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# taz.de -- Streit um Klima-Bilanz der A26: Der wahre Preis der Autobahn
> Die Planer der A26 haben jetzt auch den Klimaeffekt einer neuen Autobahn
> in Hamburg ermittelt. Umweltverbände bezweifeln die Berechnung.
Bild: Anhaltender Protest: Mitglieder von Nabu und BUND bei einer Kundgebung im…
Hamburg taz | Der Klimaschutz hat jetzt auch den Autobahnbau erreicht.
Nachdem das Klimaschutzgesetz des Bundes auf Veranlassung des
Verfassungsgerichts nachgebessert werden musste, sahen sich auch die Planer
der Autobahn A26 im Hamburger Süden genötigt, ein Kapitel zum Klimaschutz
zu verfassen.
Anders als von den Umweltverbänden Nabu und BUND kritisiert,
berücksichtigen die Planer dabei auch das Kohlendioxid (CO2), das beim Bau
der aufwendigen Autobahn in die Atmosphäre entlassen wird und dort das
Klima anheizt. Dieser Anteil fällt – verglichen mit dem späteren Verkehr
auf der Autobahn – bescheiden aus.
Die [1][A26 soll einmal Stade im Alten Land mit der A7 und der A1 im Süden
Hamburgs verbinden]. Bereits im Bau ist der Abschnitt von Stade zur A7 und
damit zum Hamburger Elbtunnel. Er soll den Pendlern und Anwohnern der
unfallträchtigen Bundesstraße 73 sowie des Alten Landes das Leben
erleichtern.
Auf Hamburger Gebiet verläuft sie als „Hafenpassage“ zwischen den
Stadtteilen Wilhelmsburg und Harburg, ein Teil davon auf Stelzen,
anderthalb Kilometer in einem Tunnel. Sie soll den Lastern freie Bahn
verschaffen, die sich bisher auf der Köhlbrandbrücke stauen, über die B73
durch Harburg rollen oder sich auf Nebenstraßen durch den Hafen quälen.
Nabu und BUND haben den rot-grünen Hamburger Senat aufgefordert, auf eine
weitere Autobahn im Stadtgebiet zu verzichten. Angesichts der veränderten
Rahmenbedingungen seien die Pläne nicht mehr zeitgemäß, stellen die
Verbände im Zusammenhang mit ihrer gemeinsamen 100-seitigen Stellungnahme
zur A26 Ost fest.
Die Umweltverbände beziehen sich auf das [2][Klimaschutzurteil des
Bundesverfassungsgerichts] vom 28. April 2021. Darin erlegten die Richter
dem Bund und den Ländern auf, ihr Klimaschutzgesetz nachzuschärfen, weil es
zu wenig ambitionierte Emissionsminderungsziele festlege. Die
Einschränkungen, die nötig seien, um das [3][Pariser Klimaziel von 1,5 Grad
zu erreichen], würden in unverhältnismäßiger Weise den nach 2030 Lebenden
aufgebürdet.
„In der Antarktis wurden vergangene Woche Temperaturen gemessen, die mehr
als 30 Grad Celsius über den Normalwerten liegen und wir müssen hier
ernsthaft darüber diskutieren, ob in Hamburg noch eine massiv CO2-intensive
Autobahn gebaut werden soll“, ärgert sich der Nabu-Landesvorsitzende Malte
Siegert. Angesichts der veränderten Rechtsprechung sei es verheerend, dass
die Deges die beim Bau der Autobahn entstehenden Treibhausgasemissionen
nicht berücksichtige.
An dieser Stelle tun Nabu und BUND den Planern allerdings unrecht. [4][Die
Deges, die die A26 im Auftrag der Autobahngesellschaft des Bundes baut],
hatte ihre [5][Planunterlagen im September 2021 nachgebessert und um ein
Kapitel zum Klimaschutz ergänzt]. In dem Erläuterungsbericht ist die Rede
davon, dass auch baubedingte Emissionen berücksichtigt würden – versehen
mit einem allerdings irreführenden Hinweis auf das [6][Methodenhandbuch zum
Bundesverkehrswegeplan], in dem nur von „Ersatzinvestitionen, den
Restinvestitionen, der Streckenunterhaltung und dem Betrieb“ die Rede ist.
