| # taz.de -- Neonazi-Gewalt in Glauchau: Wirklich alles „im Griff“? | |
| > Am 1. Mai attackierten in Glauchau Neonazis linke Demonstranten. Grüne | |
| > und Linke fordern Aufklärung, der Innenminister stellt sich vor die | |
| > Polizei. | |
| Bild: 1. Mai, Zwickau: Kundgebung der Splitterpartei „III. Weg“, eine Vielz… | |
| Dresden/Berlin taz | Es geht nicht gut los für Sachsens | |
| [1][Neu-Innenminister Armin Schuster]. Gerade mal eine Woche im Amt, muss | |
| sich der CDU-Mann für seine Landespolizei rechtfertigen. Am Sonntag, dem 1. | |
| Mai, hatten Rechtsextreme [2][in Chemnitz und Glauchau linke | |
| Demonstranten angegriffen], die sich auf dem Weg von Dresden nach | |
| Zwickau befanden. Die Polizei war zunächst nicht vor Ort, nahm erst im | |
| Anschluss 37 Neonazis in Gewahrsam. Die Linken wollten in Zwickau gegen | |
| einen Aufmarsch des rechtsextremen III. Wegs demonstrieren – dem sich | |
| offenbar die Angreifer anschließen wollten. | |
| Die sächsische Linken-Innenexpertin Kerstin Köditz warf der Polizei am | |
| Montag eine „mangelhafte Einsatzvorbereitung“ vor. Seit Jahren sei die | |
| Anreise zu Nazidemos ein neuralgischer Punkt für Gewalt. Dass dies nicht | |
| mit in die Einsatzplanung einfloss, dafür fehle ihr „jegliches | |
| Verständnis“, sagte Köditz der taz. Sie werde den Einsatz im Innenausschuss | |
| thematisieren, Schuster müsse „Erklärungen liefern“. | |
| Auch Valentin Lippmann von den mitregierenden Grünen sagte der taz: „Solche | |
| Angriffe liegen leider im Bereich des Erwartbaren.“ Obwohl für Bahnhöfe und | |
| Züge grundsätzlich die Bundespolizei zuständig sei, müsse geklärt werden, | |
| ob „dem Schutz bei der An- und Abreise ausreichend Priorität bei der | |
| Einsatzplanung durch die sächsische Polizei eingeräumt wurde“. | |
| ## Für Schuster hatte die Polizei alles „im Griff“ | |
| Innenminister Schuster wies die Kritik zurück. „Die Polizei hatte die | |
| Versammlungslage in Zwickau zu jeder Zeit im Griff“, erklärte er. Die | |
| Straftaten in Chemnitz und Glauchau habe sie „mit aller Konsequenz“ | |
| verfolgt. Schuster bezog dabei einen weiteren Vorfall mit ein: Am Bahnhof | |
| Crimmitschau hatte am Sonntagabend eine laut Polizei „dem linken Spektrum | |
| zuzuordnende Personengruppe“ vier Neonazis mit Schlagwerkzeugen überfallen, | |
| die aus Zwickau abgereist waren. Die Angegriffenen mussten ins Krankenhaus. | |
| Auch diese Tat sei „nicht zu tolerieren“, so Schuster. „Künftig muss auch | |
| auf den An- und Abmarschwegen noch mehr polizeiliche Stärke gezeigt | |
| werden.“ | |
| Laut der Polizei waren in Chemnitz zunächst 50 Rechtsextreme von der | |
| Bundespolizei aus einem Zug gewiesen worden, es sei zu | |
| „Auseinandersetzungen“ mit Linken gekommen. In Glauchau gab es dann nach | |
| Steinwürfen auf eine Regionalbahn die Ingewahrsamnahme der 37 | |
| Rechtsextremen. Laut Bundespolizei wurden die Betroffenen erst am Abend – | |
| nach Ende des „III. Weg“-Aufmarschs in Zwickau – wieder freigelassen. Von | |
| den Angegriffenen seien zwei leicht, einer schwer verletzt worden. | |
| Den Polizeieinsatz zum Aufmarsch des III. Wegs in Zwickau selbst, an dem | |
| sich gut 200 Rechtsextreme beteiligt hatten, nannte Polizeipräsident Lutz | |
| Rodig „erfolgreich“. Er sprach von einem „friedlichen Verlauf“ mit nur … | |
| Straftaten und drei Ordnungswidrigkeiten. Die Polizei hatte den Aufzug vor | |
| Gegendemonstranten abgeschirmt, die zu mehreren Hundert in der Stadt | |
| protestiert hatten. Mehrere Neonazis hatten indes Pressevertreter bedroht. | |
| „III. Weg“-Chef Matthias Fischer nannte einige von ihnen | |
| „[3][Dreckschweine]“. | |
| Zwickaus Oberbürgermeisterin Constance Arndt (Bürger für Zwickau) äußerte | |
| sich dennoch erleichtert. „Mit großer Sorge“ habe sie im Vorfeld auf den | |
| rechtsextremen Aufzug geschaut, erklärte sie am Montag. „Zum Glück blieb es | |
| insgesamt friedlich.“ Sie sei „sehr froh“ über das breite Bündnis von | |
| Gegendemonstrierenden, die an diesem Tag für Weltoffenheit eintraten. | |
| Zwickau stehe „für Demokratie und Vielfalt“. | |
| ## Innenministerin Faeser dankt der Polizei | |
| Auch bundesweit fuhren Rechtsextreme am 1. Mai Misserfolge ein. In Dortmund | |
| kamen ebenso nur gut 200 Neonazis zu einem Aufmarsch der NPD und der | |
| Splitterpartei Die Rechte zusammen. In Erfurt waren es rund 140. Auch auf | |
| autonomer Seite blieb es weitgehend ruhig. In Berlin sprach Innensenatorin | |
| Iris Spranger (SPD) vom „[4][friedlichsten 1. Mai seit Jahrzehnten]“. | |
| Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dankte der Polizei, dass sie | |
| bundesweit für „weitgehend friedliche, offene und vielfältige | |
| Demonstrationen zum 1. Mai gesorgt und Gewalt und Randale verhindert“ habe. | |
| Umso mehr richteten sich die Augen, mal wieder, auf Sachsen. Auch Oliver | |
| Malchow, Bundeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), nannte den Angriff | |
| von Glauchau am Montag „verstörend“. Polizeipräsident Rodig versicherte, | |
| dass zu dem Angriff und dem in Crimmitschau nun „auf Hochtouren“ ermittelt | |
| werde. Ausgewertet würden auch Videoaufnahmen. In Crimmitschau aber fehlen | |
| diese, auch konnten zunächst keine Tatverdächtigen gefasst werden. Hier | |
| werden die Ermittlungen deutlich schwerer. | |
| Für GdP-Chef Malchow ist es aber allein mit Strafverfolgung nicht getan. | |
| „Mir ist nicht nachvollziehbar, wie dieser offensichtliche Hass auf fast | |
| alle und jeden in die Köpfe dieser Menschen kommt“, sagte er über den | |
| Glauchau-Angriff. So sehr die Angreifer entsprechende Strafen verdienten, | |
| sei „zweifelhaft“, dass diese mit veränderter Einstellung in die | |
| Gesellschaft zurückkehrten. Es brauche daher vielmehr mehr Investionen in | |
| Präventions- und Aussteigerprogramme „gegen rechts“. Auch müsse die | |
| nachrichtendienstliche Beobachtung der Szene intensiviert werden. | |
| 2 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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