# taz.de -- Sabotageakte in Russland: Mysteriöse Explosionen | |
> Saboteure zielen auf russische Infrastruktur, um die Mobilisierung zu | |
> schwächen. Menschen in Russland fürchten weitere Anschläge. | |
Bild: Gesprengte Eisenbahnbrücke bei Kursk am Montag | |
Das kann kein Zufall und kein technisches Versagen mehr sein: Immer | |
häufiger brennen in Russland, insbesondere im Grenzgebiet zur Ukraine, | |
Militäreinrichtungen, oder es kommt zu mysteriösen Zerstörungen der | |
Infrastruktur. Mehrere Explosionen in der südrussischen Metropole | |
Belgorod, 80 Kilometer von der ukrainischen Stadt Charkiw entfernt, | |
schreckten in der Nacht zu Montag die Bewohner aus dem Schlaf. | |
„Mitten in der Nacht haben mich zwei Explosionen aus dem Schlaf gerissen“, | |
schreibt der Gouverneur dieses russischen Gebietes, Wjatscheslaw Gladkow, | |
auf seinem Telegram-Kanal. Zerstörungen, so der Gebietschef, seien von der | |
Polizei nicht festgestellt worden. Es sei auch nichts von der Ukraine aus | |
auf die Stadt geflogen, teilte er mit, um die Bevölkerung zu beruhigen. Die | |
russische Luftwaffe habe lediglich „im Rahmen der Spezialoperation gewisse | |
Kampfaufgaben ausgeführt“. Russland bezeichnet seinen Krieg im Nachbarland | |
als „Spezialoperation“. Überprüfen lassen sich die Angaben des Gebietsche… | |
nicht. | |
In Belgorod und anderen Orten Russlands häufen sich die Ereignisse, bei | |
denen es sich wohl um Sabotageakte handelt. Ebenfalls am Wochenende hatte | |
Gladkow seine Bevölkerung von einem mysteriösen Feuer unterrichtet, das | |
„auf einer Einrichtung des russischen Verteidigungsministeriums“ in | |
Stadtnähe ausgebrochen war. | |
In Russland geht die Angst vor weiteren Anschlägen um. Gegenüber der taz | |
berichtet eine 40-jährige Managerin eines in Moskau angesiedelten | |
Touristikunternehmens, wie sehr sie und ihre Mitarbeiterinnen sich vor | |
einer Ausweitung des Kriegs nach Moskau fürchten. „Immer wenn ich ein | |
tieffliegendes Flugzeug sehe oder einen lauten Knall höre, denke ich, jetzt | |
ist es so weit. Früher oder später werden doch die Ukrainer auch uns aus | |
dem Schlaf reißen“, meint die Frau, die „eigentlich den Krieg ablehnt“. | |
## Einstürzende Brücken | |
Wer hinter diesen mysteriösen Anschlägen steckt, ist nicht klar. Stanislaw | |
Kybalnik von der Charkiwer Plattform assembly.org.ua, geht gegenüber der | |
taz davon aus, dass zumindest bei den professionell ausgeführten Anschlägen | |
ukrainische Dienste eine Rolle spielen könnten. Zugegeben hat das die | |
Ukraine bisher nur in einem Fall. Nachdem am Donnerstag in der Nähe der von | |
russischen Truppen besetzten ukrainischen Stadt Melitopol eine Brücke in | |
die Luft gegangen war, erklärten die ukrainischen Streitkräfte, sie stünden | |
hinter der Sprengung. | |
Diese Brücke hatte eine wichtige Funktion für den Nachschub der russischen | |
Truppen gehabt. Am 27. April berichtete das russische Portal kommersant.ru, | |
in Belgorod habe der russische Geheimdienst FSB zwei junge Männer | |
festgenommen, die Eisenbahnschienen zerstören wollten. Beide jungen Männer, | |
so der FSB, hätten für rechtsradikale Einheiten der ukrainischen | |
Streitkräfte gearbeitet. | |
Auch in anderen russischen Städten häufen sich Sabotageakte. Am Sonntag | |
erklärte der Gouverneur des ebenfalls nahe der ukrainischen Grenze | |
gelegenen russischen Gebietes Kursk, Roman Starowojt, der Einbruch einer | |
Brücke in seinem Gebiet sei auf Sabotage zurückzuführen. Das russischen | |
Anarchisten nahestehende Portal a2day.org berichtet über weitere | |
Sabotageakte gegen den Krieg. Man wisse von mindestens zwei Brandstiftungen | |
bei Rekrutierungszentren. Außerdem seien mehrere Fahrzeuge der Armee an | |
verschiedenen Orten Russlands in Brand gesteckt worden. | |
In der Stadt Kostroma, so das Portal, habe ein Monument [1][der russischen | |
Kriegspropaganda mit dem Buchstaben „Z“] nur drei Wochen gestanden, dann | |
sei es abgerissen worden. Nicht einmal ein Warnschild mit dem Hinweis, das | |
Objekt stehe unter Strom, habe es retten können. Doch die Polizei habe eine | |
Person in Zusammenhang mit dem Vorfall festgenommen. | |
## Russische und ukrainische Anarchisten verbünden sich | |
Außerdem berichtet das Portal von zwei jungen Männern, die in Sewastopol | |
auf der Krim festgenommen worden seien, nachdem sie Aufkleber mit dem | |
Buchstaben Z von Autos abgerissen und deren Reifen aufgeschlitzt hätten. | |
Sie müssten sich nun wegen Zerstörung von Eigentum vor Gericht | |
verantworten. | |
Für Aufsehen hatte in der russischen Stadt Krasnodar die Aktion des | |
23-jährigen Alexander Suruchanow geführt, der mitten in der Stadt aus | |
Protest gegen den Krieg ein Sofa in Brand gesteckt hatte. | |
Suruchanow hatte sich zu dieser Tat entschlossen, [2][nachdem sich seine in | |
Mariupol lebende Freundin nicht mehr gemeldet hatte.] Auch in Belarus | |
hätten Gesinnungsgenossen Eisenbahngleise für das Militär unbrauchbar | |
gemacht. [3][Auf der Plattform avtonom.org erklären sich russische | |
Anarchisten mit ihren ukrainischen Gesinnungsfreunden solidarisch] und | |
sprechen der Ukraine ihre Unterstützung aus. Gemeinsam mit diesen lehne man | |
diesen „imperialistischen Akt der Aggression gegen ein Volk“ ab. Als | |
antiautoritäre Kraft habe man sich von Beginn an dem Widerstand gegen | |
diesen Krieg angeschlossen. | |
„Für diesen Krieg ist Russland verantwortlich. Russland versucht, seine | |
Vorherrschaft in der Region zu etablieren. Wenn die wahren Gründe für den | |
Krieg ein neutraler Status der Ukraine oder die Osterweiterung der Nato | |
gewesen wären, wäre der Krieg schon längst vorbei. Oder wahrscheinlicher | |
noch, hätte gar nicht erst angefangen“, so avtonom.org. | |
3 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Kriegspropaganda-fuer-Kinder-in-Russland/!5850151 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=Ie3se-_EpNQ | |
[3] https://avtonom.org/news/zayavlenie-ot-ukrainskoy-antiavtoritarnoy-iniciati… | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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