Eine Fußnote im Methodenhandbuch verweist dann auf eine [7][Studie der
Forschungseinrichtung Öko-Institut für das Umweltbundesamt]. Das Institut
hat 2014 ermittelt, wie viele Treibhausgase beim Betrieb von Straßen,
Schienen und Wasserstraßen entstehen, bei deren Bau und Unterhaltung, beim
Bau und der Wartung der Fahrzeuge sowie durch den Verkehr.
Das Öko-Institut vergleicht dabei den Treibhausgas-Ausstoß pro Person oder
Tonne je Kilometer. Beim Pkw-Verkehr fallen der Bau und die Unterhaltung
der Straßen einschließlich der Gewinnung und Bereitstellung der Baustoffe
mit vier Prozent ins Gewicht, beim Straßengüterverkehr mit 19 Prozent. Die
baubedingten Emissionen werden auf eine Lebensdauer der Straße von 60
Jahren bezogen.
Für den 1,95 Kilometer langen Abschnitt an der A26 Ost errechnet die Deges
einen bau- und unterhaltungsbedingten Treibhausgasausstoß von 434 Tonnen
pro Jahr. Dem stellt sie eine Einsparung von 48.599 Tonnen gegenüber, wenn
die gesamte 9,7 Kilometer lange Autobahn einmal fertig ist.
Diese Einsparung bezieht sich auf die künftige Autobahn und deren
umgebendes Netz von Autobahnen, Bundes- und Stadtstraßen. Sie soll zustande
kommen, obwohl der [8][tägliche Pkw-Verkehr durch die Autobahn laut
Prognose] um zehn, der Lkw-Verkehr um elf Prozent wachsen wird.
Im Erläuterungsbericht heißt es, die Einsparung werde erreicht dank
moderner und energieeffizienter Verbrennungstechnik bei Fahrzeugen und die
Förderung von E-Mobilität: „Damit wird der CO2-Ausstoß durch den Verkehr
sukzessive entsprechend der zukünftigen technischen Entwicklung weiter
sinken.“
## Zweifel an Notwendigkeit der A26
Auch wenn der Bau berücksichtigt wird, bewerten Nabu und BUND die
CO2-Bilanz der Planer als fragwürdig: Die Studie des Ökoinstituts basiere
auf Zahlen aus dem Jahr 2008. Im Juli 2021 habe die [9][Europäische
Kommission eine neue technische Richtlinie zur Sicherung der
Klimaverträglichkeit von Infrastrukturprojekten] veröffentlicht. Warum sei
diese nicht angewandt worden?
Im Übrigen sei die Rechnung der Planer stark vereinfacht und werde nicht
auf das konkrete Beispiel A26 bezogen. Auch werde darin nicht
berücksichtigt, dass Fläche versiegelt und dabei im konkreten Fall
Moorboden zerstört werde. Die Planer kontern das mit dem Hinweis, der
Moorboden werde anderswo wieder eingebaut.
Die Umweltverbände bezweifeln, dass die Autobahn überhaupt notwendig ist.
Zum einen wachse der Umschlag im Hafen nicht so wie einmal prognostiziert.
Zum anderen werde nicht berücksichtigt, dass ja auch die ans Ende ihrer
Lebenszeit gekommene Köhlbrandbrücke ersetzt und damit die bestehende
Haupthafenroute auf Vordermann gebracht werden soll. Der Nabu-Vorsitzende
Siegert sieht darin eine „Doppelplanung“ – rausgeschmissenes Geld.
8 Apr 2022
## LINKS
[1] /Demo-gegen-Autobahnplaene/!5774845
[2] /Entscheidung-zum-Klimaschutzgesetz/!5763553
[3] /Klimapolitik-der-Bundesregierung/!5840074
[4] https://www.deges.de/projekte/
[5] https://www.hamburg.de/bwi/np-aktuelle-planfeststellungsverfahren/15857028/…
[6] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/BVWP/bvwp-methodenhandbuch.html
[7] https://imsva91-ctp.trendmicro.com/wis/clicktime/v1/query?url=https%3a%2f%2…
[8] https://www.hamburg.de/umweltvertraeglichkeitspruefungen-hamburg/
[9] https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/23a24b21-16d0-11ec…
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
A26
Hamburg
Schwerpunkt Klimawandel
Verkehr
Schwerpunkt Stadtland
Verkehrswende
A26
Autobahn
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