# taz.de -- Proteste gegen Wirtschaftskrise: Angespannte Lage in Sri Lanka | |
> Seit Tagen gehen viele Menschen wegen der Wirtschaftskrise auf die | |
> Straße. Sie werfen der Regierung Versagen vor. Diese reagiert strikt. | |
Bild: Demonstranten in Colombo fordern am Samstag den Rücktritt von Präsident… | |
Berlin taz | Wegen Verstößen gegen eine Ausgangssperre sind am Sonntag 664 | |
Personen allein in Sri Lankas bevölkerungsreichster Westprovinz mit der | |
Hauptstadt Colombo festgenommen worden. An einer Polizeisperre gestoppt | |
wurde auch ein Marsch führender Oppositionspolitiker mit mehreren Hundert | |
Anhängern auf dem Weg zum zentralen Unabhängigkeitsplatz. „Das ist | |
inakzeptabel“, beschwerte sich Oppositionsführer Eran Wickramasinghe. „Das | |
hier ist eine Demokratie.“ | |
Der Marsch löste sich jedoch friedlich auf. Die Opposition fordert | |
angesichts der Wirtschaftskrise, die nach Meinung von Beobachtern die | |
schwerste seit der Unabhängigkeit des Landes 1948 ist, die Bildung einer | |
Regierung der nationalen Einheit. | |
Präsident [1][Gotabaya Rajapaksa] hatte mit der Erklärung des | |
Ausnahmezustands, der Verhängung der Ausgangssperre bis Montagfrüh und dann | |
am Sonntag auch noch der Sperre sozialer Medienkanäle versucht, die | |
Proteste gegen die desaströse Wirtschaftspolitik seiner Regierung zu | |
unterbinden und den Eindruck von Stabilität zu erwecken. | |
Schon seit Tagen protestierten in dem Inselstaat im Indischen Ozean Bürger | |
gegen das Versagen der Regierung. In dem hoch verschuldeten Land ist die | |
Inflation auf 17 Prozent gestiegen, 13-stündige Stromausfälle pro Tag sind | |
keine Seltenheit. Benzin zur Stromerzeugung wie für Fahrzeuge, Gas zum | |
Kochen und die Verfügbarkeit von Medikamenten sind wegen des Devisenmangels | |
stark rationiert. Sri Lankas Bürger verbringen inzwischen täglich mehrere | |
Stunden in Warteschlangen für Güter des täglichen Bedarfs. | |
## Militär ist im Einsatz | |
Donnerstagabend waren die Proteste in Colombo vor der Residenz Rajapaksas | |
in Gewalt umgeschlagen. 53 Personen wurden verhaftet, mehrere Fahrzeuge | |
gingen in Flammen auf. Tags drauf verhängte der 2019 noch als Heilsbringer | |
gewählte Exverteidigungsminister den Ausnahmezustand. Das ermöglicht den | |
Einsatz des Militärs und diesem willkürliche Verhaftungen. | |
Doch fachte dies auch Proteste derjenigen an, die sich um Sri Lankas | |
demokratische Zukunft sorgen. Denn dem [2][autoritären Clan des | |
Präsidenten], der seinen Bruder und Vorvorgänger Mahinda Rajapaksa zum | |
Premier machte und dessen Familie auch die Minister für Finanzen sowie | |
Jugend und Sport stellt, wird von Oppositionellen wie religiösen | |
Minderheiten ohnehin vorgeworfen, demokratische und zivilgesellschaftliche | |
Freiheiten einzuschränken und einen buddhistisch-chauvinistischen | |
Nationalismus zu fördern. | |
Am Samstag war es trotz Ausnahmezustands zu neuen Protesten gekommen, die | |
aber friedlich blieben. Weil meist unter den Hashtags #GoHomeRajapaksas | |
oder #GoHomeGota2022 in den sozialen Netzwerken zu Protesten aufgerufen | |
wird, ließ die Regierung am Sonntag Facebook, Twitter, Youtube, Whatsapp | |
und Instagram sperren. Doch war dies auch im Rajapaksa-Clan umstritten. So | |
erklärte Jugend- und Sportminister Namal Rajapaksa solche Sperren | |
angesichts verbreiteter Tunnelsoftware (VPN) für sinnlos und bewies dies | |
zugleich mit einem Tweet. | |
Im Wahlkampf 2018 hatte Gotabaya Rajapaksa Steuersenkungen zur Ankurbelung | |
der Wirtschaft versprochen. Doch ließ dies später die Staatseinnahmen | |
einbrechen. Zudem gingen in der Coronapandemie sowohl die Einnahmen aus dem | |
wichtigen Tourismussektor wie die Heimatüberweisungen sri-lankischer | |
Arbeitsmigranten stark zurück. | |
## Pech kombiniert mit Misswirtschaft | |
Um jetzt Hilfe vom Internationalen Währungsfonds bekommen zu können, ließ | |
die Regierung eine Abwertung der heimischen Währung zu, was zu drastischer | |
Verteuerung von Importen, u.a. von Öl und Gas führte, und die Inflation | |
anheizte. „Zu 30 Prozent geht die Krise auf Pech zurück, aber zu 70 Prozent | |
auf Misswirtschaft,“ sagt der Börsianer Murtazza Jaffaree, der zugleich | |
Chef des [3][Advocata Instituts] in Colombo ist. | |
Zwar buhlen die Regierungen Indiens und Chinas um Einfluss in Sri Lanka. | |
Aber ganz so leicht wie früher sind sie auch nicht mehr bereit, Colombo | |
unter die Arme zu greifen, zumal Sri Lanka bei ihnen schon stark in der | |
Kreide steht. | |
3 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Sri-Lankas-Praesident-baut-Macht-aus/!5724325 | |
[2] /Sri-Lankas-Praesident-baut-Macht-aus/!5724325 | |
[3] https://www.advocata.org/ | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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