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# taz.de -- Personal im Gesundheitswesen: Engpässe wegen Corona-Impfpflicht?
> Seit 18. März gilt in der Pflege und im Gesundheitswesen die
> einrichtungsbezogene Impfpflicht. Ob das zu Personaleinbußen geführt hat,
> ist umstritten.
Bild: Piks für das Personal: Eine Klinikmitarbeiterin lässt sich im Klinikum …
Osnabrück taz | Der Widerspruch kam rasch und heftig: Anfang März sagte die
niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD),
Personalengpässe seien durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht in der
Pflege und im Gesundheitswesen nicht zu erwarten. Ihre Begründung: „Rund 95
Prozent der Beschäftigten sind vollständig geimpft.“
Die Diakonie Osnabrück Stadt und Land – 1.400 Mitarbeitende betreuen hier
rund 1.500 Menschen mit Pflegebedarf – sprach von „großem Unverständnis�…
„Wenn die Ministerin davon ausgeht, dass fünf Prozent weniger Personal zu
keinen Engpässen führen würde, dann hat sie offenkundig den Ernst der Lage
in der niedersächsischen Pflege noch nicht realisiert“, sagte Sascha
Rehberg damals, Geschäftsführer Altenhilfe. Entweder gehe sie davon aus,
„dass wir fünf Prozent zu viel Personal haben, auf das wir jetzt einfach
verzichten könnten“, oder sie verkenne, „dass Personalengpässe in der
Pflege nicht erst seit der Pandemie vorhanden sind“.
Seit dem 18. März ist die Impfpflicht in Kraft. Eine erste Bilanz ist also
möglich. Es sei „zum Schutz der vulnerablen PatientInnen und BewohnerInnen
berufsethisch geboten, dass sich jede Person, die in der Pflege tätig ist,
ausreichend immunisiert“, sagt [1][Friedemann Pannen], Geschäftsführer der
Diakonie Osnabrück. Dennoch: „Eine [2][einrichtungsbezogene Impfpflicht]
lehnt die Diakonie Osnabrück ab.“
Pannen wünscht sich stattdessen eine allgemeine Impfpflicht. „Dass sich der
Gesetzgeber bei der allgemeinen Impfpflicht immer noch nicht zu einer
Entscheidung durchringen konnte, aber die einrichtungsbezogene Impfpflicht
in nur wenigen Tagen und ohne jedwede kritische Diskussion verabschiedet
hat, ist unverständlich.“
Der Beginn der Pflicht falle in eine Zeit der höchsten Infektionszahlen
seit Ausbruch der Pandemie, sagt Pannen. Es gebe in den Pflegeeinrichtungen
„erhebliche Ausfälle“ durch coronabedingte Erkrankungen und Quarantänen.
Stellen seien unbesetzt, hinzu komme der übliche Krankenstand. Wenn
Personal nicht mehr eingesetzt werden dürfe, weil es nicht ausreichend
immunisiert sei, führe das „selbstverständlich zur weiteren Eskalation der
Situation in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen“. Das könne
„mancherorts auch die Versorgung gefährden“. Noch habe die Impfpflicht
nicht zu Einbrüchen beim Personal geführt. Aber: „Neues zu akquirieren, ist
fast unmöglich. Der Markt ist leer.“
Die Diskussion um die einrichtungsbezogene Impfpflicht habe „die
Berufsgruppe erheblich verunsichert“. Es sei das Gefühl verstärkt worden,
dass diejenigen, die seit über zwei Jahren in besonderer Weise die Lasten
der Pandemiebewältigung tragen, für konkrete Infektionsgeschehen
verantwortlich gemacht werden. „Sollte es aufgrund der Umsetzung der
Impfpflicht zu weiteren Personalausfällen kommen, könnte die Verunsicherung
auch noch zunehmen.“ In Team- und Einzelgesprächen habe man auf
ImpfskeptikerInnen eingewirkt, der Betriebsarzt habe Angebote gemacht.
„Manche haben sich entschieden, sich doch impfen zu lassen. Andere sind bei
ihrer Entscheidung geblieben. Nur sehr wenige haben das Unternehmen
verlassen.“
240.000 Beschäftigte gibt es in Niedersachsen in der Branche, sagt
Ministerin Behrens, davon 90.000 in der Pflege. Die Verpflichtung der
Einrichtungen, Mitarbeitende beim Gesundheitsamt zu melden, deren
Impfstatus ungenügend oder unsicher ist, scheint die fünf Prozent zu
bestätigen, von denen die Ministerin sprach. „Wir sind derzeit bei 4.017 im
Meldeportal angemeldeten Einrichtungen“, sagt Anna Hage, Sprecherin des
Ministeriums, der taz. „Sie haben insgesamt 11.990 Mitarbeitende gemeldet.“
In hartnäckigen Fällen könne es zur Anhörung, zum Zwangs- oder Bußgeld, zum
Betretungs- oder Tätigkeitsverbot kommen.
Thore Wintermann vom AWO-Bezirksverband Weser-Ems in Oldenburg sieht die
Situation etwas entspannter als Pannen. Der Fachkräftemangel in der Pflege
sei „definitiv deutlich spürbar“. Trotzdem seien die Personaleinbußen
aufgrund der Impfpflicht im Vergleich zu anderen Ursachen gering. Der
Ausfall aufgrund von Quarantänen sei „weitaus gravierender als derjenige,
der durch die Impfpflicht hervorgerufen wird“. Zwei bis drei Prozent seiner
Mitarbeitenden sind von den neuen Regelungen betroffen.
Die Pflicht sei „ein geeignetes Instrument, um die Ansteckungsgefahr mit
dem Coronavirus zu senken, und vor allem, um die Auswirkungen einer
Corona-Infektion abzumildern“, sagt Wintermann. „Eine generelle Impfpflicht
für alle Erwachsenen hätten wir jedoch mehr begrüßt.“
Wintermann rechnet nicht damit, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht
eines Tages wieder zurückgenommen wird. Er hofft es auch nicht. Unmut und
Irritation in der Belegschaft habe sie nicht verursacht. „Wir fahren seit
über einem Jahr eine intensive Impfkampagne in allen Einrichtungen mit
Plakaten, Infos und Gesprächsangeboten“, sagt Wintermann. „Somit ergaben
sich keine neuen Diskussionen.“
Bis feststeht, was mit Mitarbeitenden geschieht, die keine Impfung haben
oder wollen, kann es noch dauern. Betroffene werden momentan
„patient*innenfern“ eingesetzt. Auch die Diakonie Osnabrück hat bisher
keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen gezogen. „Diese werden gegebenenfalls
erst auf behördliche Anordnung notwendig“, sagt Pannen.
7 Apr 2022
## LINKS
[1] /Diakonie-Chef-ueber-Pflege-und-Corona/!5823426
[2] /Einrichtungsbezogene-Impfpflicht/!5837055
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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