlich von Memmingen | |
gefördert. Kleinere Mengen kommen aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. | |
## Wie lange reichen die Vorkommen aus? | |
Nach Angaben des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) verfügt | |
Deutschland über gesicherte und wahrscheinliche Reserven von 23,3 Millionen | |
Tonnen Rohöl, 12,9 Millionen Tonnen allein in Schleswig-Holstein. Zu den | |
Reserven zählen Vorkommen, die durch eine Bohrung bestätigt sind und sich | |
mit bekannter Technik und wirtschaftlich fördern ließen. | |
Zusätzlich gibt es sogenannte Ressourcen, das sind Ölvorkommen, die bereits | |
bestätigt oder nachgewiesen sind, aber nicht wirtschaftlich gefördert | |
werden können oder noch genauer erfasst werden müssen. Deshalb lässt sich | |
nicht genau sagen, wie lange das deutsche Öl für den heimischen Gebrauch | |
reicht. Der BVEG gibt einen statistischen Wert von 14,5 Jahren an. | |
## Kann heimisches Öl überhaupt russische Lieferungen ersetzen? | |
Nur zu einem kleinen Teil. Die geförderten Mengen, die seit Jahren sinken, | |
sind zu gering, die Kapazität lässt sich auch nicht schnell ausweiten. Die | |
Branche will „die Produktion auf aktuellem Niveau halten und bestenfalls | |
sogar leicht ausbauen“, wie BCEG-Hauptgeschäftsführer Ludwig Möhring | |
kürzlich sagte. | |
Einige Unternehmen haben Lizenzen, um nach weiteren aussichtsreichen | |
Ölfeldern zu bohren, allerdings dauert es, ein neues Feld zu erschließen. | |
WintershallDea hat bereits 2019 weitere Bohrungen in Mittelplate beantragt. | |
Erstes Öl könnte 2025 fließen. Die Genehmigung steht aus, Umweltverbände | |
wehren sich. Weil sich Deutschland in den kommenden Jahren zudem von | |
fossilen Brennstoffen verabschieden will, ist auch fraglich, ob sich neue | |
Förderungen rechnen würden. Der Ausbau von Mittelplate etwa kostet mehr als | |
100 Millionen Euro. | |
## Seit wann wird Öl in Deutschland gefördert? | |
Alles begann 1858 in Wietze, 30 Kilometer nördlich von Hannover in | |
Niedersachsen. Der Ort rühmt sich sogar, eine der ersten Erdölbohrung der | |
Welt gewesen zu sein. Hier wurden seit dem 17. Jahrhundert Ölschlämme | |
abgebaut. Zwischen 1900 und 1920 war Wietze das größte Ölfördergebiet | |
Deutschlands. Fotos aus der Zeit zeigen einen Wald aus Bohrtürmen. | |
Gefördert wurde bis 1963 – teilweise auch unter Tage. | |
20 Apr 2022 | |
## AUTOREN | |
Björn Hartmann | |
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